"TATORTREINIGER" IM TV
Was macht man, wenn man eine tolle neue Serie mit dem Star einer Kultcomedy hat? Richtig, man sagt's keinem und versteckt sie tief in der Nacht. Jedenfalls verfuhr der NDR so mit der schrägen Comedyserie "Der Tatortreiniger" von "Stromberg"-Regisseur Arne Feldhusen mit Bjarne "Ernie" Mädel in der Titelrolle. Die erste von vier Folgen lief am 23. Dezember 2011 um 3.20 Uhr im Dritten, dann noch mal am 4. Januar um 22.30 Uhr.

Das führte zu viel Aufregung in sozialen Netzwerken und unter TV-Kritikern. "Selten ist ein Sender so lieblos mit einem bestellten Produkt umgegangen", schrieb die "Süddeutsche Zeitung". Dann gab's den Adolf-Grimme-Preis und die Nominierung für den Bayerischen Fernsehpreis für Mädel als Tatortreiniger Schotty. Und jetzt läuft eine Folge sogar im Ersten, noch vor 22 Uhr. Grund genug für ein Gespräch darüber, was vorher schiefging, bis nachher alles gut wurde:

TV SPIELFILM Wie habt ihr erfahren, dass Eure Serie um drei Uhr morgens läuft?

ARNE FELDHUSEN
Offiziell gar nicht. Es hieß nur, es könne sein, dass man sie aus Budget- oder Buchhaltungsgründen noch in 2011 programmieren müsse.

BJARNE MÄDEL Davon, dass man die Folgen kurz vor Weihnachten schon mal "versendet", hatte ich tatsächlich mal gehört. Aber normalerweise fällt das ja keinem groß auf.
Fiel dann aber doch auf.

BJARNE MÄDEL
Ja, dass es dann so eine Riesenwelle in der Presse gab, war nicht beabsichtigt, sicher nicht vom NDR. Für uns war es im Endeffekt perfekte Werbung, aber bestimmt nicht so geplant.

ARNE FELDHUSEN Dass man dann erstmal nur zwei Folgen ausgestrahlt hat, fand ich dann aber... schade; so kann man nicht testen, ob eine Serie funktioniert.
Die Realität ist am Ende oft ernüchternd, vor allem, wenn man daran denkt, was wir um dieses Format anfangs noch für Ideen z.B. bezüglich Sendeplatz hatten...

Und zwar?

ARNE FELDHUSEN
Dass Schotty nach dem "Tatort" um 21.45 Uhr tatsächlich an den Tatort des eben gelaufenen Krimis kommt. Der Mordfall ist gelöst und Schotty kann endlich sauber machen.
Wie fing's denn überhaupt an? Der NDR wollte mit Bjarne eine lustige Serie machen...

BJARNE MÄDEL
Der NDR suchte für die Serie "Das Wartezimmer" einen Nachfolger für Marlene Jaschke. Ich habe mich sehr gefreut, aber gesagt, ich kann das nur machen, wenn das Drehbuch meinen Humor trifft...

ARNE FELDHUSEN Dieses Buch kam aber nie.

Und dann habt ihr einen Gegenvorschlag gemacht?

BJARNE MÄDEL
Ja. Ich wollte ich gern wieder mit Florian Lukas spielen, wir hatten ja, zusammen mit Arne, "Der kleine Mann" gemacht. Wir haben überlegt, wie es wäre, wenn wir als Gebäudereiniger durch's Leben ziehen. Das hab ich Arne erzählt, und der meinte, nein, viel interessanter...

ARNE FELDHUSEN als Tatortreiniger.

BJARNE MÄDEL Unsere Autorin Mizzi Meyer konnte damit auch sofort etwas anfangen.

FELDHUSEN Das haben wir unserer Redakteurin Stephanie Bogon vorgeschlagen, die dafür offen war und irgendwann hat der NDR zugesagt. Das war mutig, denn die hatten etwas ganz anderes im Sinn. Sie wollten eigentlich etwas, das sie kannten, für das Publikum von "Neues aus Büttenwarder".
Das war nicht eure Welt.

ARNE FELDHUSEN
Nein. Es war aber ungewöhnlich, dass sie sich überhaupt so schnell auf eine andere Idee eingelassen haben. Aber je höher es in den NDR-Etagen ging, desto größer wurde die Sorge um den Geschmack des Stammpublikums. Wochenlang haben wir uns über "Na, du kleine Drecksau" gestritten... Das ist einer der ersten Sätze in der ersten Folge.

BJARNE MÄDEL Der sollte raus.

ARNE FELDHUSEN Der war auch raus! Merkwürdigerweise haben wir dann durch den Zeitstress beim Dreh die gewünschte Alternative irgendwie vergessen...

Jetzt läuft die erste Folge im Ersten und sogar vor 22 Uhr.

ARNE FELDHUSEN
Der Sendeplatz ist super, aber leider zeigen sie dann doch nur eine Folge.

BJARNE MÄDEL Und wir wissen auch nicht, ob die anderen noch kommen. Die ARD wartet wahrscheinlich erstmal ab, wie's läuft. Ich nenn' das Angsthasenfußball und finde es etwas haltungslos. Oder die ARD plant uns jetzt immer an Feiertagen ein und hat uns das nur noch nicht verraten.

tellyvisions/NDR

Alle vier Folgen von "Der Tatortreiniger" sind auf DVD erhältlich

War die Ausstrahlung im Ersten von Anfang an geplant?

ARNE FELDHUSEN
Von uns? (beide lachen) Da überschätzt du unsere Position. Ab dem Moment der Abnahme gibt es keinen Einfluss mehr. Ich kann nur meine Wünsche äußern, was ich beim Grimme-Preis auch getan habe, wo wir die Gelegenheit hatten, mit den Verantwortlichen zu sprechen.

BJARNE MÄDEL Man muss aber auch sagen, dass sich vor allem unsere Redakteurinnen echt für uns aus dem Fenster gelehnt haben. Wir sind dem NDR sehr dankbar, dass wir unser kleines "dreckiges" Format machen konnten und weitermachen dürfen.

Wie geht's denn jetzt weiter?

ARNE FELDHUSEN
Der NDR hat sechs neue Folgen in Auftrag gegeben. Und langsam nähern sich die Produktionsbedingungen der Normalität an.

BJARNE MÄDEL Am Anfang hatten wir zwei Drehtage pro Folge, jetzt sind es immerhin vier...

ARNE FELDHUSEN Und das ist kein Luxus, damit sind wir immer noch unter günstigen "Stromberg"-Bedingungen. Mir war von Anfang an wichtig, dass wir bei Erfolg bessere Voraussetzungen bekommen, damit die Sender dann und bei vergleichbaren Projekten nicht sagen können: Wieso? So funktioniert es doch auch!

War der Titel eigentlich eure Idee?

ARNE FELDHUSEN
Nein. Unser Titelwunsch war "Der letzte Dreck".
BJARNE MÄDEL Das allein hätte ja auch schon viel Aufsehen erregt: Der letzte Dreck im NDR.

Interview: Volker Bleeck

Der Tatortreiniger: Ganz normale Jobs
DO, 17.5., ARD, 21.45 Uhr

BJARNE MÄDEL, geboren 1968, besser bekannt als Loser Ernie aus "Stromberg" oder Polizist Dietmar in der ARD-Krimiserie "Mord mit Aussicht". Ausbildung an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf.

ARNE FELDHUSEN, Jahrgang 1971, inszenierte TV-Serien wie "Stromberg" und "Ladykracher", dreht zwischendrin immer wieder Werbung und demnächst den "Stromberg"-Kinofilm.