.

Die Ufa wird 100 und blickt auf ihre NS-Vergangenheit

Die Ufa wird 100 und blickt auf ihre NS-Vergangenheit
Unsere Mütter, unsere Väter ZDF/David Slama

Die berühmteste deutsche Filmproduktionsfirma wird 100 und blickt auf ihre dunkle Vergangenheit zurück. Ihr Chef Nico Hofmann tut das schon lange.

Foto: ZDF/Conny Klein, Wolke Hegenbarth in "Dresden"
Seit einem Jahrhundert produ­ziert die Ufa Spielfilme. Grund zum Feiern, aber auch Anlass, die Nazivergangenheit von Deutschlands ältester Filmproduk­tion zu untersuchen. Bei einem Sym­posium des Berliner Filmmuseums Deutsche Kinemathek im Mai wiesen Filmwissenschaftler einem Fachpublikum nach, dass die Ufa die Nazis mit offenen Armen empfing. "Hitlerjunge Quex" wurde sogar schon vor der Machtergreifung 1933 produziert, quasi in Vorausahnung des deut­schen Massengeschmacks. Erstaunlicherweise wurden hoch qualifizierte jüdische Filmschaffende und Publi­kumslieblinge trotzdem noch lange für Ufa-Produktionen eingesetzt, auch wenn das den Unwillen der Nazi­oberen erregte.

Wie sehr die NS­-Zeit auf die Deutschen und auch auf die zeitgenös­sischen Produktionen der Ufa nach­ wirkt, wurde beim anschließenden Podiumsgespräch mit Nico Hof­mann deutlich. "Viele Entwicklungen in meiner Familie gehen zurück auf Erfahrungen im Dritten Reich", er­klärte der wohl einflussreichste TV­ Produzent Deutschlands. "Bei mei­nem Vater ist es ganz klar der Krieg, bei meiner Mutter war es die Hitler­jugend. Meine Mutter hat jahrelang gebraucht, um zu begreifen, dass es Hitler nicht mehr gibt. Dass er als Gott, als Vater nicht mehr zur Ver­fügung steht."

Hofmanns jahrzehntelange Auseinandersetzung mit den Eltern mündete in eine lange Reihe von Fil­men, die sich mit Nazis, Krieg und Nachkriegszeit beschäftigen: "Stauf­fenberg" (2004), "Die Luftbrücke" (2005), "Dresden" (2006), "Nicht alle waren Mörder" (2006), "Die Flucht" (2007), "Hindenburg" (2011), "Rom­mel" (2012), "Unsere Mütter, unsere Väter" (2013), "Nackt unter Wölfen" (2015), "Ku'damm 56" (2016). "Zu den allermeisten dieser Filme gibt es eine Verbindung in meine Familienge­schichte", sagt Hofmann.

Ein Mann arbeitet sich am Verhält­nis zu seinen Eltern ab, und die da­ durch inspirierten TV­Filme sind jedes Mal Publikumserfolge mit Millionenquoten. Weil Hofmann einen Finger am Puls des Publikums hat oder weil er besonders spannende und unter­haltsame Filme herstellen kann?
Serie über den jungen Hitler
Foto: Getty Images, Nico Hofmann
"Ich bekenne mich dazu, dass ich die Mehrzahl der Menschen erreichen will", sagt Hofmann. Das bedeutet, dass seine Filme am Hauptabend um 20.15 Uhr laufen müssen - und daher aus Jugendschutzgründen manchmal nicht so hart erzählt werden dürfen, wie die Themen es eigentlich verlangen. Wann beginnt ein eigentlich sauber recherchierter Film - worauf Hofmann großen Wert legt -, unter diesen Bedingungen trotzdem ungenau zu werden? Und wie sehr darf man Geschich­te emotionalisieren? Wie sehr darf mit Liebesgeschichten nachgesüßt werden?

Dass seine Filme selbst Ge­schichtsschreibung betreiben, besonders als Unterrichtsmaterial an Schulen, ist Hofmann bewusst. Sein erklärtes und oft erreichtes Ziel ist die gesellschaftliche Debatte. "Es muss etwas auslösen. ‚Unsere Mütter, unsere Väter‘ war dazu da wehzutun, meinem eigenen Vater wehzutun", sagt Hofmann. Ein Schlüsselerlebnis war für ihn die Ausstrahlung des US­-Vierteilers "Holocaust", der die fiktive Geschichte der jüdischen Familie Weiss im Natio­nalsozialismus erzählte und 1979 in Deutschland von 20 Millionen Men­schen gesehen wurde. Die Sender verzeichneten über 30 000 Anrufe erschütterter Zuschauer. "Diese Serie hat ein fast fünfjähriges Zerwürfnis mit meinen Eltern zur Folge gehabt", erinnert sich Hofmann. "Ich habe gesagt: Das habt ihr nie erzählt! Und das war sehr melodramatisch ge­macht. Darf man das? Bei mir hat es Dinge in Gang gebracht, die ohne die Serie nicht passiert wären."Doch das ist mittlerweile lange her. Hofmanns Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich ist weit gediehen. "Ich habe innerlich Frieden damit ge­schlossen. Auch in der Auseinandersetzung mit meinen Eltern."

Hofmann, Motor der Ufa-­Histo­rienfilme, wird ab September allein über die gesamte Ufa-Gruppe herr­schen. Er will weitere Filme produ­zieren, wird damit aber angesichts der vielen neuen administrativen Aufgaben wohl deutlich kürzertreten müssen. Eine Serie über den jungen Hitler würde er trotzdem gern noch pro­duzieren. Weil sie in die aktuelle Debatte über Rechtspopulismus passen würde. Die Drehbücher sind fertig, die Entwicklung hat bereits eine hal­be Million Euro verschlungen - aber kein Sender will das Projekt haben. Nachdem RTL Ende 2016 abgesprun­ gen war, wird jetzt mit einem großen Streaminganbieter, wohl Netflix, verhandelt. "Ich habe noch drei, vier Ideen", sagt Hofmann. "Aber wenn es dann nicht geht, dann geht es eben nicht."
Autor: Frank I. Aures