(TV-Kritik, 6.12.2011) Die besten melodramatischen Filme waren immer ein Versuch, den Zustand der Gesellschaft im Privaten zu spiegeln. Niemand wusste das besser als Rainer Werner Fassbinder, der 1971 ein flammendes Plädoyer für die Wiederentdeckung von Douglas Sirk hielt, dem Hollywood-Exilanten und gefeierten Rührstückregisseur von Filmen wie "Was der Himmel erlaubt" (1955).
Auch in "Liebesjahre" geraten die Verhältnisse in den Blick, die Abhängigkeiten, in denen sich die Figuren bewegen. Wie sehr die symbolische Ordnung auf das Private durchschlägt, wird deutlich, wenn Vera (Iris Berben) und Uli (Peter Simonischek) zehn Jahre nach ihrer Scheidung noch einmal die Gründe für die Trennung rekapitulieren. Da ist die Lebenslüge des Mannes, der gern ein großer Architekt wäre und Trost vor der bitteren Wahrheit, dass ihm dafür das Talent fehlt, in den Armen diverser Frauen sucht. Und da ist die Frau, die gern eine wichtige Rolle auf der Bühne und im Leben spielen würde und die als Souffleuse buchstäblich im Dunkel verschwindet.
Schließlich sind da noch die neuen Lebenspartner der beiden, großartig gespielt von Nina Kunzendorf und Axel Milberg, die erst bei dieser Begegnung begreifen, auf was sie sich bei ihren neuen Beziehungen eingelassen haben.
Anders als der Actionfilm kennt das Melodram keine Hauptfigur, die mutig den gordischen Knoten der Fesseln durchschlägt, die den Figuren die Befreiung aus ihrer Lage erlaubte. Die Welt ist, auch für die Figuren in "Liebesjahre", ein Labyrinth, durch das man sich allenfalls vorsichtig vorantastet, ohne die Gewissheit, einen Ausweg zu finden.
Das ist genau das Gegenteil der Pilcher-Verfilmungen, die schnurstracks auf ein Finale in Rosarot zulaufen. Es ist eher eine Haltung, die sich mehr und mehr auch in den klassischen Handlungsfeldern des öffentlichen Raums ausbreitet, wo sonst männliche Helden in Politik, Recht und Wirtschaft Entscheidungen treffen und die Welt retten.
Dort trifft man heute nur noch auf gescheiterte Casanovas wie den einstigen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, dessen Leben jetzt von Abel Ferrara ("Bad Lieutenant") mit Gerard Depardieu verfilmt wird, und ratlose Regierungshäupter von Merkel bis Sarkozy, die auch nicht wissen, wie es weitergehen soll.
Das Melodram ist das Genre, das die Unsicherheit unserer Zeit am besten einzufangen und abzubilden vermag. Keine andere filmische Form ist so sensibel für Desillusionierung und für den Umgang mit Schuld und Verlust. Die Feldherrenperspektive der Macher und Macker ist ihr ebenso fremd wie der "Brei des Herzens" (Hegel), der alles in Gefühl und Kitsch auflöst.
Wir brauchen einen neuen Douglas Sirk.
Rainer Unruh
Auch in "Liebesjahre" geraten die Verhältnisse in den Blick, die Abhängigkeiten, in denen sich die Figuren bewegen. Wie sehr die symbolische Ordnung auf das Private durchschlägt, wird deutlich, wenn Vera (Iris Berben) und Uli (Peter Simonischek) zehn Jahre nach ihrer Scheidung noch einmal die Gründe für die Trennung rekapitulieren. Da ist die Lebenslüge des Mannes, der gern ein großer Architekt wäre und Trost vor der bitteren Wahrheit, dass ihm dafür das Talent fehlt, in den Armen diverser Frauen sucht. Und da ist die Frau, die gern eine wichtige Rolle auf der Bühne und im Leben spielen würde und die als Souffleuse buchstäblich im Dunkel verschwindet.
Schließlich sind da noch die neuen Lebenspartner der beiden, großartig gespielt von Nina Kunzendorf und Axel Milberg, die erst bei dieser Begegnung begreifen, auf was sie sich bei ihren neuen Beziehungen eingelassen haben.
Anders als der Actionfilm kennt das Melodram keine Hauptfigur, die mutig den gordischen Knoten der Fesseln durchschlägt, die den Figuren die Befreiung aus ihrer Lage erlaubte. Die Welt ist, auch für die Figuren in "Liebesjahre", ein Labyrinth, durch das man sich allenfalls vorsichtig vorantastet, ohne die Gewissheit, einen Ausweg zu finden.
Das ist genau das Gegenteil der Pilcher-Verfilmungen, die schnurstracks auf ein Finale in Rosarot zulaufen. Es ist eher eine Haltung, die sich mehr und mehr auch in den klassischen Handlungsfeldern des öffentlichen Raums ausbreitet, wo sonst männliche Helden in Politik, Recht und Wirtschaft Entscheidungen treffen und die Welt retten.
Dort trifft man heute nur noch auf gescheiterte Casanovas wie den einstigen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, dessen Leben jetzt von Abel Ferrara ("Bad Lieutenant") mit Gerard Depardieu verfilmt wird, und ratlose Regierungshäupter von Merkel bis Sarkozy, die auch nicht wissen, wie es weitergehen soll.
Das Melodram ist das Genre, das die Unsicherheit unserer Zeit am besten einzufangen und abzubilden vermag. Keine andere filmische Form ist so sensibel für Desillusionierung und für den Umgang mit Schuld und Verlust. Die Feldherrenperspektive der Macher und Macker ist ihr ebenso fremd wie der "Brei des Herzens" (Hegel), der alles in Gefühl und Kitsch auflöst.
Wir brauchen einen neuen Douglas Sirk.
Rainer Unruh