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"V-Mann-Land" und "Der Nationalsozialistische Untergrund"

Ein heißes Eisen: V-Leute und der NSU

Informanten oder Brandstifter? Zwei TV-Dokus (MO, 20.4.) zeigen, wie V-Leute die Neonaziszene maßgeblich mitaufgebaut haben - bis hin zum NSU?

Schon mehr als zwei Jahre dauert der wohl wichtigste deutsche Strafprozess seit der Wiedervereinigung: Seit dem 6. Mai 2013 wird vor dem Münchner Oberlandesgericht gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte verhandelt. Wann der Vorsitzende Richter Manfred Götzl und sein Senat ihr Urteil sprechen werden, weiß niemand. Ebenso, ob die Suche nach der Wahrheit überhaupt Erkenntnisse hervorbringen wird, denn: Viele Zeugen schweigen - und das aus einem ganz besonderen Grund.

Was wusste der Staat vom braunen Terror?, fragte Rainer Fromm im Januar in seiner aufsehenerregenden ZDF-Doku Der Nationalsozialistische Untergrund (wird am 22. April um 21 Uhr auf Phoenix wiederholt). Die Antwort: erschreckend viel, weil man hier sieht, wie engmaschig der NSU auch während seiner Mordtaten mit Informanten der Nachrichtendienste umrahmt war.

Der ARD-Film "V-Mann-Land" legt jetzt den Fokus ganz auf die Protagonisten des geheimdienstlichen Informantensystems. Was sind das für Menschen, die im Umfeld rechtsradikaler Kameradschaften zum Teil schwere Straftaten bis hin zum Mordversuch begangen haben, ohne dafür strafrechtlich verfolgt zu werden, sondern für ihre "Arbeit" vom Verfassungsschutz viel Geld kassierten?
Auf der Suche nach einer Antwort taucht das Autorenpaar Katja und Clemens Riha tief ein in das Schattenreich der Republik, trifft sich mit Verfassungsschützern und ehemaligen Spitzeln, recherchiert Abläufe einer perfiden An­werbepraxis und Entlohnung für Verrat. "Allein die Kontaktaufnahme war recht abenteuerlich, da V-Leute oft nur unter ihrem Tarnnamen bekannt sind", sagt Clemens Riha, den es immer wieder verwundert hat, welche tragende Rolle die Kontaktpersonen in der Neonaziszene gespielt haben und dass, trotz aller Skandale, bis heute kaum Konsequenzen gezogen wurden.

"Überrascht waren wir aber vom Mut ehemaliger V-Männer, sich kritisch und ohne Interviewerlaubnis des Geheimdienstes vor der Kamera zu ihrer Geschichte zu äußern", so der Filmer. Nachdem ein vermeintlicher V-Mann unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist, geht bei vielen anderen die Angst um - vor Racheakten der Rechtsextremen sowie auch sinistrer Geheimdienstkreise.

Zum Ende des Films stellt einer der ehemaligen Informanten die entscheidende Frage: "Wo stünde die deutsche Neonaziszene heute ohne den Einsatz von V-Leuten und dem Geld des Geheimdienstes, das durch sie in die Bewegung geflossen ist?" Die Rihas gehen dem Thema weiter nach, wenn sie sich in ihrem nächsten Film mit den offenen Fragen des NSU-Prozesses auseinandersetzen.

Heiko Schulze

V-Mann-Land
MO 20.4. Das Erste 22.45 Uhr