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TV-Kritik

Der Schnee gibt's, der Schnee nimmt's

Verschüttet werden nicht nur Dörfer und Menschen sondern auch das Drama.

DIE JAHRHUNDERTLAWINE (Sonntag, 20.15, RTL)
Eine unterkühlte Lovestory, jede Menge Kunstschnee und ein paar knackige Spezialeffekte aus dem Rechner - so sieht die aufwändige, aber seltsam leblose RTL-Version der Schneekatastrophe von Galtür aus.
Schade, dass RTL nicht ebenso viel Mühe aufs Drehbuch dieses Eventfilms wie auf die Produktion der Kunstschnee-Massen und CGI-Schneebretter investiert hat. "Die Jahrhundertlawine" liefert beeindruckende Bilder von eisigen Gipfeln und Gletschern, von krachenden Lawinen, die zu Tal donnern und ein ganzes Tiroler Alpendorf begraben. Der Film erschafft die perfekte weiße Hölle - das wäre ein gruselig-schönes Szenario für einen richtig packenden Katastrophenschocker gewesen. Aber Katastrophen wecken unser Interesse, weil sie Menschen passieren, und die besseren Katastrophenfilme handeln von Menschen, mit denen wir mitleiden können. Von unscheinbaren Typen, die im Angesicht der aussichtslosen Lage über sich hinauswachsen und zu Helden werden. Zu echten Sympathieträgern eben.
Kein Spur davon im Schneegestöber der "Jahrhundertlawine". Stattdessen mutet uns der Film eine ausgetretene Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonisten und jede Menge leblose Nebenfiguren zu. Schema F statt schweißtreibender Spannung. Désirée Nosbusch als verhärmte alleinerziehende Mutter schließt ihren vor Jahren abgetauchten Lover wieder ins Herz, nachdem der - natürlich ist der reuig Zurückgekehrte Arzt - ihr gemeinsames Kind per Not-OP rettet. Es gibt den profitgierigen Bürgermeister, der alle Warnungen in den Wind schlägt, den edlen Bergretter, der das Verderben hat kommen sehen und sich selbstlos opfert, und herrje, den Dorfpfarrer, der zwischendurch den Glauben verliert. Es wird pausenlos gelitten, gejammert und gestorben unter der Jahrhundertlawine, aber diese Tragödie berührt nicht. Die offensichtlich mit dem Schneepflug bearbeitete Dramaturgie sorgt zuverlässig dafür, dass alle Ecken und Kanten beseitigt werden und reißt dafür etliche logische Löcher in die dünne Handlung. Diese Katastrophe lässt einen kalt, es mangelt an menschlicher Wärme, die mitfiebern lässt. Der Schnee gibts, und der Schnee nimmts, faselt Eva Habermann als naives Blondchen vom Dienst beim ersten Brüllen des Berges. Ganz so einfach verhält es sich nun doch nicht.

Thomas Meins