Gleich zu Beginn muss ich ein Geständnis ablegen. Und auch wenn ich lange darüber nachgedacht habe, wie ich es am elegantesten formulieren soll, kann ich es nur so ausdrücken: Carl ging mir immer auf den Sack. Von klein auf war der Hutträger für mich nur unwichtiges - und vor allem nerviges - Beiwerk. Dumme Entscheidungen pflasterten seinen Weg und statt mit ihm mitzufiebern und dem Jungen alles Gute zu wünschen, ertappte ich mich regelmäßig dabei, wie ich ihm den Hut am liebsten vom Kopf gerissen und dem Bengel endlich einen ordentlichen Haarschnitt verpasst hätte. Im Verlauf der achten Staffel änderte sich allerdings meine Meinung. Carl gehörte in dem unübersichtlichen und blutigen Kriegsszenario zu den wenigen, die auch über die Zukunft der Gemeinschaft nachgedacht haben und im Gegensatz zu Papa Rick auch neue Menschen in die Gruppe aufnehmen wollte. Und auch kurz vor seinem Ende (nebenbei bemerkt: Carl sah nie besser aus als kurz vor seinem Tod) versucht er, seinen Vater vom Morden abzuhalten und ihn auf den richtigen Weg zu führen.

Glücklicherweise haben die Macher der Serie keine unglaubwürdige Rettung des Teenagers inszeniert. Carl wurde nicht von einem Menschen gebissen und es gibt auch kein plötzliches Gegenmittel, dass ihn vor der Verwandlung in einen Beißer bewahren kann. Sein Tod ist unumgänglich und gerade das ist es, was die Serie momentan am meisten braucht - eine glaubwürdige Story, die nicht davor zurückschreckt, sich ohne übertriebene Effekthascherei à la Glenn von Figuren zu verabschieden. Beeindruckend ist für mich vor allem, wie ruhig Carl seinen Tod akzeptiert und die ihm verbleibende Zeit nutzt, um Abschiedsbriefe zu schreiben und sich mit seiner kleinen Schwester Judith zu beschäftigen. Zum ersten Mal seit sieben langen Staffeln entwickle ich wirklich Sympathie für Carl und so muss auch ich mit glasigen Augen zusehen, wie Rick und Michonne Abschied von ihm nehmen.

Das steckt hinter Old Man Rick

Währenddessen befindet sich Morgan immer noch im Killermodus und metzelt alles nieder, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Glücklicherweise ist die Rettung vom Floskeln schwingenden König Ezekiel nur ein kleiner Exkurs in einer ansonsten sehr runden Folge des Abschieds.

Die größte Überraschung ist für mich die Auflösung um die Figur des alten Ricks. Die Vision eines blühenden Alexandrias und einer friedlich zusammenlebenden Gemeinschaft stammt nämlich von Carl und soll verdeutlichen, dass der Krieg endlich ein Ende haben muss und Rick wieder zu seinem gutmütigen Ich zurückfinden soll. Dennoch ist ein kleiner Moment der Vision wirklich zum Fürchten. Die kleine Judith wandert durch die Gärten und begrüßt jemanden. Nein, nicht etwa Eugene oder Jerry, sondern Baseballfan Negan. Dieser eine Moment führt einem die harte Realität vor Augen, in der Alexandria von Negan zerstört und ein Großteil seiner Bewohner von ihm getötet wurde. Eine Zukunft, in der der skrupellose Killer seinen grünen Daumen entdeckt und vergnügt mit den Kindern Alexandrias spielt, kann unmöglich wahr werden. Dennoch wird klar, dass es genau das ist, was der sterbende Carl sich für seine Familie wünscht - ein Leben in Frieden. Wir können nichts anderes tun als abzuwarten, ob und wann dieser Frieden einkehren wird. Da die Macher der Zombie-Serie sich noch viele Staffeln vorstellen können, ist allerdings davon auszugehen, dass es noch lange dauern wird, bis das geschieht und Rick dann vermutlich einen deutlich längeren Bart haben wird.