Tatort: Kalter Engel
SO 3.11. Erstes 20.15 Uhr
Keine Sendung lieben die Deutschen so sehr wie den sonntäglichen "Tatort". Werden neue Ermittler ins Rennen geschickt, sind die Erwartungen groß. Für das am 3.11. eröffnende Erfurt-Revier gilt das besonders, denn der produzierende MDR kündigte dafür "das jüngste ‚Tatort‘-Team aller Zeiten" an. Was das wohl für die Krimihandlung bedeutet? Egal, jüngstes Team klingt gut, das regt die Fantasie an. Einige Zeitungen schrieben gleich von einem "blutjungen" Team mit "Kommissaren aus dem Kindergarten".

Kurzer Realitycheck: Friedrich Mücke ist 32, Benjamin Kramme 31, Alina Levshin 29. Zum Vergleich: München-Ermittler Udo Wachtveitl war bei Dienstantritt 32, Felix Klare (Stuttgart-"Tatort") war 29, Aylin Tezel (Dortmund-"Tatort") und Ulrike Folkerts sogar erst 28 Jahre alt.
Degradierte Schauspielstars
Jüngstes Team...? Geschenkt, mit Alina Levshin ("Kriegerin") und Friedrich Mücke ("Friendship!") sind auf jeden Fall Schauspieler dabei, die extrem gut sind - wichtiger als extrem jung.
Genützt hat das aber leider nichts. Der erste Fall "Kalter Engel" ist eine Enttäuschung, ein schlampig inszenierter TV-Krimi, der über weite Strecken kaum Vorabendniveau erreicht.
Film- und Fernsehpreisträgerin Alina Levshin wurde zu einer Art Wikipedia-Roboter gestutzt, der sich ausdruckslos zu Jura, aber auch zu Halswirbelproblemen äußern muss. Das dargestellte Studentenmilieu wirkt ausgedacht, Dialogsätze wie "Krass, dass die alle Drogen nehmen, um mit dem Stress klarzukommen" einfach nur anbiedernd. Der Serienmörder ist auch meisterlicher Gebäudekletterer, wohl weil die Extremsportart Parkour so schön jugendlich ist. Warum aber nur ist der flinke Kletterer nach seiner Demaskierung plötzlich so groß und schwer und alt?
Wie kam es eigentlich dazu?
Das Konzept für den Thüringen-"Tatort" wurde öffentlich ausgeschrieben. Laut Sender beteiligte sich "die deutsche Produzentenlandschaft mit über 100 Ideen". Der profane Grund für die Transparenz: "Der MDR sagte, wir sind skandalgeschüttelt, wir machen das jetzt demokratisch, damit nichts geschieht, das uns Kritik einbringen könnte", erklärt Produzent Michael Smeaton, dessen Produktionsfirma ffpnewmedia letztlich den Zuschlag erhielt und laut Homepage immerhin "Unterhaltung auf höchstem Niveau" garantiert - "seit 1980".
Michael Smeaton (61) hat sich mit Dutzenden Rosamunde-Pilcher- und Barbara-Wood-Dramen einen Namen als "Schmonzettenproduzent" (Smeaton) gemacht. Eine unwahrscheinliche Wahl für einen "Tatort".

Sein Konzept einer "Frischzellenkur" habe eben überzeugt, sagt er. Auch wenn er die Befürchtung äußert, dass man dem Film wegen seiner jugendsprachlichen Exotismen wie "alter Falter" oder "krass" ein Wörterbuch beilegen müsste. Ein Scherz. Wahrscheinlich. "Es ist sicherlich ein Ziel, das wir das junge Team weiterführen, auch in der visuellen Umsetzung et cetera pp.", sagt die betreuende Redakteurin Maike Götz zur weiteren Entwicklung. "Aber wir wollen auch die ältere Zuschauerschaft nicht verschrecken."
Der u. a. wegen veruntreuter Gebührengelder in Höhe von 8,2 Millionen Euro krisengebeutelte MDR wollte diesmal einfach alles richtig machen. Und vor lauter Angst, etwas Falsches zu sagen, sagt man lieber nur ganz Unverfängliches. Und statt frischer Talente gibt's hinter den Kulissen Routiniers, die verbindlich abliefern. Schade. Gute Besserung, Thüringen-"Tatort".

Frank Aures