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Brüno

Ein weißer Mann in Overall und Schutzhelm geht in einer Hinterhofgasse auf eine Gruppe Farbiger zu. Er stellt sich genau in die Mitte der Männer, wartet einen Moment, bis er ihre volle Aufmerksamkeit hat, und brüllt mit aller Kraft: "Nigger!" Dann rennt er weg.

Er geht dahin, wo's wehtut - und oft darüber hinaus

Die Szene aus der mittlerweile über 30 Jahre alten Kultkomödie "Kentucky Fried Movie" um "Gefahrensucher Rex Kramer" würde problemlos in die Filme des Sacha Baron Cohen passen. Dessen Auftritte als Ali G, Borat oder jetzt Brüno funktionieren nach demselben Prinzip - nur dass Baron Cohen selten wegläuft. Er geht dahin, wo's wehtut - und oft darüber hinaus.

Das zeigte er mit seiner bislang erfolgreichsten Kunstfigur, dem kasachischen Reporter Borat Sagdiyev, einem homophoben, sexistischen Schnauzbartträger mit schlecht sitzendem Sakko
und antisemitischen Sprüchen. Im Kinofilm "Borat", der 2006 weltweit über 260 Millionen Dollar einspielte, singt derselbe vor ultrapatriotischen Amerikanern einen verunglimpfenden Text auf die US-Hymne und fragt einen Autoverkäufer, welchen Schaden sein Wagen nimmt, wenn er in eine Gruppe Zigeuner kracht.

Klugen Leuten dämliche Fragen stellen Sacha Baron Cohen, der sich fast nie "privat" zeigt, provoziert bis zur Schmerzgrenze, das Unglaubliche ist aber oft die Reaktion seiner Gesprächspartner und die Tatsache, dass sie so problemlos mitmachen. Ob in seinen Verkleidungen als Homeboy Ali G, Borat oder Brüno, die alle seiner TV-Serie "Da Ali G Show" entsprungen sind, Baron Cohen lässt die Entlarvten glauben, sie seien cleverer, überlegen.

Chirurgische Eingriffe als letzte Maßnahme

Im aktuellen "Brüno"-Kinofilm fragt er für eine Fotoproduktion die Mütter von Babys, ob ihre Kinder auch mit lebenden Bienen, Wespen oder Hornissen zurechtkämen. Allgemeine Zustimmung. Die Mutter eines Teenagermodels hat keine Einwände, ihre Tochter 10 Pfund in einer Woche abnehmen zu lassen, auch nicht gegen chirurgische Eingriffe als letzte Maßnahme - Hauptsache, ihre Tochter hat den Job.

In einem seltenen Auftritt als er selbst beschrieb Sacha Baron Cohen dem US-Talker David Letterman anhand von Ali G sein Prinzip: "Er interviewt die klügsten Köpfe und stellt ihnen die dämlichsten Fragen." Der Titelheld seines neuen Kinofilms, der homosexuelle österreichische Modejournalist Brüno, ließ im Rahmen der TV-Show schon mal namhafte Designer die Modesünden Prominenter bewerten, nach Kategorien "Darf im Getto bleiben" (positiv) oder "Muss den Zug nach Auschwitz nehmen" (negativ).

Mit dem Hintern in Eminems Gesicht

Brüno ist tatsächlich Baron Cohens älteste Kreation, entwickelt für das britische Kabel-TV, wo sich der in eine jüdische Mittelschichtsfamilie geborene Komiker nach seinem Geschichtsstudium in Cambridge ausprobieren konnte. Der "Brüno"-Kinofilm entstand in üblicher Guerilla-Manier: auftauchen, Chaos veranstalten, filmen, abhauen.

Als Brüno mischte er so etwa die Modewoche in Mailand auf. Grandios auch sein Auftritt bei den MTV Movie Awards, als er sich, nur mit Engelsflügeln und Suspensorium bekleidet, kopfüber von der Decke abseilen ließ und mit dem Hintern voran im Gesicht des Rappers Eminem landete. Die Aktion wurde allerdings kurz darauf als einstudierter Publicitystunt entlarvt. Auch Eminems Wut war nur gespielt.

Wie lange die Masche noch zieht, muss sich zeigen. Ali G und Borat hat der 37-Jährige, der eine fast zwei Jahre alte Tochter mit der australischen Schauspielerin Isla Fisher hat und in England und L. A. lebt, mittlerweile begraben - zu groß die Gefahr der Verwechslung.

V. Bleeck