Dienstag wieder Krieg

100 Jahre nach der Schlacht von Verdun ist bei der WM in Brasilien ein Begriff in Mode gekommen, der aus alter Militärsprache stammt. Es ist der Abnutzungskampf, geläufig auch als Abnutzungsschlacht, die darauf abzielt, den Gegner zu ermatten, "bis nahe an die Grenze des Erträglichen" zu bringen, wie es der deutsche Kriegsminister Erich von Falkenhayn in seiner berühmten "Weihnachtsdenkschrift" vom Dezember 1915 formulierte. Für Zeitungen, Sportmagazine und Newsportale kann der Terminus gar nicht abgenutzt genug sein, wie unsere kleine WM-Presseschau zeigt: Auf allen Plätzen tobt der Abnutzungskampf.

Süddeutsche Zeitung: "Von den Achtelfinals entfalteten sich mindestens sechs zu atemberaubenden Abnutzungskämpfen."

De Telegraaf: "Ersatztorwart Krul ist der Held. Für die niederländische Elf war das Spiel in der Fonte Nova Arena ein Abnutzungskampf."

Deutsche Presse-Agentur (dpa) über Brasilen gegen Chile: "Gleich von Beginn an entwickelte sich ein erbarmungsloser Abnutzungskampf, ein intensives Spiel mit viel Tempo, Leidenschaft und harten Zweikämpfen."

Münchner Abendzeitung über Italien gegen Uruguay: "Vor der Pause hatten sich in dem zähen Abnutzungskampf, den die 39 706 Zuschauer in der Halbzeit mit Pfiffen bedachten, kaum Torchancen ergeben."

Die Welt über Italien gegen Uruguay: "Die Partie der beiden Fußball-Großmächte, vor der WM jeweils durchaus hoch gewettet, war dabei lange Zeit ein wenig erbaulicher Kick, aber am Ende eben jener Abnutzungskampf, der erwartet worden war."

n-tn.de: "Geheimfavorit Belgien tut sich auch im zweiten Gruppenspiel schwer, gewinnt aber gegen Russland einen Abnutzungskampf."

Berliner Zeitung: "Im Estádio Beira-Rio von Porto Alegre erschloss sich der künstlerische Wert des ersten Tores im deutsch-algerischen Abnutzungskampf dem Besucher vor Ort erst, wer sich die Superzeitlupe ansah."

Sport1.de über Deutschland gegen Ghana: "Es war ein echter Abnutzungskampf, in dem das DFB-Team nicht glänzte, aber Charakter zeigte."

Kicker über England gegen Italien: "Mit fortschreitender Spieldauer machte sich der Abnutzungskampf bei tropischer Hitze bemerkbar. Den Three Lions, die seit dem Rückstand pausenlos angerannt waren, ging langsam aber sicher der Sprit aus."

zdfsport.de über Kolumbien gegen Brasilien: "Bezeichnend beim Abnutzungskampf gegen Kolumbien, wie der 27-Jährige seinem Widerpart Cristian Zapata über das ganze Feld nachstellte - das Estadio Castelao kochte, als Luiz den Ball behauptete. Unter dem Strich wurden ihm jedoch in diesem Spiel nur zwei der 31 brasilianischen Fouls angelastet."

Welt.de über Mexiko gegen Niederlande: "Dabei war die Abnutzungsschlacht von Fortaleza nur ein läppischer Vorgeschmack auf die WM in acht Jahren. In Katar zeigte das Thermometer zur selben Zeit 45 Grad an, wie ARD-Meteorologe Karsten Schwanke während des Spiels auf Twitter mitteilte."

Aber nicht nur die Journalisten, auch Politiker mögen es bei der WM militärisch. Vor der Partie gegen Deutschland am Dienstag schrieb Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff zwei Briefe an den verletzten Neymar sowie an die "kämpferischste Mannschaft von allen". Heldenprosa samt Durchhalteparolen für eine geschwächte Truppe: "Aber wir sahen dort auch die unglaubliche Stärke eines großen Kriegers, der sich, auch wenn er verwundet ist, nie aufgeben wird.Ein großer Krieger, der seinen Marsch kurz unterbricht, der seinen unüberwindlichen Charakter in der erfolgreichen Schlacht, die unsere Nationalmannschaft kämpft, längst unter Beweis gestellt hat."

Helmut Monkenbusch