Nach prominenten Sündern wie Klaus Zumwinkel, Uli Hoeneß, Alice Schwarzer und Berlins Staats­sekretär André Schmitz ist das Thema Steuerhinterziehung ein öffentlicher Aufreger. Und wo eine Schlagzeile ist, ist bekanntlich der Krimi nicht weit.

Im TV-Film Die Fahnderin will jetzt Katja Riemann für Gerechtigkeit sorgen: als Steuerfahnderin Karola Kahane, die einen dicken Fisch an der Angel hat, den sie nicht wieder loslassen will. Kompromisslos, penibel, stur, brünett.

TV SPIELFILM: Man muss schon zweimal hinschauen, um Sie zu erkennen. Welche Rolle spielte die Haarfarbe bei der Veränderung?

KATJA RIEMANN Das ist doch erst mal ganz schön, oder? Die Veränderung geht auf meine Rechnung. Ich hatte lange darüber nachgedacht, welche äußere Hülle ich der im Drehbuch als bieder bezeichneten Frau geben könnte, sodass sie dennoch schillernd ist. Letztlich sind es ja die Kontradiktion und die Komplexität eines Charakters, die interessant sind. So kam ich drauf, dass man aus ihr eher einen - neusprachlich gesagt - Nerd kreieren sollte. Eine Frau, über die man sagt, dass es ihr nichts ausmacht, wenn sie ständig in Auseinandersetzungen geht und unbequem ist. Darum die dunklen Haare, die ins Gesicht fallen, die große Brille dazu. Ein Schutz, damit der Gegenwind nicht so steil hineinbläst. Ich habe versucht, dadurch ihre Verletzlichkeit sichtbar zu machen, indem sie sich optisch versteckt.
Wo lag für Sie die besondere Herausforderung? Wie haben Sie Einblick in die Arbeit von Steuerfahndern gewonnen?

KATJA RIEMANN Unsere beiden Drehbuchautoren waren im engen Kontakt mit dem Autor von "Inside Steuerfahndung", was wir alle gelesen hatten. Er hat die fachliche Seite betreut und die Autoren haben wiederum dieses Wissen mit uns geteilt. Da haben wir dann lange und häufig gesessen...

Vermuten wir richtig, dass sie Rolle für Sie geschrieben wurde, oder sind Sie über ein Casting dazu gekommen?

KATJA RIEMANN Hahahaha... nee, ich musste diesmal nicht vorsprechen, puh. Für mich geschrieben wurde sie aber auch nicht. Mein wunderbarer Regisseur Züli Aladag hat, soweit ich weiß, sich stark dafür ins Zeug gelegt, dass man mir die Rolle anbietet. Und das zu einem Zeitpunkt, da wir uns noch nicht kannten.

Das werde ich ihm niemals vergessen. Und ich möchte noch hinzufügen, dass ich sehr froh darüber bin, dass er und ich uns nun kennen und eine sehr schöne und konstruktive und schöpferische Zeit während der Dreharbeiten hatten und uns beide sicher sind, dass wir zukünftig weiterhin Filme zusammen drehen.

Wie viel Prozent Mitsprache stecken in der Rolle?

KATJA RIEMANN Oha, viel, muss ich zugeben. Aber das hat sich wahrscheinlich schon herumgesprochen, dass das so ist bei mir...

Gab es Skrupel, jetzt auch eine Ermittlerin zu spielen, wo es doch im TV von Kriminalisten nur so wimmelt?

KATJA RIEMANN Da haben Sie aber völlig recht! Es wimmelt, das stimmt. Na klar habe ich das, auch wenn man sagen kann: Na ja, ist ja keine Kommissarin, sondern ein, wie sagt man... Sesselpupser?

Hat es Sie überrascht, dass der Film derartig aktuell ist?

KATJA RIEMANN Ja, krass... Gerade jetzt. André Schmitz und Alice Schwarzer und dann im März der Prozess um Uli Hoeneß, und dann, Ende März, kommen wir ins Fernsehen... Vielleicht schalten ganz viele Leute ein, das wäre doch sehr schön für alle an diesem Projekt Beteiligten.

Hat Sie die Steueraffäre Alice Schwarzer enttäuscht oder verwundert?

KATJA RIEMANN Ehrlich gesagt habe ich mich gewundert, woher sie so viel Geld hat.

Sie engagieren sich seit Jahren für Menschenrechte, gegen Kinderarmut, bei UNICEF und Amnesty International. Ärgert es Sie eigentlich, wenn reiche Geschäftsleute als Gutmenschen hoch geachtet werden, obwohl sie mit ihren zahlreichen Stiftungen vor allem Steuern sparen?

KATJA RIEMANN Es ist doch piepegal, ob jemand das macht, weil er oder sie Steuern sparen will; wenn gespendet wird, kommt Geld an Orte, wo man mit diesem Geld unglaublich viel bewegen kann. Man macht, unter Umständen, wirklich etwas sehr Gutes möglich. Und wenn man dadurch auch etwas Gutes für sich macht - was ist schlecht dran?

Es ist noch nicht lange her, da gehörte ein Schweizer Konto selbst bei leitenden Angestellten zum guten Ton. Das hat sich geändert. Hat sich die Moral verändert, oder ist das dem Verfolgungsdruck geschuldet?

KATJA RIEMANN Ich habe keine Ahnung. Sagen Sie's mir. Es wäre jedenfalls nicht gut, wenn man die Idee der Selbstanzeige fallen ließe. Denn immerhin kommt dadurch das Geld dorthin, wo es schon längst hätte sein sollen. Wenn jedoch prominente Personen nicht in ihrer Anonymität geschützt werden wie jede andere Pappnase auch, dann ist die Idee futschi­kato. Wäre blöd.

Was empfinden Sie, wenn Sie lesen, dass rund 21 000 Milliarden Dollar auf den britischen Jungferninseln und anderen Steueroasen lagern?

KATJA RIEMANN Ich empfinde: ogottogott, ist das viel Geld!!!

Heiko Schulze

Die Fahnderin
MI 26.3. Das Erste 20.15 Uhr