Europäer haben drei Bälle vor Augen
Die letzte Fußball-WM in Lateinamerika liegt schon 28 Jahre zurück. Damals, in Mexiko 1986, verlor die deutsche Mannschaft das Finale vor mehr als 100 000 Zuschauern gegen Argentinien mit 3:2. Im Aztekenstadion von Mexiko City herrschten am Tag des Endspiels 35 Grad. Es war die sechste Weltmeisterschaft auf dem Kontinent, je zweimal siegten Uruguay (1930, 1950), Brasilien (1962, 1970) und Argentinien (1986, 1987). Europäische Mannschaften zogen vier Mal ins Finale ein, gewinnen konnten sie nie.
In Brasilien zeichnet sich ab, dass diese Tradition Bestand hat. Sogar Außenseiter Costa Rica nutzte seinen Heimvorteil aus Mörderhitze und fanatischen Anhängern.
Früh geplatzt sind die Titelträume europäischer Großmächte des Fußballs. Weltmeister Spanien ist nach der zweiten Niederlage, 0:2 gegen Chile, aus dem Turnier ausgeschieden. Italien bangt nach dem 0:1 gegen Costa Rica (4,8 Mio. Einwohner) um den Einzug ins Achtelfinale. Die Schmach der Squadra Azzura besiegelte das Aus des Ex-Weltmeisters England, der gegen Uruguay (3,3 Mio. Einwohner) nach tölpelhaften Fehlern in der Abwehr 1:2 verlor. Das Team der Three Lions kannte wieder nur eine Art von Fußball: immer volle Pulle nach vorn, kämpferisch vorbildlich, taktisch naiv, vorne überhastet.
Cleverness ist den Italienern wahrlich nicht abzusprechen, vielmehr ging dem viermaligen Weltmeister ab der 60. Minute die Puste aus. "Die Italiener haben drei Bälle gesehen", analysierte Mehmet Scholl im Ersten. "Offenbar ist die Mannschaft nicht top vorbereitet auf das Turnier."
Luft haben die Heimteams ohne Ende. Weil sie klugerweise auch mal das Tempo herausnehmen, um Kraft zu sparen, und sich aufs Kontern verlegen, so wie die Teams aus Kolumbien und Uruguay. Angepeitscht von zehntausenden Anhängern gehen sie schon in der Vorrunde an ihre körperlichen Grenzen, agieren 90 Minuten lang wie aufgekratzt, bewahren vor dem Tor aber die Ruhe und treffen.
Ihre Stars heißen James Rodríguez, Torschütze, Vorlagengeber und Abräumer im Mittelfeld für Kolumbien. Luis Suárez, die Uru-Wuchtbrumme des FC Liverpool, der England mit zwei Treffern nach Hause schickte und der vor einem Monat nach einer Knie-OP noch im Rollstuhl saß. Nicht zuletzt Bryan Ruiz, ein Schleicher aus Costa Rica, der mit seinem 1:0-Siegtor gegen Italien für die erste große Sensation des Turniers sorgte.
Auf sie mit Gebrüll, so könnte der interne Schlachtruf der Fußball-Krieger aus Chile lauten. Mit ihrem vorsintflutlichen Mann-gegen-Mann-Spiel zerstörten sie das feine Tiki-Taka der Spanier. Sie spielen einen kräfteraubenden Fußball mit dem Unterschied, dass er ihre Kräfte nicht raubt. Sie betreiben Fußball als Nahkampfsport, vor dem sich taktisch feinere Teams aus Europa zu Recht fürchten. Die Lust am Spiel können einem auch die Mexikaner gehörig verderben. Denn sie doppeln ihre Gegenspieler: Wer mit dem Ball einen Tick zu lange zögert, muss sich gleich mit zwei von ihnen herumschlagen. Und hinten stehen fünf Mann in der Abwehrkette, eine Formation, die neben Argentinien auch Holland bevorzugt.
Aber tröste dich, Europa, viel schlechter als deine Zwischenbilanz fällt das vorläufige Fazit Afrikas aus. Kamerun verlor gegen Mexiko und Kroatien, Ghana gegen die USA, Algerien unterlag Belgien, Nigeria spielte Unentschieden gegen Iran. Nur der Elfenbeinküste gelang ein Sieg (2:1 gegen Japan). Was afrikanische Teams abliefern, erinnert an ihre desolaten Auftritte in Südafrika 2010. Wieder gab es im Vorfeld Streit über Siegerprämien, Spieler drohten mit Boykott, wieder erklärten sich zwei, drei Mannschaften zu Mitfavoriten, bevor es die üblichen Niederlagen hagelte und untereinander die Fäuste flogen.
Lateinamerika dominiert die WM, bisher ist nur Honduras draußen. Aber die großen Duelle mit Europa stehen noch bevor. Robben und Müller sind schon ganz heiß drauf.
Helmut Monkenbusch
Früh geplatzt sind die Titelträume europäischer Großmächte des Fußballs. Weltmeister Spanien ist nach der zweiten Niederlage, 0:2 gegen Chile, aus dem Turnier ausgeschieden. Italien bangt nach dem 0:1 gegen Costa Rica (4,8 Mio. Einwohner) um den Einzug ins Achtelfinale. Die Schmach der Squadra Azzura besiegelte das Aus des Ex-Weltmeisters England, der gegen Uruguay (3,3 Mio. Einwohner) nach tölpelhaften Fehlern in der Abwehr 1:2 verlor. Das Team der Three Lions kannte wieder nur eine Art von Fußball: immer volle Pulle nach vorn, kämpferisch vorbildlich, taktisch naiv, vorne überhastet.
Cleverness ist den Italienern wahrlich nicht abzusprechen, vielmehr ging dem viermaligen Weltmeister ab der 60. Minute die Puste aus. "Die Italiener haben drei Bälle gesehen", analysierte Mehmet Scholl im Ersten. "Offenbar ist die Mannschaft nicht top vorbereitet auf das Turnier."
Luft haben die Heimteams ohne Ende. Weil sie klugerweise auch mal das Tempo herausnehmen, um Kraft zu sparen, und sich aufs Kontern verlegen, so wie die Teams aus Kolumbien und Uruguay. Angepeitscht von zehntausenden Anhängern gehen sie schon in der Vorrunde an ihre körperlichen Grenzen, agieren 90 Minuten lang wie aufgekratzt, bewahren vor dem Tor aber die Ruhe und treffen.
Ihre Stars heißen James Rodríguez, Torschütze, Vorlagengeber und Abräumer im Mittelfeld für Kolumbien. Luis Suárez, die Uru-Wuchtbrumme des FC Liverpool, der England mit zwei Treffern nach Hause schickte und der vor einem Monat nach einer Knie-OP noch im Rollstuhl saß. Nicht zuletzt Bryan Ruiz, ein Schleicher aus Costa Rica, der mit seinem 1:0-Siegtor gegen Italien für die erste große Sensation des Turniers sorgte.
Auf sie mit Gebrüll, so könnte der interne Schlachtruf der Fußball-Krieger aus Chile lauten. Mit ihrem vorsintflutlichen Mann-gegen-Mann-Spiel zerstörten sie das feine Tiki-Taka der Spanier. Sie spielen einen kräfteraubenden Fußball mit dem Unterschied, dass er ihre Kräfte nicht raubt. Sie betreiben Fußball als Nahkampfsport, vor dem sich taktisch feinere Teams aus Europa zu Recht fürchten. Die Lust am Spiel können einem auch die Mexikaner gehörig verderben. Denn sie doppeln ihre Gegenspieler: Wer mit dem Ball einen Tick zu lange zögert, muss sich gleich mit zwei von ihnen herumschlagen. Und hinten stehen fünf Mann in der Abwehrkette, eine Formation, die neben Argentinien auch Holland bevorzugt.
Aber tröste dich, Europa, viel schlechter als deine Zwischenbilanz fällt das vorläufige Fazit Afrikas aus. Kamerun verlor gegen Mexiko und Kroatien, Ghana gegen die USA, Algerien unterlag Belgien, Nigeria spielte Unentschieden gegen Iran. Nur der Elfenbeinküste gelang ein Sieg (2:1 gegen Japan). Was afrikanische Teams abliefern, erinnert an ihre desolaten Auftritte in Südafrika 2010. Wieder gab es im Vorfeld Streit über Siegerprämien, Spieler drohten mit Boykott, wieder erklärten sich zwei, drei Mannschaften zu Mitfavoriten, bevor es die üblichen Niederlagen hagelte und untereinander die Fäuste flogen.
Lateinamerika dominiert die WM, bisher ist nur Honduras draußen. Aber die großen Duelle mit Europa stehen noch bevor. Robben und Müller sind schon ganz heiß drauf.
Helmut Monkenbusch