Der Held in Alfred Hitchcocks Klassiker "Fenster zum Hof", ein erfolgreicher Fotograf, sitzt mit Gipsbein nach einem Unfall im Rollstuhl und beobachtet durch sein Teleobjektiv seine Nachbarn im Hof - und löst schließlich einen Mordfall. In der TV-Serie "Add a Friend" liegt der Held nach einem Verkehrsunfall im Krankenhausbett. Auch er ist erfolgreicher Fotograf, doch reichen ihm Notebook und Internetstick, um seine Mitmenschen zu beobachten. Via World Wide Web hält er Kontakt zu seinem besten Kumpel und seinen Eltern. Einen Mordfall löst er zwar nicht, aber im Laufe der ersten von insgesamt zehn Folgen entpuppt sich sein eigener Unfall als Mordversuch.

"Add a Friend" ist die erste Eigenproduktion des Pay-TV-Kanals TNT Serie, inszeniert von Tobi Baumann, ausgewiesener Comedyspezialist für Fernsehen ("Ladykracher", "Pastewka") und Kino ("Der Wixxer", "Vollidiot"). Mit der Idee einer eigenproduzierten Serie kam der zum Medienkonzern Warner Bros. gehörende deutsche Pay-TV-Sender auf die Wiedemann & Berg Television zu, ein Joint Venture des TV-Dickschiffs Endemol ("Wer wird Millionär?") und der Münchener Filmproduzenten Max Wiedemann und
Quirin Berg. Die hatten 2006 einen eindrucksvollen Einstand hingelegt, als ihre erste große Kinoproduktion, "Das Leben der Anderen", jede Menge Preise und schließlich sogar den Oscar als Bester ausländischer Film abräumte. Die schicke Urkunde der Academy of Motion Picture Arts & Sciences hängt heute im Produktionsbüro, den Oscar hat Regisseur Florian Henckel von Donnersmark bei sich in Los Angeles.

TNT Serie/Wiedemann & Berg Television

Banker (und Hallodri) Tom (Friedrich Mücke) hat seinem Kumpel Felix den Computer ins Krankenhaus geschickt, um mit ihm reden zu können

Die Welt ist per PC-Kamera immer dabei

Im Mittelpunkt von "Add a Friend" steht Fotograf Felix (Ken Duken), das heißt eigentlich liegt er, und zwar im Krankenhausbett. Auf dem Fahrrad ist er von einem Auto angefahren worden, hat schwere Beinverletzungen, eine Gehirnerschütterung und einen behandelnden Arzt (Martin Brambach) mit Sinn für Sarkasmus. Der kommentiert die Knie-OP mit den Worten: "So viele Schrauben und Nägel hab ich zuletzt gebraucht, als ich mein Ferienhaus renoviert habe." Dann fasst er ans verletzte Knie und meint nach Felix' Aufschrei erstaunt: "Das sollte jetzt eigentlich nicht weh tun." Sein bester Freund Tom (Friedrich Mücke) schickt Felix einen Laptop ins Krankenhaus, bald landet die Außenwelt per eingebauter PC-Kamera im Krankenzimmer. Das teilt Felix mit Metalfan Norbert, der gern Sprüche wie "Bis baldrian" raushaut. Felix' Eltern (großartig: Gisela Schneeberger und Dietrich Hollinderbäumer) lassen ihren Sohn an ihren Eheproblemen teilhaben. Banker Tom manipuliert Börsenkurse, treibt es mit der Freundin seines noch schmierigeren Chefs (Ralph Herforth) und ist bei seiner Ex mit den Unterhaltszahlungen für den gemeinsamen Sohn im Rückstand. Felix dagegen nimmt nach Jahren wieder Kontakt zu seiner einstigen großen Liebe Julia (Friederike Kempter) auf, außerdem meldet sich die junge Vanessa (Emilia Schüle), die ihn bewundert und selbst Fotografin werden will.

Kein Geld von Apple oder Google

All diese Menschen sind verbunden über das Internet, speziell das soziale Netzwerk Google Plus, die Facebook-Variante des Suchmaschinengiganten. Das muss man wissen - wie soll man sonst darauf kommen, dass ein "Hangout" hier ein Video-Chat ist? Auffällig ist auch das allgegenwärtige Apple-Logo auf beinahe jedem Laptop und Bildschirm. Für Produzent Quirin Berg eher eine Frage der Authentizität: "Für mich trägt es sehr zur Qualität einer Serie bei, wenn die Realität auch real abgebildet wird, das heißt: Es gibt Logos, und dann ist es auch okay, diese zu zeigen."

Im Free-TV wäre das in dieser Form nicht möglich, gibt er zu. Das Pay-TV-Umfeld biete etwas mehr Ruhe, obwohl auch hier auf Quoten geschaut werde. Die Zusammenarbeit mit TNT Serie habe für ihn Pioniercharakter. Über eine zweite Staffel werde nachgedacht. Geld von Apple oder Google sei aber nicht geflossen, betont Berg. Sollte das stimmen, dürften sich die Medienriesen aus Kalifornien über die kostenlose Werbung für ihre Produkte freuen.
Alfred Hitchcock ließ 1954 den Herstellernamen des groß im Bild gezeigten Fotoapparats noch dezent überkleben. Die Zeiten ändern sich.

Volker Bleeck