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Interview mit Mo'Nique

"Das könnte deine Karriere versauen"

Das könnte deine Karriere versauen
Oscar für Mo'Nique in "Precious - Das Leben ist kostbar" Filmverleih

Anfang März bekam Mo'Nique in Hollywood den Oscar als Beste Nebendarstellerin für ihre Leistung im Sozialdrama "Precious - Das Leben ist kostbar" (Kinostart: 25.3.2010). Die als Monique Imes geborene Schauspielerin und Komikerin spricht über ihre Rolle und ihr Leben.

Kennen Sie Menschen wie Mary Jones, die Sie im Film spielen?

MO'NIQUE Wenn Sie meinen, ob ich so etwas wie sexuelle Belästigung in meinem Leben erfahren habe: ja. Mein älterer Bruder Gerald hat mich missbraucht. Trotzdem habe ich solche Misshandlung wie im Film gezeigt noch nie gesehen oder erlebt.

Kannten Sie das Buch "Push"?


MO'NIQUE Nein, nicht bis Regisseur Lee Daniels mich anrief und mir davon erzählt hat. Am nächsten Tag hat er es mir zugeschickt, und als ich zu lesen begann, hat es mich spätestens bei Seite 10 umgehauen. Meiner Meinung nach wird dieses Buch helfen, Leben zu retten. Das Buch nennt beim Namen, worum es wirklich geht, ohne süßliches Happy End. Ich bin sehr dankbar, dass ich das Buch lesen und die Autorin, Sapphire, treffen konnte.

Als ich aus dem Kino kam, war ich völlig fertig, geradezu erschöpft. Wie ging Ihnen das am Set beim Drehen?

MO'NIQUE Als ich über die Rolle mit meinem Mann sprach, hat er mir geraten, alles am Set zu lassen und nicht darüber zu richten. Genau das habe ich gemacht. In dem Moment, als Mr. Daniels "Cut" sagte, habe ich es alles dort gelassen, es nicht mit nach Hause genommen. Ich hab es nicht mal mit in meine Garderobe genommen. Ich musste nicht umprogrammiert werden. Wenn Mr. Daniels "Cut" sagte, ging im nächsten Moment die Musik an und wir haben Party gemacht. Wir waren wie Kids. Wir sind Entertainer, Schauspieler. Wenn der Regisseur "Action!" ruft, wirst du diese Person, aber wenn er "Cut" sagt, gibst du sie an der Tür ab. Weil ich mich daran gehalten habe, musste ich keine Therapie machen, nachdem ich Mary gespielt hatte.
Foto: Filmverleih, "Precious"-Regisseur Lee Daniels mit seiner Hauptdarstellerin Gabby Sidibe
Wie sind Sie auf Marys Look gekommen?

MO'NIQUE Da die Gardinen immer zu waren, war das ganze Haus dunkel. Sie war schmutzig, auch das hat ihren Look bestimmt. Sie hatte keinerlei Grund, sich großartig zu fühlen. Ihr Look war echt. Sie dachte, sie sieht gut aus. Ihren grauen Jogginganzug hatte ich von meinem Stand-in, wir haben praktische mitten in der Szene die Klamotten getauscht. Wir haben diesen Moment erschaffen und ich hab gleich gespürt, dass es funktioniert. Mary Jones ist echt und ich akzeptiere vollkommen die Art, wie sie aussieht.

Glauben Sie, dass dieser Film uns etwas beibringen kann?

MO'NIQUE Ich habe diesen Film mit dem Wunsch ans Universum verlassen, bitte jede Art von Urteil aus meinem Herzen zu nehmen und es mir auch nicht zu erlauben, jemanden vorzuverurteilen, wenn ich seine Situation nicht kenne. Das ist wahrscheinlich die Brillanz dieses Films: Er nimmt dir die Vorurteile. Wir alle kennen eine Precious. Wir alle kennen eine Mary Jones. Wenn du aus diesem Film kommst, merkst du, dass auch du irgendwann mit dem Finger auf eine Precious gezeigt hast. Wir alle haben gelacht. Und das ist nicht nur eine rein schwarze Thematik, das geht die ganze Welt an.

Wie war das Zusammenspiel mit Newcomerin Gabby Sidibe, die Precious spielt?

MO'NIQUE Es gab Momente, wo sie mich einfach tief beeindruckt hat. Sie war absolut großartig. Wenn sie vor irgendwas Angst hatte, hat man es jedenfalls nicht gemerkt. Es gibt Leute, die glauben, sie sei wie Precious, aber sie ist Gabby. Sie ist eine sehr intelligente und schöne Frau. Sie verdient all das Lob, dass sie gerade bekommt. Sie hatte nicht mal einen Schauspiellehrer. Ich bin sehr stolz auf sie.
Inwiefern hat Lee Daniels Ihnen helfen können?

MO'NIQUE Mr. Daniels ist ohne Furcht. Und da er ein furchtloser Regisseur ist, will man ihm auch eine furchtlose Performance liefern. Wir haben das als Team geschafft. Wir wollten uns gegenseitig nicht enttäuschen. Da er keine Angst hatte, konnte ich das auch nicht. Weil Lee bereit war, vom Dach zu springen, wie hätten wir es da nicht tun können?

Hatte er Sie nicht gewarnt, als er Ihnen die Rolle anbot, dass sie ein Rückschlag für Ihre Karriere sein könnte?

MO'NIQUE Er sagte: "Mama, ich hab hier etwas für dich, aber es könnte deine Karriere versauen".

Hat es das?

MO'NIQUE Na, immerhin sitze ich noch hier und spreche mit Ihnen, oder? (lacht) Ich habe ihm gesagt, er kann auf mich zählen, ich bin bei dieser Fahrt dabei. Ich vertraute ihm. Das Problem war wohl, dass ich eher als Komikerin bekannt bin. Meine Filme und TV-Serien bringen die Leute zum lachen. Man hätte bezweifeln können, dass ich diese Rolle spielen kann. Ich habe Lee gesagt, dass man das eben Entertainment nennt, und dass ich dem Publikum vertraue. Das kennt den Unterschied zwischen einer Figur und der Person, die sie spielt.

Scott Orlin