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Matthias Brandt und Anna Maria Sturm sind die Neuen beim "Poilzeiruf 110"

Die Neuen beim "Polizeiruf 110"

Die neuen "Polizeiruf 110"-Ermittler Anna Maria Sturm und Matthias Brandt über ihre Rollen, die Bedeutung von Adelstiteln und Spaß an anspruchsvollen Krimis

Ein erfahrener Charakterdarsteller und ein großes Talent - das sind die neuen Ermittler beim Münchener "Polizeiruf 110". Matthias Brandt kommt als adeliger Preuße Hans von Meuffels in die bayerische Landeshauptstadt, Anna Maria Sturm ist die Pollizistin aus der Provinz, die dem Nordlicht zur Seite steht. "Cassandras Warnung" heißt ihr erster gemeinsamer Fall, Regie führt Thriller-Experte Dominik Graf ("Im Angesicht des Verbrechens")

TV SPIELFILM Wie ist das, wenn man das Angebot bekommt, in der nach dem "Tatort" erfolgreichsten Krimireihe einzusteigen: Löst das Jubel aus?

MATTHIAS BRANDT Das hängt davon ab, was man als Schauspieler vorhat. Ich habe nicht darauf hingearbeitet, eines Tages "Polizeiruf 110"-Ermittler zu werden. Ich habe mich auch nie gefragt, wo der nächste "Tatort"-Posten frei wird. Mich hat die spezifische Münchener Konstellation gereizt, und als Anna Maria dazukam, dachte ich, das ist stimmig, das sollten wir ausprobieren.
Foto: BR/Martina Bogdahn, Anna Maria Sturm und Matthias Brandt
ANNA MARIA STURM Ich habe bei dem Angebot zuerst richtig geschluckt. Ich hatte nämlich ursprünglich etwas anderes vor, mir lag auch das Angebot eines Theaters vor. Aber beim Casting lief alles so glatt, dass ich zugesagt habe. Ich begreife erst jetzt so richtig, was ich mir da aufgeladen habe. (lacht)

TV SPIELFILM Frau Sturm, Sie spielen eine junge Polizistin Mitte zwanzig, die während des ganzen Films nicht einmal im Internet surft. Ist die Frau aus der Zeit gefallen?

STURM Das glaube ich nicht. Es ist eher so, dass das Drehbuch überhaupt keinen Anlass für Anna gibt, sich mit Facebook oder dergleichen zu beschäftigen. Aber ich denke nicht, dass sie eine grundsätzliche Abneigung hat, etwa ein iPhone zu benutzen, weil sie vom Land kommt. Gerade dort sind ganz viele bei Facebook und nutzen eifrig die digitalen Medien.

TV SPIELFILM Herr Brandt, einen adeligen Ermittler sieht man im Fernsehen nicht alle Tage. Was ist dieser Hanns von Meuffels für
ein Mensch?

BRANDT Wenn ich ihn ad hoc charakterisieren könnte, wäre die Person vermutlich ein bisschen zu uninteressant für eine ganze Reihe. Aber natürlich kann ich, da es sich ja um einen Kriminalfilm handelt, ein paar Spuren anführen, die helfen, die Figur besser zu verstehen. Hanns von Meuffels kommt als Preuße nach München, und München ist eine Stadt, die zunächst sehr freundlich daherkommt, in der es aber auch nicht an Situationen fehlt, in denen man sich als Neuankömmling fremd fühlt. Und der Versuch, sich in diesem Milieu zurechtzufinden, bietet eine Menge an dramaturgischem Konfliktpotenzial.

TV SPIELFILM Wie wichtig ist sein Adelstitel?

BRANDT Ich muss gestehen, dass wir während der Entwicklung des Stoffs von der in Deutschland aufkommenden neuen Adelsbegeisterung überrascht wurden. Glücklicherweise hat sich diese Welle inzwischen auch schon wieder gelegt, sodass wir nicht in den Verdacht geraten, einer Mode zu folgen. Das "von" im Namen hilft natürlich, das etwas altmodisch-pflichtbewusste Ethos des Kommissars durch den dezenten Hinweis auf seine Familiengeschichte zu unterstreichen. Er tritt für preußische Tugenden ein, die ich auch als Privatperson schätze.

TV SPIELFILM An welche denken Sie dabei?

BRANDT Man kann das Preußische auf verschiedenen Ebenen betrachten. Da gibt es zum einen das Klischee, das gerade in Bayern sehr verbreitet ist. Ihm zufolge sind die Preußen vor allem rechthaberisch, laut und besserwisserisch. Zum anderen gibt es aber auch, und darauf kommt es mir an, die preußischen Tugenden im Sinne der Aufklärung. Also Geradlinigkeit und Ehrlichkeit, die Übereinstimmung zwischen dem, was jemand sagt, und dem, was er macht.

TV SPIELFILM Wie stehen Kommissar von Meuffels und die Polizistin Anna eigentlich zueinander?

STURM Als ich das Drehbuch gelesen hatte, war ich schon ein klein wenig enttäuscht. Ich hätte mir mehr Begegnungen zwischen uns beiden gewünscht und natürlich auch gern mehr gespielt. Aber beim Dreh fühlte sich dieses Beiläufige unseres Zusammenkommens richtig an. Es wäre ja auch komisch, wenn Anna Hanns anspricht und sagt: "Sie sind der Neue, und ich bin ja auch neu, was machen wir daraus?" In den nächsten Folgen bekommt meine Person auch mehr Gewicht. Die dritte Folge spielt in Annas Heimatdorf, und dort erfährt man mehr über sie und ihre Lebensgeschichte.

BRANDT Wir haben uns ja ganz bewusst dafür entschieden, die Personen und ihre Beziehungen untereinander nicht gleich in der ersten Folge auszuerzählen, sondern die Möglichkeiten einer Reihe zu nutzen und das Ganze über mehrere Folgen zu verteilen. Ich finde das gut. Ich mag es nicht, wenn man gleich zu Anfang einer Reihe mit dem Lebenslauf der Hauptpersonen konfrontiert wird. Das entspricht nicht meiner Wahrnehmung.

TV SPIELFILM Frau Sturm, Sie sind durch Filme aus der bayerischen Provinz bekannt geworden. Jetzt spielen Sie im "Polizeiruf" erneut
eine Frau vom Land. Haben Sie Sorge, Sie könnten auf diese Rolle festgelegt werden?

STURM Ich habe mir das schon überlegt, bevor ich zugesagt habe. Natürlich besteht die Gefahr, dass man mit seinen Rollen identifiziert wird. Aber das Drumherum war bei dem "Polizeiruf" so gut, dass ich gar nicht Nein sagen konnte.

TV SPIELFILM Regisseur Dominik Graf geht mit dem Film weit über einen klassischen Thriller hinaus. Es werden Geschlechterverhältnisse verhandelt, der Israel-Palästina-Konflikt - und es geht um die Frage, ob Geschichten wahr sein können...

STURM Das macht den Film gerade so interessant und lockert ihn auf. Mir hat es extrem gut gefallen, dass der Film sich nicht nur auf den Fall konzentriert, sondern aktuelle Themen aufgreift. Man kommt dadurch auch den Figuren näher.

TV SPIELFILM Haben Sie sich zur Vorbereitung die alten "Polizeiruf 110"-Folgen angesehen?

STURM Ich habe mir einige Folgen mit Selge und May angesehen, und natürlich auch die einzige mit Jörg Hube...

TV SPIELFILM ...der 2009 an Krebs starb.

BRANDT Mir liegt sehr daran, dass das nicht in Vergessenheit gerät. Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, würden wir hier gar nicht sitzen, sondern Jörg Hube und Stefanie Stappenbeck würden ihren fünften oder sechsten "Polizeiruf" vorstellen, und wir würden ihn uns mit Freude nsehen.

Rainer Unruh
Polizeiruf 110: Cassandras Warnung
SO 21.8. ARD 20.15 Uhr