2008 Constantin Film Verleih GmbH

Andreas Baader (Moritz Bleibtreu) vor seiner Verhaftung

Kleine Brötchen zu backen liegt ihm nicht. Und so hat sich Erfolgsproduzent Bernd Eichinger mit der Geschichte der RAF wieder einen historischen Brocken vorgenommen.

Nach dem Drehbuch zu "Der Untergang", in dem er Hitlers letzte Tage im Bunker unter der Reichskanzlei fürs Kino aufbereitet hatte, schrieb er jetzt ein Skript über die Mitglieder der Rote Armee Fraktion (RAF), die Deutschland zwischen 1968 (Brandbomben in zwei Frankfurter Kaufhäusern) und 1989 (Ermordung des Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen) mit blutigem Terror in Atem hielt.

Eichinger erzählt die Geschichte der RAF von ihrer Entstehung 1968 bis zu den Selbstmorden der Führungsmitglieder Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin im "Deutschen Herbst" 1977. Sein Drehbuch basiert auf Stefan Austs RAF-Standardwerk "Der Baader Meinhof Komplex".

Bilder Der Baader Meinhof Komplex

"Das Schreiben dieses Buches hat mich viel mehr mitgenommen, als die Arbeit am 'Untergang'. Ich war selbst erstaunt, wie mich das schafft, das mag daran liegen, dass ich mit diesem Buch auch einen Teil meines eigenen Werdegangs als politisch denkender Mensch aufarbeiten musste. Mit allem, was ich lange verdrängt hatte." Mit einem Budget von 20 Millionen Euro, 123 Sprechrollen, 52 kleinen Rollen und 6300 Komparsen hat Uli Edel, Eichinger-Freund seit Studententagen, die RAF-Geschichte in 74 Drehtagen in Szene gesetzt.

In den Hauptrollen die Top-Stars des deutschen Kinos. TV SPIELFILM sprach mit Moritz Bleibtreu (Andreas Baader) und Nadja Uhl (Brigitte Mohnhaupt).

TV SPIELFILM: Als die RAF in den 70er- Jahren die ersten Morde beging, lagt ihr noch in den Windeln. Was wusstet ihr von der RAF, bevor ihr euch für den Film mit ihr beschäftigen musstet?

Nadja Uhl: Ich hatte dieses typische Halbwissen. Ich habe vor vielen Jahren "Der Baader Meinhof Komplex" gelesen und dabei sicher auch ein paar Kapitel übersprungen. Dadurch wusste ich zwar einiges, konnte das aber in keinen sinnvollen Kontext bringen. Wie komplex die Zusammenhänge sind, habe ich erst gemerkt, als ich mich für den Film mit Brigitte Mohnhaupt beschäftigt habe. Ich habe monatelang nur gelesen, gelesen, gelesen.

Andreas Baader war Kopf und Motor der RAF. Ein Mann jenseits aller Moral, der für die Umsetzung seiner politischen Ziele auch Mord als probates Mittel sah. Wie nähert man sich dem?

Moritz Bleibtreu: Es ist sehr kompliziert Legenden zu spielen. Scheinbar hat jeder eine konkrete Vorstellung von ihm, obwohl es nur stumme Bilder oder reine Tonaufnahmen von ihm gibt. Weil man der RAF kein Gesicht geben wollte, hat man damals im Gerichtssaal ja nur den Ton mitgeschnitten.

Die Leute, die ihn kannten, sagen, er sei ein Mann mit einem sehr prägnantem Auftreten gewesen. Ein extrem narzisstischer Mensch, der ziemlich verrückt war und teilweise gefährlich konsequent in die falsche Richtung gedacht hat. Seltsamerweise hat jeder einen anderen Baader gekannt, was dann dazu führt, dass man so voller widersprüchlicher Informationen ist, dass man all das wieder vergessen muss, um es zu spielen.

Nadja spielt die Terroristin Brigitte Mohnhaupt, die 2007 nach 24 Jahren Haft entlassen wurde.

Nadja Uhl: Und es gibt trotzdem nichts von ihr zu sehen! Aber ich glaube sowieso, dass es für einen Schauspieler eher eine Einschränkung bedeutet, wenn es zu viel authentisches Material gibt. Die Krux bei solchen Stoffen ist doch, dass plötzlich lauter Experten auf den Plan treten, für die man gar nichts richtig machen kann. Also muss man sich von allem frei machen. Und obwohl ich sie gespielt habe, würde ich nicht behaupten, ich wüsste, wer Frau Mohnhaupt ist. Eine Darstellung ist immer nur ein Angebot, eine Interpretation.

Wie fühlt man sich in einen Mann ein, der Töten als Mittel zum Zweck rechtfertigt?

Moritz Bleibtreu: Als privater Moritz habe ich bis heute nicht begriffen, wie sich ein solches Gewaltpotenzial entwickeln und derart verselbstständigen konnte. Als Schauspieler, der sich in diesen Mann einfühlen muss, habe ich mir die Zeit, in der Baader groß geworden ist, näher angesehen. Viele aus der Generation seines Vaters und Großvaters sind aktive Anhänger des Nationalsozialismus gewesen und kaschierten das nach Kriegsende durch knallhartes Verdrängen.

Ihre Kinder - die meisten RAF-Mitglieder sind zwischen 1945 und 1948 geboren - waren gleichermaßen geprägt und provoziert durch diese Haltung. Wer aufmuckte, wurde geschlagen. Häusliche Gewalt war etwas völlig Normales und der Schritt von politischer Opposition zur Kriminalität recht klein. Als die RAF die ersten Waffen organisierte, sind sie zu zweit losgegangen, der eine hat einen Polizisten festgehalten, der andere hat ihm die Knarre weggenommen, und dann sind sie abgehauen. Heute unvorstellbar.

Nadja Uhl: An historischen Schnittpunkten, wenn es zum Aufschrei der Kinder gegen die Generation ihrer Väter kommt, sind Radikalisierung und Gewaltbereitschaft meist die Folge. Dass die menschenverachtenden Mittel der RAF dadurch nicht zu rechtfertigen sind, steht außer Frage.

Weiter Töten will gelernt sein

Premierenfotos "Baader Meinhof Komplex"