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Tatort: Willkommen in Hamburg

Til Schweigers erster Tatort ist Action pur

Mit Til Schweiger als "Tatort"-Cop hält das Actionkino Einzug am Sonntagabend. Ballern gehört zum Handwerk (SO, 10.3.)

Die Staatsanwältin kocht vor Zorn. Der Neue ist gerade erst in Hamburg angekommen und hat sich schon über sämtliche Dienstvorschriften hinweggesetzt. Gleich bei seinem ersten routinemäßigen Einsatz in den trostlosen Betonsilos der City Nord hat er drei Mitglieder eines berüchtigten Zuhälterclans erschossen, mit dem die Hamburger Polizei gerade mühsam eine Art Kiezfrieden geschlossen hatte. "Es war Notwehr", sagt der Kommissar bockig. "Gleich drei Mal?", fragt die entgeisterte Staatsanwältin und weiß - mit diesem Neuzugang hat sich das LKA Hamburg mächtigen Ärger eingehandelt.

Schon in den ersten zehn Minuten wird im "Tatort: Willkommen in Hamburg" mehr geballert, geblutet und gestorben, als es die TV-Zuschauer der Reihe sonst gewöhnt sind. Das Feuergefecht, das sich Polizist und Mafiosi im Treppenhaus liefern, ist ohren-betäubend, die Dialoge sind notgedrungen knapp, und ein paar Slapstickeinlagen mit einem
entrüsteten Rollstuhlfahrer gibt es obendrauf.

"Genau so wollten wir das haben", sagt Til Schweiger, der mit dem "Tatort" erstmals seit 1996 dauerhaft in eine deutsche TV-Reihe zurückkehrt. Damals war er nach der zweiten Staffel aus der Serie "Die Kommissarin" mit Hannelore Elsner in der Titelrolle ausgestiegen, um seinen ersten Leinwanderfolg "Knockin' on Heaven's Door" zu produzieren.

Der Rest ist Geschichte. Mit "Keinohrhasen", "Zweiohrküken" und "Kokowääh" holte er knapp fünfzehn Millionen Zuschauer ins Kino. Auch die Fortsetzung "Kokowääh 2" (läuft seit 7.2.) ist auf Erfolgskurs. Schweiger kennt die Zutaten, die es braucht, um ein zahlendes Publikum zu unterhalten. Popcornkino nennen es abfällig die Feuilletonisten.

Der Popcorn-"Tatort"

Doch genau das war's, was Christian Granderath, der als Redakteur alle drei NDR-"Tatorte" verantwortet, an der Zusammenarbeit gereizt hat. "Als Til signalisierte, dass er Lust darauf hätte, nach Hamburg zu kommen, war schnell klar, dass wir einen Popcorn-‚Tatort‘ machen wollen."
Schweiger, der bei seinen Filmen immer auch am Drehbuch mitarbeitet, hat sich für seinen Einstand als Hauptkommissar Nick Tschiller eine actionreiche Story erbeten, rasante Verfolgungsjagden inklusive, und mit Christian Alvart einen Regisseur gefunden, der ein hohes Tempo gehen kann. Dritter im Bunde ist Schweigers Wunschpartner Fahri Yardim ("Almanya"), von dem er sagt: "Fahri ist 'ne Bombe, als Schauspieler und als Kollege."

Der waschechte Hamburger Jung soll als Yalcin Gümer den bedächtigen Gegenpart zum heißspornigen Tschiller geben. In der ersten Folge (es geht um Zwangsprostitution und Freier aus der Hamburger Society) wird Gümer angeschossen. Während Tschiller die Verbrecher jagt und dabei stur übers Ziel hinausschießt, ermittelt Gümer vom Krankenbett aus. Juxt Schweiger: "Ich habe im Vertrag stehen, dass Fahri immer im Krankenhaus liegt."

Das ungleiche Ermittlerteam hat ein internationales Vorbild: "Ich fand immer toll, wenn sich Mel Gibson und Danny Glover in 'Lethal Weapon' unter Druck die Sprüche um die Ohren hauen", sagt Regisseur Alvart, "da wollte ich mit den beiden hin."

Dass Gibson und Glover für ihren letzten Einsatz "Lethal Weapon 4 - Zwei Profis räumen auf" ein Budget von 140 Millionen Dollar zur Verfügung hatten, Alvart dagegen nur rund zwei Millionen Euro - er quittiert's mit einem Schulterzucken.
Immerhin hat ihm der NDR 24 Drehtage gegönnt, normalerweise wird ein "Tatort" in 21 Tagen ab-gedreht. Aber an diesem Set war eben alles ein bisschen größer als sonst, der NDR spendierte Schweiger sogar einen hünenhaften Bodyguard namens Henrik, hinter dessen breiten Schultern der Star völlig verschwand.

Das Erstaunlichste am ersten Schweiger-"Tatort" sind aber nicht die wilden Schießereien, die Stunts oder die Explosion, die das Penthouse eines Nobelhotels in die Luft jagt, sondern die Dialoge, die Autor Christoph Darnstädt geschrieben hat. Die sind im besten Sinne undeutsch: lebendig, auf den Punkt gebracht und durchsetzt mit knochentrockenem Humor, der nicht selten auf Schweigers Kosten geht. Wenn etwa Nick Tschiller sich vorstellen muss und die Dame am Empfang nachfragt: "Schiller wie Goethe?", gibt der zur Antwort: "Nee, Tschiller. Ich nuschle ein bisschen."

Der Schwanzvergleich

In einer anderen Szene ist Wotan Wilke Möhring zu sehen, der am 28. April als Thorsten Falke im "Tatort: Feuerteufel" ebenfalls sein Debüt als Hamburger TV-Kommissar geben wird. Kaum war Möhrings Verpflichtung verkündet, tönte die Boulevardpresse: Wer ist cooler? Wer ist beliebter? Wer wird der bessere "Tatort"-Kommissar? Ein gefundenes Fressen für Regisseur Alvart: "Mir kam das vor wie ein medialer Schwanzvergleich. Ich fand es lustig, das in einer Szene aufzugreifen."

Möhring und Schweiger, beide mit dem Talent zur Selbstironie ausgestattet, entwickelten die Szene selbst, beim privaten Abendessen in Berlin. Nur so viel sei vorab verraten: Sie nahmen Alvarts Assoziation dabei ziemlich wörtlich.
INTERVIEW Fahri Yardim
Sie sind alte Bekannte. Til Schweiger hat Fahri Yardim schon in vielen seiner Filme in kleineren Rollen besetzt. Jetzt ist der Hamburger Schweigers Partner im "Tatort". Dass er noch mehr kann, zeigt er am 11.3. als Sanitäter in "Geisterfahrer" (ZDF) und bald im Kino in "Der Medicus".

Wer ist der "Tatort"-Kommissar Ihrer Kindheit?

FAHRI YARDIM
Schimmi.

Der polarisierte damals fast so stark wie Til Schweiger heute. Haben Sie keine Angst, in seinem Schatten zu stehen?

FAHRI YARDIM
Ich bin 1,81 Meter groß, da müsste die Sonne aber schon sehr tief stehen.

Es war Til Schweigers Wunsch, dass Sie seinen Partner spielen.

FAHRI YARDIM
Dafür bin ich ihm echt dankbar. Ich kenne überhaupt niemanden, der so großzügig ist und sich so sehr über die gute Leistung anderer freuen kann wie Til.

Tschiller und Gümer sind wie Feuer und Wasser.

FAHRI YARDIM
Ungezügelte Energie trifft Hamburger Gemütlichkeit.

Susanne Sturm