Nazi-Schergen und KZ-Häftlinge nach Kriegsende friedlich unter einem Dach vereint, betreut von einer ungarischen Gräfin als Hausdame - man könnte meinen, das habe sich ein Drehbuchautor mit blühender Fantasie ausgedacht. Doch diese Situation hat es tatsächlich gegeben.
Die amerikanische Besatzungsmacht hatte zwischen 1945 und 1948 Zeugen für die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse in einer Villa in der Novalisstraße 24 einquartiert und dabei keinen Unterschied zwischen Opfern und Tätern gemacht. Beim Abendessen betrieb Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann Konversation mit einem französischen KZ-Häftling, während ein SS-Mann eine Verwechslung beklagte und ein Stockwerk höher der unter Hausarrest stehende Gestapo-Gründer Rudolf Diels der früheren Privatsekretärin von Hermann Göring schöne Augen machte, damit sie für ihn einen Brief an den Wachen vorbeischmuggele - so jedenfalls rekonstruiert das ZDF die Gespräche und Aktionen, die damals nicht protokolliert wurden.
Die amerikanische Besatzungsmacht hatte zwischen 1945 und 1948 Zeugen für die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse in einer Villa in der Novalisstraße 24 einquartiert und dabei keinen Unterschied zwischen Opfern und Tätern gemacht. Beim Abendessen betrieb Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann Konversation mit einem französischen KZ-Häftling, während ein SS-Mann eine Verwechslung beklagte und ein Stockwerk höher der unter Hausarrest stehende Gestapo-Gründer Rudolf Diels der früheren Privatsekretärin von Hermann Göring schöne Augen machte, damit sie für ihn einen Brief an den Wachen vorbeischmuggele - so jedenfalls rekonstruiert das ZDF die Gespräche und Aktionen, die damals nicht protokolliert wurden.
Die Journalistin Christiane Kohl hatte schon 1996 über das "Gefängnis für Gentlemen" berichtet, neun Jahre später erschien ihr Buch "Das Zeugenhaus". Das filmische Potenzial der Story erregte das Interesse des Produzenten Oliver Berben, der sich aber auch darüber im Klaren war, wie schwer es sein würde, die vielen Menschen und Ereignisse in einem Film zu bündeln.
Regisseur Matti Geschonneck winkte erst einmal ab, als der Produzent ihm vor vier Jahren das Projekt vorschlug, weil er das Buch für unverfilmbar hielt. Dabei ging ihm das Thema durchaus nahe. Sein Vater Erwin Geschonneck ist nicht nur einer der Hauptdarsteller in dem Oscar-nominierten KZ-Drama "Jakob der Lügner", sondern war selbst in Dachau interniert, wo er 1943 unter den Augen der SS in einer kaum verhüllten Satire Hitler verkörperte.
Regisseur Matti Geschonneck winkte erst einmal ab, als der Produzent ihm vor vier Jahren das Projekt vorschlug, weil er das Buch für unverfilmbar hielt. Dabei ging ihm das Thema durchaus nahe. Sein Vater Erwin Geschonneck ist nicht nur einer der Hauptdarsteller in dem Oscar-nominierten KZ-Drama "Jakob der Lügner", sondern war selbst in Dachau interniert, wo er 1943 unter den Augen der SS in einer kaum verhüllten Satire Hitler verkörperte.
Ein Grund mehr für Berben, nicht lockerzulassen. Er holte "Tatort"-Autor Magnus Vattrodt an Bord, der kräftig aufräumte: Von den rund 300 Personen, die zu unterschiedlichen Zeiten im Zeugenhaus gelebt hatten, fanden nur 14 Eingang in sein Drehbuch: "Ich habe meine Aufgabe darin gesehen, die Geschichte zu verdichten." Selbst prominente Gäste, die im Buch erwähnt werden, schafften es nicht in den Film. Zum Beispiel der als Kriegsverbrecher wegen Mitwirkung an der Deportation französischer Juden verurteilte Diplomat Ernst von Weizsäcker, der Vater
des Ex-Bundespräsidenten.
Das Drehbuch geht, wie der Autor freimütig einräumt, locker mit der historischen Wirklichkeit um. Es kommt im Film zu Begegnungen zwischen Personen, die im realen Zeugenhaus nie aufeinandertrafen, und es finden Dialoge statt, die es nicht gegeben hat. Besonders auffällig ist die dichterische Freiheit bei der Figur der Hausdame. Die echte Ingeborg Gräfin Kálnoky war 36 Jahre alt, als die Amerikaner sie 1945 engagierten. Eine schöne Frau mit feinen Gesichtszügen und blonder Haarpracht. Im Film trägt die Gastgeberin schwarze Haare, einen anderen Namen und ist morphiumabhängig. Gespielt wird sie von der fast 30 Jahre älteren Iris Berben. Autorin Christiane Kohl stört das nicht. Sie findet den Typ gut getroffen und respektiert, dass ein Film anderen Gesetzen gehorcht als ein Buch. Eine Einschätzung, die auch Produzent Oliver Berben, Sohn der fiktional runderneuerten Filmgräfin, naturgemäß teilt.
"Das Zeugenhaus" ist ein Film ohne Kulissenzauber. Die Handlung findet fast ausschließlich in einer Villa statt. Regisseur Geschonneck hatte sich vor dem Dreh die beiden Häuser in Nürnberg angeschaut, in denen die Alliierten die Opfer und Täter untergebracht hatten. Sie waren aber nicht groß genug, um neben den Darstellern auch noch die Filmcrew und ihre Ausrüstung aufzunehmen. Stattdessen wurde in Berlin gedreht. Geschonneck konnte sich dort ganz auf das Spiel der Darsteller konzentrieren und griff entsprechend häufig ein. Einigen war das beinahe zu viel des Guten. Als der US-Schauspieler Jeff Burrell, der in die Rolle eines Geistlichen schlüpft, bekannte, er fühle sich durch die Regieanweisungen extrem gefordert, entgegnete Iris Berben: "Und deswegen arbeiten wir alle so gern mit Matti."
Tobias Moretti braucht man nicht zu Höchstleistungen anzuspornen. 2013 erhielt der 55-Jährige den Bayerischen Filmpreis für den Alpenwestern "Das finstere Tal". Und auch im "Zeugenhaus" zeigt er erneut große Klasse. Er spielt die schillerndste Figur des ganzen Films, den heute nur noch Experten bekannten Rudolf Diels (1900-1957). Der Lebemann und Frauenheld gehörte zur Machtelite des Dritten Reiches, war erster Chef der Gestapo und zeitweise mit einer Verwandten von Heinrich Göring verheiratet. Als Zögling des Reichsmarschalls geriet Diels ins Visier der SS, die ihn wiederholt verhaftete. Das war riskant, aber kein Widerstand.
So wie Moretti den Hasardeur spielt, breitschultrig und selbstbewusst, ahnt man aber, dass er auch in Nürnberg seinen Kopf aus der Schlinge ziehen wird. Die Bösen sind im Film die interessanteren Figuren. Menschen wie Heinrich Hoffmann, von Udo Samel glänzend gespielter Hitler-Fotograf, der 1945 schon wieder obenauf ist, einen schwunghafen Handel mit Aufnahmen des "Führers" und Aktzeichnungen betreibt und in seinem Zimmer Schnaps hortet.
Man wundert sich, dass die KZ-Opfer den Nazi-Schwadroneuren nicht in die Parade fuhren. Aber die Geretteten waren mit der Frage beschäftigt, warum Millionen in den Lagern sterben mussten und sie überleben durften. Die Wunden, die sie erlitten haben, auch das zeigt dieser Film, schmerzten 1945 noch zu sehr.
Rainer Unruh
Das Zeugenhaus
MO 24.11. ZDF 20.15 Uhr
des Ex-Bundespräsidenten.
Das Drehbuch geht, wie der Autor freimütig einräumt, locker mit der historischen Wirklichkeit um. Es kommt im Film zu Begegnungen zwischen Personen, die im realen Zeugenhaus nie aufeinandertrafen, und es finden Dialoge statt, die es nicht gegeben hat. Besonders auffällig ist die dichterische Freiheit bei der Figur der Hausdame. Die echte Ingeborg Gräfin Kálnoky war 36 Jahre alt, als die Amerikaner sie 1945 engagierten. Eine schöne Frau mit feinen Gesichtszügen und blonder Haarpracht. Im Film trägt die Gastgeberin schwarze Haare, einen anderen Namen und ist morphiumabhängig. Gespielt wird sie von der fast 30 Jahre älteren Iris Berben. Autorin Christiane Kohl stört das nicht. Sie findet den Typ gut getroffen und respektiert, dass ein Film anderen Gesetzen gehorcht als ein Buch. Eine Einschätzung, die auch Produzent Oliver Berben, Sohn der fiktional runderneuerten Filmgräfin, naturgemäß teilt.
"Das Zeugenhaus" ist ein Film ohne Kulissenzauber. Die Handlung findet fast ausschließlich in einer Villa statt. Regisseur Geschonneck hatte sich vor dem Dreh die beiden Häuser in Nürnberg angeschaut, in denen die Alliierten die Opfer und Täter untergebracht hatten. Sie waren aber nicht groß genug, um neben den Darstellern auch noch die Filmcrew und ihre Ausrüstung aufzunehmen. Stattdessen wurde in Berlin gedreht. Geschonneck konnte sich dort ganz auf das Spiel der Darsteller konzentrieren und griff entsprechend häufig ein. Einigen war das beinahe zu viel des Guten. Als der US-Schauspieler Jeff Burrell, der in die Rolle eines Geistlichen schlüpft, bekannte, er fühle sich durch die Regieanweisungen extrem gefordert, entgegnete Iris Berben: "Und deswegen arbeiten wir alle so gern mit Matti."
Tobias Moretti braucht man nicht zu Höchstleistungen anzuspornen. 2013 erhielt der 55-Jährige den Bayerischen Filmpreis für den Alpenwestern "Das finstere Tal". Und auch im "Zeugenhaus" zeigt er erneut große Klasse. Er spielt die schillerndste Figur des ganzen Films, den heute nur noch Experten bekannten Rudolf Diels (1900-1957). Der Lebemann und Frauenheld gehörte zur Machtelite des Dritten Reiches, war erster Chef der Gestapo und zeitweise mit einer Verwandten von Heinrich Göring verheiratet. Als Zögling des Reichsmarschalls geriet Diels ins Visier der SS, die ihn wiederholt verhaftete. Das war riskant, aber kein Widerstand.
So wie Moretti den Hasardeur spielt, breitschultrig und selbstbewusst, ahnt man aber, dass er auch in Nürnberg seinen Kopf aus der Schlinge ziehen wird. Die Bösen sind im Film die interessanteren Figuren. Menschen wie Heinrich Hoffmann, von Udo Samel glänzend gespielter Hitler-Fotograf, der 1945 schon wieder obenauf ist, einen schwunghafen Handel mit Aufnahmen des "Führers" und Aktzeichnungen betreibt und in seinem Zimmer Schnaps hortet.
Man wundert sich, dass die KZ-Opfer den Nazi-Schwadroneuren nicht in die Parade fuhren. Aber die Geretteten waren mit der Frage beschäftigt, warum Millionen in den Lagern sterben mussten und sie überleben durften. Die Wunden, die sie erlitten haben, auch das zeigt dieser Film, schmerzten 1945 noch zu sehr.
Rainer Unruh
Das Zeugenhaus
MO 24.11. ZDF 20.15 Uhr