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TV-Dreiteiler Ku'damm 56

Rebellion aus der Jukebox

In den 50ern war Gleichberechtigung ein Fremdwort und Jugendkultur neu. Das ZDF erzählt an drei Tagen vom Erwachen der Emanzipation - in einem Berliner Tanzlokal!

Vom Renovieren hält man im "Diener Tattersall" nicht viel. An den abgewetzten Tischen der Charlotten­burger Kneipe hat man sich schon über Politik ereifert, als der Kanzler noch Adenauer hieß. Und damit ist das Lokal der ideale Drehort für "Ku'damm 56", ei­nen ZDF-­Dreiteiler, der die Aufbruchsstimmung der 50er-­Jahre thematisiert. Heute, am Drehtag 52 (von 71), wird hier Rock 'n' Roll getanzt. Im Schankraum ste­hen sich 40 Komparsen gegen­seitig auf den Füßen, allesamt mit Pomadenschöpfen und Pfer­deschwänzen.

"Unsere Choreo­grafin hat lange recherchiert, wie damals wirklich getanzt wurde", erklärt Marc Lepetit, Producer des 7,5 Millionen Euro teuren Projekts. "Mit dem heutigen Turnier­-Rock-'n'­-Roll hatte das nicht viel gemein."

In der Geschichte von Annette Hess ("Weissensee") versucht die Inhaberin einer Tanzschule, für ihre drei Töchter wirtschaftlich vorteilhafte Ehen anzubahnen. Persönliches Glück spielt keine Rolle. Die unattraktive Monika (Sonja Gerhardt mit Brille) wi­dersetzt sich dem Regime immer mehr, befreit sich mit Bassist Freddy und dem Rock 'n' Roll aus Zwängen und Konventionen.

"Blue Suede Shoes" dröhnt aus den Boxen im "Diener", das im Film "Mutter Brause" heißt. Die Kamera läuft, die Musik wirkt, die Tänzer fassen sich an und wirbeln durch den Raum.
Schon dieser Anblick macht deutlich, wie anders die 50er­ Jahre wirklich gewesen sein müssen. Wie physisch und direkt "soziale Netzwerke" damals wa­ren. Wie viel Aufmerksamkeit ein Song erfahren haben muss, der mit eigener Taste in einer Jukebox wie der in der Ecke des Mutter Brause kostenpflichtig ausgelöst wurde. Verglichen mit dem endlosen Tönestream aus einem Computerlautsprecher.
Der Dreiteiler "Ku'damm 56"
"Ich spüre das Rebellische in der Musik auch heute noch", sagt Freddy­-Darsteller Trystan Pütter schwer atmend in einer Dreh­pause. "Man braucht den Text nicht zu verstehen, um das Ge­fühl der Zeit, dieses Aufbruchs und des Stemmens gegen die Konventionen zu fühlen." Pütter legt sich eine Zigarette in der Hand zurecht und wirft sie sich in den Mundwinkel. Beim drit­ten Mal klappt es tatsächlich. Pütter verzieht keine Miene. Und führt damit dieses vergessene Coolness­-Ritual perfekt zu Ende.

"One for the money..." Es geht wieder los. Sonja Gerhardt und Trystan Pütter tanzen. Sie sind zwar gerade gar nicht im Bild, müssen aber atemlos in die Szene kommen. Und wollen üben, um beim großen Tanzfinale den eige­nen hohen Ansprüchen zu genügen. Gerhardt stand schon als Kind auf dem Parkett - im En­semble des Friedrichstadt­-Palasts. Den "Todessprung" wird trotzdem ein Double übernehmen.

Am Tresen stellt sich Sabin Tambrea ("Nackt unter Wölfen") in Position. Er spielt den reichen Joachim, der im Film für den intellektuellen Background sorgt, bei Tisch Camus liest und in den USA den Rückspiegel des Unfall­ Porsche seines Idols James Dean käuflich erwirbt.
Ein neuer sozialer Typ machte sich in der Gesellschaft bemerk­bar: der Jugendliche. Seine Idole waren "halbstarke" Posterboys wie Dean oder Marlon Brando, die ihre Forderungen so selbst­ bewusst und provokant vertraten, dass die Erwachsenenwelt wirklich Angst bekam und allzu Aufmüpfige reihenweise in Er­ziehungsheime steckte.

"Es ist heute wahnsinnig schwer zu rebellieren", sagt Trys­tan Pütter. "Wir leben in einer vermeintlich liberalen Welt. Man kann scheinbar alles machen, was man will." Und fügt hinzu: "Dabei ist das Gesicht des Gegners nur nicht so präsent wie da­mals. Im Nachkriegsdeutschland saßen überall Nazis in führen­den Positionen. Man wusste ge­nau, was man abstreifen oder absprengen wollte, der Feind war zu spüren."

"Go Cat Go" - auch wenn Juke­boxen heute als Hingucker in den Chefetagen multinationaler Konzerne stehen mögen - die subversive Kraft des Rock 'n' Roll mindert das nicht.