Das Essen ist zu kalt, zu warm, schmeckt nicht - manchen Männern ist kein Anlass zu nichtig, um ihre Frauen krankenhausreif zu schlagen. 2009 gab es allein in Berlin 16285 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt. Unweit höher ist aber laut Experten die Anzahl der Übergriffe, die der Polizei gar nicht gemeldet werden. Denn meist geht der ersten Anzeige ein jahrelanges Erdulden von Gewalt voraus. Warum nur ertragen und vertuschen Frauen solche Misshandlungen?
Ein Vortrag des Berliner Pfarrers und Gewaltexperten Martin Dubberke gab Drehbuchautor Johannes Rotter Antworten und brachte ihn auf die Idee, die Ursachen und die Komplexität solcher brutalen familiären Systeme darzustellen. Ein ungeahnt interessanter Stoff - wie das Ergebnis, der Film "Kehrtwende", beweist.
"Die meisten Gewalttäter sind in früher Kindheit selbst Opfer oder Zeuge von Gewalt geworden, etwa zwischen den Eltern", erklärt Dubberke. Im Folgenden würden diese Menschen alles tun, um das damals erlebte Gefühl der Machtlosigkeit nicht noch einmal empfinden zu müssen. Gleichzeitig hätten sie von ihren Eltern nicht vermittelt bekommen, wie man einen Konflikt gewaltfrei löst. "Die manipulieren ihr Gegenüber so, dass sie nicht in die Situation kommen, Ohnmacht zu verspüren."
Können sie sich nicht mehr aus dem Konflikt herausziehen, wird zugeschlagen. Diese Mechanismen erklärt Dubberke in Kursen des Berliner Zentrums für Gewaltprävention (bzfg.de). Zu ihm kommen Männer, die ihr Verhalten ändern und damit ihre Familie retten wollen, aber auch Gewalttäter, die vom Gericht zur Teilnahme gezwungen wurden.
Präzise erklärt "Kehrtwende" zugleich die für Außenstehende schwer nachvollziehbare Rolle des Opfers - und seinen Anteil an der Situation. Nach den Schlägen wird Viola vom zerknirschten Ehemann (Dietmar Bär) mit Geschenken überhäuft - und zu der Einsicht gebracht, dass sie die Eskalation mit ihrer "chaotischen Art" auch provoziert habe. Sohn Sven, der ebenfalls geschlagen wird, fühlt sich zu Recht von der Mutter verraten.
"Hätte sie alles richtig gemacht, hätte ich sie auch nicht bestrafen müssen - das nennt man Schuldverschiebung", sagt Dubberke. "Deshalb bleiben Frauen auch 20 Jahre oder mehr in solchen Beziehungen. Bis sie das Prinzip verstehen - und dann gehen."
Regisseur Dror Zahavi ("Zivilcourage") ist ein Fernsehspiel gelungen, das aufrüttelt, sensibilisiert - und vielleicht auch hilft. Dubberke freut sich jedenfalls über den Film, macht er doch publik, dass es Hilfsangebote für Täter und Opfer gibt. Immer wieder kämen Männer nach Ausstrahlung eines entsprechenden Films oder Magazinbeitrags in seine Kurse.
Frank Aures
Ein Vortrag des Berliner Pfarrers und Gewaltexperten Martin Dubberke gab Drehbuchautor Johannes Rotter Antworten und brachte ihn auf die Idee, die Ursachen und die Komplexität solcher brutalen familiären Systeme darzustellen. Ein ungeahnt interessanter Stoff - wie das Ergebnis, der Film "Kehrtwende", beweist.
"Die meisten Gewalttäter sind in früher Kindheit selbst Opfer oder Zeuge von Gewalt geworden, etwa zwischen den Eltern", erklärt Dubberke. Im Folgenden würden diese Menschen alles tun, um das damals erlebte Gefühl der Machtlosigkeit nicht noch einmal empfinden zu müssen. Gleichzeitig hätten sie von ihren Eltern nicht vermittelt bekommen, wie man einen Konflikt gewaltfrei löst. "Die manipulieren ihr Gegenüber so, dass sie nicht in die Situation kommen, Ohnmacht zu verspüren."
Können sie sich nicht mehr aus dem Konflikt herausziehen, wird zugeschlagen. Diese Mechanismen erklärt Dubberke in Kursen des Berliner Zentrums für Gewaltprävention (bzfg.de). Zu ihm kommen Männer, die ihr Verhalten ändern und damit ihre Familie retten wollen, aber auch Gewalttäter, die vom Gericht zur Teilnahme gezwungen wurden.
Präzise erklärt "Kehrtwende" zugleich die für Außenstehende schwer nachvollziehbare Rolle des Opfers - und seinen Anteil an der Situation. Nach den Schlägen wird Viola vom zerknirschten Ehemann (Dietmar Bär) mit Geschenken überhäuft - und zu der Einsicht gebracht, dass sie die Eskalation mit ihrer "chaotischen Art" auch provoziert habe. Sohn Sven, der ebenfalls geschlagen wird, fühlt sich zu Recht von der Mutter verraten.
"Hätte sie alles richtig gemacht, hätte ich sie auch nicht bestrafen müssen - das nennt man Schuldverschiebung", sagt Dubberke. "Deshalb bleiben Frauen auch 20 Jahre oder mehr in solchen Beziehungen. Bis sie das Prinzip verstehen - und dann gehen."
Regisseur Dror Zahavi ("Zivilcourage") ist ein Fernsehspiel gelungen, das aufrüttelt, sensibilisiert - und vielleicht auch hilft. Dubberke freut sich jedenfalls über den Film, macht er doch publik, dass es Hilfsangebote für Täter und Opfer gibt. Immer wieder kämen Männer nach Ausstrahlung eines entsprechenden Films oder Magazinbeitrags in seine Kurse.
Frank Aures