Seit geraumer Zeit wollen ihn mehr oder weniger großmäulige Gegner in Box-Rente schicken. Aber Wladimir Klitschko, mit 39 Jahren derzeit der älteste Titelträger im Schwergewicht, denkt noch lange nicht ans Aufhören. Fünf weitere Kämpfe hat RTL im Sommer mit "Dr. Steelhammer" vereinbart, was die Amtszeit des sportlich scheinbar unantastbaren Ukrainers bei den üblichen zwei Titelverteidigungen pro Jahr mindestens bis 2017 verlängert. Es sei denn, der Brite Tyson Fury, am 28. November in der Düsseldorfer Esprit-Arena Klitschkos nächster Gegner, lässt seinen vollmundigen Ankündigungen anders als seine Vorredner auch Taten ­folgen: "Du bist langweilig, du bist alt, du bist nichts", tönte der 2,06-Meter-Hüne auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. "Ganz Europa will dich verlieren sehen, und du wirst verlieren. Du hattest noch nie einen Heraus­forderer wie mich, ich bin einzigartig, einen Kämpfer wie mich gibt es alle tausend Jahre."

Wie einst David Haye
Im Gegensatz zu seinem Benehmen (und seiner Figur) ist Furys sportliche Bilanz makellos: Alle 24 bisherigen Kämpfe hat der 27-Jährige gewonnen, 18 davon durch K. o. - zuletzt am 28. Februar in London gegen den Deutsch­rumänen Christian Hammer.

Furys Trash-Talk, seine Respektlosigkeit, seine technischen Fertigkeiten: Vieles erinnert an einen der letzten großen Auftritte von Wladimir Klitschko vor vier Jahren gegen Furys Landsmann David Haye. Damals hatte Haye die Stimmung mit einem geschmacklosen T-Shirt angeheizt: Es zeigte eine Fotomontage des Herausforderers mit den abgeschlagenen Köpfen der Klitschko-Brüder in der Hand. Am Ende bescherte die sportliche Aus­einandersetzung (die Klitschko trotz allem wie gewohnt dominierte und gewann) RTL durchschnittlich 15,5 Millionen Zuschauer. Bei Klitschkos letztem Fight in Deutschland am 15. November 2014 gegen Kubrat Pulev waren es nur 9,16 Millionen.

Abgesehen vom boxerischen Risiko für seinen Schützling dürfte Klitschko-Manager Bernd Bönte den selbstbewussten Pflichtherausforderer ohnehin als angenehme Abwechslung empfinden. Nimmt sie ihm und Klitschko doch die ermüdende Aufgabe ab, einen Herausfor­derer wie üblich erst einmal aus der Opferrolle zu holen und nach allen Regeln der Vermarktungskunst starkzureden.

Boxen vom Feinsten?
Dass das Klitschko-Lager auch diesen Teil des Geschäfts glänzend beherrscht, zeigt ein früherer Stadionauftritt in Düsseldorf, die freiwillige Titelverteidigung am 3. März 2012 gegen Jean-Marc Mormeck. Erst pries man den ­Herausforderer als "französischen Mike Tyson" an, dann versprach Klitschko seinen Fans den 50. Knock-out-Sieg seiner Kar­riere. Und hielt gegen einen wie maßgeschneiderten Gegner problemlos Wort (siehe nächste Seite: Schwere Jungs, leichte Gegner). Reiner Zufall? Egal: Mehr als zwölf Millionen RTL-Zuschauer konnten ihren Helden feiern.