Marco W. - 247 Tage im türkischen Gefängnis
April 2007: Der 17-jährige Marco Weiss wird im türkischen Antalya festgenommen. Der Vorwurf: Der Schüler soll eine 13-jährige Britin sexuell missbraucht haben. Eine Verwechslung? Zwar gab es tatsächlich Zärtlichkeiten zwischen den beiden, jedoch einvernehmlich. Das Mädchen hatte behauptet, bereits 15 Jahre alt zu sein. Für den Jungen beginnt ein Albtraum aus Gefängnis und Gerichtsverhandlungen. Immer wieder wird ergebnislos vertagt. Weil ein Dokument doch noch nicht vorliegt, eine Übersetzung noch nicht angefertigt wurde.
In der Kirche seiner Heimatstadt Uelzen wird öffentlich für ihn gebetet. Es gibt Spendenaufrufe, Mahnwachen, Benefizveranstaltungen, Bundeskanzlerin Merkel und der damalige Außenminister Steinmeier schalten sich ein.
Nach 247 Tagen kommt Weiss frei. In Deutschland werden die Ermittlungen eingestellt, in der Türkei wird er zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Ein Fernsehfilm, der auf seinen Aufzeichnungen basiert, erzählt nun noch einmal seine Geschichte. Im exklusiven TV SPIELFILM-Interview sprechen Marco Weiss und "Film-Marco" Vladimir Burlakov über traumatische Erlebnisse und wie man sie darstellt.
TV SPIELFILM: Herr Weiss, komisches Gefühl, dass die schlimme Gefängniszeit jetzt als Fernsehfilm läuft?
MARCO WEISS Es ist gut, die Geschichte noch mal als Film zu sehen. Damit die Leute, die mich in der schweren Zeit unterstützt haben und für mich da waren, verstehen können, wie das war.
TV SPIELFILM: Herr Burlakov, auf was haben Sie geachtet, als Sie Herrn Weiss kennengelernt haben?
VLADIMIR BURLAKOV Auf nichts Bestimmtes. Ich wollte ja nicht Marco Weiss in seiner Körperlichkeit kopieren, sondern einen 17-jährigen Jungen spielen, dem eine schlimme Sache passiert. Wir haben uns unterhalten.
TV SPIELFILM: Was haben Sie ihn gefragt?
VLADIMIR BURLAKOV Ich wollte wissen, wie oft man im Gerichtssaal ein "Nein" hinnehmen kann, weil die Verhandlung wieder vertagt wurde. Wann kippt das? Wann glaubt man nicht mehr, dass es ein "Ja" geben kann?
MARCO WEISS Nach dem vierten oder fünften Mal habe ich nicht mehr damit gerechnet, dass es nach Hause geht. Man nimmt die Verhandlung dann nur noch als reinen Formaltermin wahr.
TV SPIELFILM: Warum die ständigen Verschiebungen? Wollte man ein Exempel an Ihnen statuieren?
MARCO WEISS Manchmal hatte ich schon das Gefühl. Dass der Prozess so in die Länge gezogen wurde, war nicht in Ordnung. Oder dass nicht richtig untersucht wurde. Oder dass es den Richtern scheinbar egal war, wenn wir Zeugen geliefert haben, die die Aussagen der Gegenseite widerlegt haben.
TV SPIELFILM: Ist der Film in der Darstellung der Geschehnisse akkurat?
MARCO WEISS Im Großen und Ganzen schon. In Wirklichkeit saß ich mit mehr Menschen in einer Zelle.
VLADIMIR BURLAKOV Im Film sind es 25.
MARCO WEISS Wir waren 36. Die Enge, die im Film gezeigt wird, kommt hin. Wir waren nur noch mehr.
TV SPIELFILM: Sie waren damals 17 und kamen in eine Sammelzelle?
MARCO WEISS Ja, das war ein Untersuchungsgefängnis. Die Leute saßen da wegen Drogen, Betrug, Diebstahl. Auch wegen Mord.
TV SPIELFILM: War tatsächlich auch eine
Russengang mit in der Zelle?
MARCO WEISS Zumindest haben sie Russisch gesprochen. In der ersten Zelle, in der ich saß, waren fast ausschließlich Ausländer.
TV SPIELFILM: Herr Burlakov, die Russenmafia lässt Sie anscheinend nicht los. Bekannt wurden Sie mit dem Gangsterepos "Im Angesicht des Verbrechens".
VLADIMIR BURLAKOV Im Film saß ich tatsächlich schon einige Male hinter Gittern. Ich spiele oft "gute Böse", Verbrecher, mit denen man sympathisiert.
TV SPIELFILM: Warum sprechen Sie so gut Russisch?
VLADIMIR BURLAKOV Ich bin in Moskau geboren und habe die Sprache nicht verlernt. Im Sommer drehe ich aber zwei Kinokomödien, die nichts mit Gangstern hinter Gittern zu tun haben.
TV SPIELFILM: Kann man im Gefängnis etwas für das Leben lernen?
MARCO WEISS Man kann lernen, das Leben mehr zu schätzen, auch schöne Kleinigkeiten zu würdigen. Man erkennt den wahren Wert von Freundschaften, wie kostbar ein stabiles Umfeld ist.
TV SPIELFILM: Gedreht wurde auf Malta. Warum nicht in der Türkei?
VLADIMIR BURLAKOV Das weiß ich nicht. Auf Malta wird viel gedreht, wahrscheinlich ist die filmische Infrastruktur dort besser.
TV SPIELFILM: Der Film hat auf jeden Fall keine Anti-Türkei-Botschaft.
MARCO WEISS Ja, das war uns wichtig. Nur weil diese Sache so gelaufen ist, wie sie gelaufen ist, wollen wir nicht das ganze Land schlechtmachen. Wir waren dort nicht umsonst neun Jahre im Urlaub.
TV SPIELFILM: Sie haben aber nicht vor, bald wieder dorthin zu fahren.
MARCO WEISS Nein. Das Revisionsverfahren läuft. Aber das kann sich noch Jahre hinziehen. Momentan bin ich dort zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Würde ich hinfahren, würde nichts geschehen. Aber es gibt noch viele andere schöne Urlaubsländer.
TV SPIELFILM: Mit welchem Gefühl denken Sie heute an das Mädchen, das Ihnen alles eingebrockt hat?
MARCO WEISS Mittlerweile mit gar keinem mehr. Man kann ihr wohl am wenigsten Vorwürfe machen. Wir haben im Nachhinein herausgefunden, dass die Anzeige hauptsächlich von der Mutter ausging.
TV SPIELFILM: Hat Ihnen Ihre Bekanntheit auch schon genützt?
MARCO WEISS Nein, eigentlich nur geschadet. Die Reporter sind auch zu meiner Arbeitsstelle gekommen, das hat meinen Chef genervt. Es war nicht leicht. Ich bin ungewollt bekannt geworden. Ich bin kein Schauspieler, für den Bekanntheit wichtig ist. Ich bin normal aufgewachsen und möchte einfach mein normales Leben weiterführen.
Frank Aures
In der Kirche seiner Heimatstadt Uelzen wird öffentlich für ihn gebetet. Es gibt Spendenaufrufe, Mahnwachen, Benefizveranstaltungen, Bundeskanzlerin Merkel und der damalige Außenminister Steinmeier schalten sich ein.
Nach 247 Tagen kommt Weiss frei. In Deutschland werden die Ermittlungen eingestellt, in der Türkei wird er zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Ein Fernsehfilm, der auf seinen Aufzeichnungen basiert, erzählt nun noch einmal seine Geschichte. Im exklusiven TV SPIELFILM-Interview sprechen Marco Weiss und "Film-Marco" Vladimir Burlakov über traumatische Erlebnisse und wie man sie darstellt.
TV SPIELFILM: Herr Weiss, komisches Gefühl, dass die schlimme Gefängniszeit jetzt als Fernsehfilm läuft?
MARCO WEISS Es ist gut, die Geschichte noch mal als Film zu sehen. Damit die Leute, die mich in der schweren Zeit unterstützt haben und für mich da waren, verstehen können, wie das war.
TV SPIELFILM: Herr Burlakov, auf was haben Sie geachtet, als Sie Herrn Weiss kennengelernt haben?
VLADIMIR BURLAKOV Auf nichts Bestimmtes. Ich wollte ja nicht Marco Weiss in seiner Körperlichkeit kopieren, sondern einen 17-jährigen Jungen spielen, dem eine schlimme Sache passiert. Wir haben uns unterhalten.
TV SPIELFILM: Was haben Sie ihn gefragt?
VLADIMIR BURLAKOV Ich wollte wissen, wie oft man im Gerichtssaal ein "Nein" hinnehmen kann, weil die Verhandlung wieder vertagt wurde. Wann kippt das? Wann glaubt man nicht mehr, dass es ein "Ja" geben kann?
MARCO WEISS Nach dem vierten oder fünften Mal habe ich nicht mehr damit gerechnet, dass es nach Hause geht. Man nimmt die Verhandlung dann nur noch als reinen Formaltermin wahr.
TV SPIELFILM: Warum die ständigen Verschiebungen? Wollte man ein Exempel an Ihnen statuieren?
MARCO WEISS Manchmal hatte ich schon das Gefühl. Dass der Prozess so in die Länge gezogen wurde, war nicht in Ordnung. Oder dass nicht richtig untersucht wurde. Oder dass es den Richtern scheinbar egal war, wenn wir Zeugen geliefert haben, die die Aussagen der Gegenseite widerlegt haben.
TV SPIELFILM: Ist der Film in der Darstellung der Geschehnisse akkurat?
MARCO WEISS Im Großen und Ganzen schon. In Wirklichkeit saß ich mit mehr Menschen in einer Zelle.
VLADIMIR BURLAKOV Im Film sind es 25.
MARCO WEISS Wir waren 36. Die Enge, die im Film gezeigt wird, kommt hin. Wir waren nur noch mehr.
TV SPIELFILM: Sie waren damals 17 und kamen in eine Sammelzelle?
MARCO WEISS Ja, das war ein Untersuchungsgefängnis. Die Leute saßen da wegen Drogen, Betrug, Diebstahl. Auch wegen Mord.
TV SPIELFILM: War tatsächlich auch eine
Russengang mit in der Zelle?
MARCO WEISS Zumindest haben sie Russisch gesprochen. In der ersten Zelle, in der ich saß, waren fast ausschließlich Ausländer.
TV SPIELFILM: Herr Burlakov, die Russenmafia lässt Sie anscheinend nicht los. Bekannt wurden Sie mit dem Gangsterepos "Im Angesicht des Verbrechens".
VLADIMIR BURLAKOV Im Film saß ich tatsächlich schon einige Male hinter Gittern. Ich spiele oft "gute Böse", Verbrecher, mit denen man sympathisiert.
TV SPIELFILM: Warum sprechen Sie so gut Russisch?
VLADIMIR BURLAKOV Ich bin in Moskau geboren und habe die Sprache nicht verlernt. Im Sommer drehe ich aber zwei Kinokomödien, die nichts mit Gangstern hinter Gittern zu tun haben.
TV SPIELFILM: Kann man im Gefängnis etwas für das Leben lernen?
MARCO WEISS Man kann lernen, das Leben mehr zu schätzen, auch schöne Kleinigkeiten zu würdigen. Man erkennt den wahren Wert von Freundschaften, wie kostbar ein stabiles Umfeld ist.
TV SPIELFILM: Gedreht wurde auf Malta. Warum nicht in der Türkei?
VLADIMIR BURLAKOV Das weiß ich nicht. Auf Malta wird viel gedreht, wahrscheinlich ist die filmische Infrastruktur dort besser.
TV SPIELFILM: Der Film hat auf jeden Fall keine Anti-Türkei-Botschaft.
MARCO WEISS Ja, das war uns wichtig. Nur weil diese Sache so gelaufen ist, wie sie gelaufen ist, wollen wir nicht das ganze Land schlechtmachen. Wir waren dort nicht umsonst neun Jahre im Urlaub.
TV SPIELFILM: Sie haben aber nicht vor, bald wieder dorthin zu fahren.
MARCO WEISS Nein. Das Revisionsverfahren läuft. Aber das kann sich noch Jahre hinziehen. Momentan bin ich dort zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Würde ich hinfahren, würde nichts geschehen. Aber es gibt noch viele andere schöne Urlaubsländer.
TV SPIELFILM: Mit welchem Gefühl denken Sie heute an das Mädchen, das Ihnen alles eingebrockt hat?
MARCO WEISS Mittlerweile mit gar keinem mehr. Man kann ihr wohl am wenigsten Vorwürfe machen. Wir haben im Nachhinein herausgefunden, dass die Anzeige hauptsächlich von der Mutter ausging.
TV SPIELFILM: Hat Ihnen Ihre Bekanntheit auch schon genützt?
MARCO WEISS Nein, eigentlich nur geschadet. Die Reporter sind auch zu meiner Arbeitsstelle gekommen, das hat meinen Chef genervt. Es war nicht leicht. Ich bin ungewollt bekannt geworden. Ich bin kein Schauspieler, für den Bekanntheit wichtig ist. Ich bin normal aufgewachsen und möchte einfach mein normales Leben weiterführen.
Frank Aures