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Alfonso Cuaron im Interview zu "Gravity"

"Keinen blassen Schimmer"

Zwischen technischer Herausforderung und Naivität: Im Interview zum Lost-in-Space-Thriller "Gravity" (ab 3.10.2013 im Kino) erzählt Regisseur Alfonso Cuarón von den Schwierigkeiten, im All zu drehen.

TV SPIELFILM Es heißt, Sie träumten schon immer davon, Astronaut zu werden. Wie nahe kommt dieser Film der Erfüllung Ihres Traumes?

ALFONSO CUARÓN
Näher geht's fast nicht. Es stimmt, als Kind wollte ich Astronaut werden. Meine andere Leidenschaft war aber schon immer der Film. Als mir klar wurde, dass das mit den Astronauten nicht wirklich eine Option war, sagte ich mir: Na, dann werde ich eben Regisseur und drehe Filme im All. (lacht)

Hat aber dann doch ein bisschen gedauert.

ALFONSO CUARÓN
Ja, ich hatte das schon ganz vergessen, bis ich vor ein paar Wochen Danny Boyle am Flughafen traf. Er meinte: "Du drehst 'Gravity'? Ich hatte meinen Weltraumfilm ("Sunshine", 2007), das hat mir gereicht." Aber wissen Sie, wovon ich jetzt träume?

Nein, wovon?

ALFONSO CUARÓN
Tatsächlich ins All zu fliegen. Wenn dies hier einer der Typen liest, die diese neuen Weltraumexpedi­tionen sponsern: Ich wäre überglücklich, dabei zu sein. Aber ich würde nie mehr einen Film drehen, der im Weltall spielt.
War's so schlimm?

ALFONSO CUARÓN
Vielleicht waren wir ein bisschen naiv. Beim Schreiben des Drehbuchs ging's immer nur um die Story und diese zwei Charaktere. Als es dann aber an die Drehvorbereitung ging, wurde mir irgendwann klar, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, wie ich das eigentlich drehen sollte.

Und wie ging's dann doch?

ALFONSO CUARÓN
Wir haben alles Mögliche ausprobiert. Zum Glück hatten wir nicht nur unseren Kameramann, sondern auch Spezialeffektexperten wie Tim Weber, der schon den Hippogreif in "Harry Potter und der Gefangene von Askaban" zum Leben erweckte. Außerdem Puppenspieler des "War Horse"-Theaterstücks. Im End­effekt war es eine Kombination aus Robotern, Computeranimation, Performance Capture und Drahtseilen.
Konnte Ihnen die Arbeit am "Potter"-Film hier helfen?

ALFONSO CUARÓN
Sehr. "Harry Potter" war für mich so eine Art Kindergarten der visuellen Effekte. Dem Film habe ich zu verdanken, dass diese Technik inzwischen selbstverständlich für mich ist. Das Wichtigste ist, dass ich sie jetzt verstehe. Vorher hat es mich eher eingeschüchtert, mit Effekten zu arbeiten.

Spricht das vielleicht auch Ihren "inneren Geek" (dt.: Spinner) an?

ALFONSO CUARÓN
Schon. Jeder Regisseur, der behauptet, kein Geek zu sein, lügt. Das gehört sozusagen zur Jobbeschreibung. Wenn man sich für die Technologie interessiert, alle möglichen und unmöglichen Daten der Filmgeschichte kennt sowie Nebendarsteller aus obskuren Filmen von 1947, dann ist man eben ein Geek. Heute nennt man das Cinea­st. Ist aber dasselbe.
Warum haben Sie nicht gleich in 3D gedreht?

ALFONSO CUARÓN
Das machte keinen Sinn. Durch die Kameratechnik, die wir benutzen wollten, war das auch praktisch unmöglich. An manchen Sets hatten wir kaum genug Platz für eine Kamera, für 3D braucht man aber zwei.

Haben Sie nicht auch "Avatar"-Macher James
Cameron dazu konsultiert?

ALFONSO CUARÓN
Ja. Ich hab ihn erst letzte Woche gesehen, und er meinte, dies sei das perfekte Beispiel dafür, wie man einen Film konvertiert.

Was macht Sie am meisten zufrieden?

ALFONSO CUARÓN
Dass es uns gelungen ist, dem Zuschauer im selben Moment den Atem stocken zu lassen, in dem auch die Protagonisten immer mehr Atemluft verlieren. Liebend gern würde ich das Publikum verkabeln und seinen Puls fühlen, während auch Sandras Blutdruck auf der Leinwand ansteigt.

Welches Genre könnte Sie noch reizen?

ALFONSO CUARÓN
Horror, ganz ehrlich. Aber ich würde keinen Slasherfilm drehen, eher so etwas wie "Rosemaries Baby" oder "Shining". 

Interview: Scott Orlin