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Talk mit Bill Murray und Melissa McCarthy

Wenn Menschen zu Berserkern werden

Bill Murray und Melissa McCarthy, die Stars der Kinokomödie "St. Vincent" (ab 8.1.2015), im Doppelinterview über Nachbarn - und Jobs für Vierjährige

Bill Murray hat keinen Agenten. Wer ihn erreichen will, hinterlässt eine Nachricht bei einem anonymen Mailboxdienst, mit etwas Glück meldet er sich. Theodore Melfi hatte Glück. Er konnte sein Regiedebüt "St. Vincent" dem exzentrischen Star schmackhaft machen. Und Murray ist großartig als kauziger Sonderling, der sich als Babysitter anheuern lässt, als nebenan eine alleinerziehende Mutter mit Sohn einzieht. "Brautalarm"-Star Melissa McCarthy spielt diese Mutter, und sie tut das zum Glück so un-MelissaMcCarthyig, dass es wirklich anrührt.
Man könnte das Internet vollschreiben mit Geschichten über Bill Murray (siehe: billmurray story.com) oder man fragt ihn und seinen Costar einfach selbst:

TV SPIELFILM Mr. Murray, für Ihren Regisseur war es gar nicht so einfach, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Wie ist es, würden Sie mir Ihre Telefonummer geben?

Bill MURRAY
(grinsend) Wollen wir nicht erst zusammen einen Drink nehmen und uns besser kennenlernen, okay? (lacht)

Sie sind vermutlich auch nicht so der Technikfreak, oder?

BILL MURRAY
Sagen Sie das nicht, inzwischen habe ich sogar ein iPad! Damit kann ich dieses "Clash of Clans"-Spiel spielen, an dem mein Sohn immer rumdaddelt. (lacht) Sonst mach ich kaum was damit, ich hab vielleicht gerade mal ein oder zwei Songs darauf. Aber ich musste mir ein Handy zulegen, damit ich meinen älteren Söhnen Textnachrichten schicken kann. Auf Anrufe reagieren sie nicht, auf SMS schon. So ist das heute, wenn man Kinder hat, sie antworten zwar, aber man erreicht sie doch nicht. (seufzt) Na ja, Handys mag ich nicht wirklich, und das Internet wird mir ein ewiges Rätsel bleiben.
Sie haben beide Kinder. Kennen Sie die Probleme wie im Film?

MELISSA MCCARTHY
Klar. Ich habe zwei Mädchen und einen Ehemann, der mich sehr unterstützt, und trotzdem kennt wohl jeder diesen Stress, wie man das alles unter einen Hut kriegen soll: Vollzeitjobs und dennoch zuhause gute Eltern sein.

Genau das Problem hat ja auch Maggie, die Sie im Film spielen.

MELISSA MCCARTHY
Ja, sie hat keine Wahl, deshalb muss sie die für ihren Sohn negative Entscheidung treffen, ihren Job zu behalten, um die Familie zu ernähren. Und ich finde es toll, das Ted Melfi sie nicht als Bösewicht zeichnet, das ist echt gelungen.

Wie war das in Ihrer Kindheit, wer hat auf Sie aufgepasst?

MELISSA MCCARTHY
Ich bin immer zu den Nachbarn gegangen, wenn meine Mutter gearbeitet hat, was sie die meiste Zeit meiner Kindheit getan hat.
BILL MURRAY Ich kenne es eher umgekehrt: Ich bin das fünfte von neun Kindern, also war ich ab meinem vierten Lebensjahr als Babysitter im Einsatz. Na ja, vielleicht ab dem sechsten. Ich war jedenfalls sehr oft Babysitter, wenn auch unbezahlt.

Und wie sind Sie so als Nachbar?

BILL MURRAY
Ich habe mich sehr bewusst entschlossen, mich niemals zu beschweren, egal, was meine Nachbarn so anstellen. Und glauben Sie mir, ich hätte genug Gründe gehabt, aber bei so etwas kann man erleben, wie ganz normale, friedfertige Menschen zu Berserkern werden, ausflippen, die Polizei rufen oder vor Gericht ziehen. Also habe ich einfach beschlossen, so etwas überhaupt nicht mehr an mich heranzulassen, und das ist ein verdammt gutes Gefühl.

Im Film ernennt Maggies Sohn Oliver seinen Nachbar Vincent zum "Alltagsheiligen". Wen
würden Sie nominieren?

MELISSA MCCARTHY
Meine Mutter, definitiv. Ich versuche verzweifelt jeden Tag, wenigstens eine viertel so gute Mutter zu sein wie sie, und ich weiß, dass mir das nicht gelingt, weil sie unendlich geduldig ist. Ich versuche das zwar auch, aber manchmal gibt es einfach keine Möglichkeit, die Diskussion mit einer Vierjährigen zu gewinnen. Dann denke ich ab und zu, es ist jetzt an der Zeit, dass sie sich endlich einen Job suchen... (lacht)
Foto: Columbia Pictures, Anno 1984: Bill Murray (M.) als Dr. Peter Venkman, mit Dan Aykroyd (r.) als Dr. Raymond Stantz und Harold Ramis als Dr. Egon Spengler in "Ghostbusters - Die Geisterjäger"
Mr. Murray, Sie spielen seit mehr als dreißig Jahren in Kinofilmen. Woran erkennen Sie, ob ein Drehbuch das richtige ist?

BILL MURRAY
Woran kann ich nicht sagen, aber ich weiß das sofort, meist nach fünf Seiten, manchmal zehn. Vielleicht ein, zweimal habe ich daneben gelegen.

Nach "Ghostbusters" scheint Sie Blockbusterkino gar nicht mehr interessiert zu haben, oder?

BILL MURRAY
Es gibt da keinen Plan, ich mache nur das, was mir gefällt. Vielleicht könnte ich mich in einen dieser "Terminator"-Filme reindrängen, was weiß ich, für lau oder so. (lacht) Aber auch dieser Film könnte ein Blockbuster werden, wer weiß?

Scott Orlin