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TV-Kritik

Bibeltreu und lustig

pocher

Oliver Pochers Soloprogramm war spaßig und vollkommen unkorrekt

OLIVER POCHER - GEFÄHRLICHES HALBWISSEN (RTL, FREITAG, 22.15 UHR)
Bislang habe ich Oliver Pocher als das unwitzige Anhängsel von Harald Schmidt empfunden und war höchst erfreut, als es hieß, dass Pocher und Schmidt wieder getrennte Wege gehen werden. Seit dem gestrigen Abend weiß ich, dass diese Trennung für beide Seiten höchst vorteilhaft sein wird. Schmidt kann wieder grandiose Erwachsenenunterhaltung bieten, während sich Oliver Pocher bei den Halbwüchsigen abarbeiten kann.

Das tat der recht kleinwüchsige SUV-Fahrer im ersten Teil seines neuen Solo-Programms "Gefährliches Halbwissen" auf furiose und vollkommen politisch unkorrekte Art und Weise. Natürlich begab sich Pocher gleich zu Beginn seiner Show wieder ins Publikum und generierte seine Running Gags aus den Gesprächen mit einem arbeitslosen, wortkargen Maler, der gerne Animateur wäre, oder einem Metroangestellten, der gerade krankgeschrieben ist, weil ihm eine Palette von 1,5 Tonnen in den Nacken fiel. Keinen noch so schlechten Witz auslassen auf Kosten von Leuten, die sich nicht wehren können: So kennen wir Oliver Pocher.

Urkomisch wurde es, als er die szenetypischen Verhaltensformen von männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund persiflierte, um es mal in Politisch-Krass-Korrekt auszudrücken. Den Beweis dafür, dass auch die Zielgruppe drüber lachen kann, bot dann Hip-Hop-Rüpel Bushido, der bei der Fernsehaufzeichnung mit Pocher um die Wette rappte und ihn mit szenetypischen Accessoires ausstaffierte.

Pocher scheint in der Zusammenarbeit mit Harald Schmidt und dessen Team etwas gelernt zu haben. Alle Gags wirkten frisch und Pocher erblödete sich nicht, Mediencomedy wie Mittermeier zu betreiben oder in den Barthschen Geschlechterkrieg zu ziehen. Statt dessen zog er in seiner Show Mario Barth hemmungslos durch den Kakao.

Super - und nur ohne den Nürtinger Ministranten Schmidt möglich - waren Pochers Betrachtungen zu religiösen Inhalten. Er stellt berechtigte Fragen: Wie ist es denn wirklich, wenn man sich gerade frisch in die Luft gesprengt hat und sich plötzlich mit 70 Jungfrauen herumschlagen muss. Was machten die beiden Töchter mit Lot, nachdem seine Frau zur Salzsäure erstarrt war? So etwas ist derbe, unanständig und gerade deshalb lustig. Und wer in seiner Jugend von einer Religionsgemeinschaft wie den "Zeugen Jehovas" gegängelt wurde, der darf sich auf diese Art rächen.

Kai Rehländer