Der letzte Actionheld

Anfangs spielte Jason Statham sich eigentlich
nur selbst. Heute ist er die einzig verbliebene Action-Ikone

Schauspieler wie ihn gibt es viele. Vin Diesel fällt einem sofort ein oder der ehemalige Wrestler Dwayne "The Rock" Johnson. Doch die Bezeichnung Actionheld scheint für sie eher ein Schimpfwort zu sein. Diesel versuchte als "Babynator", mit seinem Image zu brechen, während sich "The Rock" in "Daddy ohne Plan" als Softie präsentierte.

Jason Statham ist anders. Der Engländer hat kein Problem damit, in eine Nische gedrängt zu werden. Er dreht fleißig einen Actionstreifen nach dem anderen und gibt seinen zahlreichen Fans genau das, was sie verlangen. Wo Statham draufsteht, ist auch Statham drin.

Sicher eine altmodische Haltung, aber auch eine mit großer Tradition. In den 80er-Jahren gab es gleich ein halbes Dutzend Schauspieler vom Kaliber eines Statham. Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis erreichten so Weltruhm, Jean-Claude Van Damme und Charles Bronson wurden zu Helden der Videothek, und selbst ein Michael Dudikoff konnte gut von seinem Label als B-Movie-Actionstar leben.

Wenn Jason Statham also sagt: "Mir ist es lieber, die Leute nennen mich einen Actionhelden als ein Arschloch", ist das nicht nur eine unterhaltsame Schlagzeile, son-dern auch erfrischend ehrlich und authen­tisch. Ganz wie sein erster Auftritt als Schauspieler in Guy Ritchies "Bube, Dame, König, grAs".
Dort verkauft er auf den Straßen Londons im Stile eines Marktschreiers Hehlerware. Eine Rolle, die er nicht nur wegen seiner markanten Physiognomie, sondern vor allem wegen seiner Biografie erhielt. Viele Jahre lang verdiente sich Statham genau so seinen Lebensunterhalt. Der Wechsel ins Filmgeschäft - ohne eine einzige Stunde Schauspielunterricht - war ein Sprung ins kalte Wasser. Wie gut, dass sich der 37-Jährige damit bestens auskennt.

Vom Sport- zum Filmstar

Mit 15 Jahren entdeckte Statham seine Leidenschaft fürs Turmspringen, arbeitete sich schnell in das britische Nationalteam vor und gehörte zu den besten zwölf Springern der Welt. Zwar schaffte er es nicht zu den Olympischen Spielen, doch das lag weniger an seinem Talent als an seiner Arbeitseinstellung. "Ich war nie engagiert genug, für mich war es ein Hobby. Ich reiste in einem britischen Trainingsanzug um die Welt und hüpfte mit russischen Mädchen ins Bett", erzählte er mal der "Los Angeles Times". Verschwendet war die Zeit als Profisportler jedoch nicht, denn so erhielt er die athletischen Grundfähigkeiten, die ihn heute zu einem gefragten Actiondarsteller machen. "Ich habe mein ganzes Leben lang trainiert. Ich kann meine eigenen Kämpfe machen, während andere auf die Hilfe von Stuntmen angewiesen sind", so Statham. "Dadurch habe ich eine Marktlücke besetzt, in die kein anderer so schnell stoßen kann."
Und die weiß der kantige Mann mit dem glatt rasierten Schädel so gut zu nutzen wie kaum ein anderer. Mit "Transporter" und "Crank" prägt er gleich zwei Filmreihen, die zwar im Kino nur solide liefen, aber auf DVD ein echter Renner sind.
Und im kommenden Jahr ist mit "The Brazilian Job" die Fortsetzung eines weiteren Kinohits geplant. Man kann sicher sein, dass Stathams Rolle dabei gegenüber "The Italian Job" deutlich ausgebaut wird.
Wie sehr sein Status als letzter Actionheld mittlerweile zementiert ist, sieht man auch daran, dass der Urvater aller Haudraufstars, Sylvester Stallone, Statham für sein kommendes All-Star-Actionepos "The Expendables" engagiert hat. Bruce Willis, Arnold Schwarzenegger, Jet Li, Mickey Rourke, Dolph Lundgren und natürlich Sly persönlich machen den Film zur größten Testosteron-Ansammlung, die das Kino je gesehen hat - und mittendrin der ehemalige Turmspinger aus dem englischen Sydenham.

Warten auf den Mega-Hit

Ob Statham auch so ausdauernd Actionfilme drehen wird wie Stallone? Wenn es nach seinem "Transporter"-Produzenten Steve Chasman geht, schon: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jason damit aufhört und Shakespeare-Filme dreht." Und wenn er doch mal Abwechslung sucht, dann vermutlich in Produktionen wie "Bank Job".
Das mit Actionelementen gespickte Thrillerdrama um einen echten Bankraub im London des Jahres 1971 zeigt vielleicht den vielseitigsten Statham, den es bisher zu sehen gab. "Ich bin auf diesen Film stolzer als auf alles, was ich bisher getan habe", verkündete der muskelbepackte Frauenschwarm - und drehte danach mit "Death Race" einen der adrenalingetränktesten Filme seiner Karriere.
Eigentlich unerklärlich, dass ihm trotz Kraft, Charme und Charisma der ganz große Durchbruch bislang verwehrt blieb. Doch wie es sich für einen Haudegen alter Schule gehört, gibt Statham nie auf. Im Gegenteil: Er steigert sogar noch die Intensität, bis er den Respekt erhält, der ihm seiner Meinung nach zusteht.
Sein Mantra dafür stammt aus der Schwarzenegger-Doku "Pumping Iron": "Der Wolf, der den Berg hinaufklettert, ist immer hungriger als der Wolf, der schon oben ist." Der letzte Actionheld ist mit knurrendem Magen unterwegs an die Spitze: "Ich möchte Filme drehen, bei denen das Publikum sagt: ,Teufel noch mal, der macht diesen irren Scheiß tatsächlich selbst.‘"

Rüdiger Meyer