Wohin man auch blickt, beklagt die Wirtschaft den Nachwuchskräftemangel. Doch eine Branche ist immun gegen solche Sorgen: die Filmindustrie. Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung waren vier der zehn nominierten Hauptdarsteller 30 Jahre oder jünger. Eine höhere Quote gab es letztmalig 1954. Damals hießen die hoffnungsvollen Nachwuchstalen­te noch Richard Burton, Marlon Brando oder Audrey Hepburn.

Insgesamt können aktuell 17 Jungstars unter 30 Jahren auf eine Oscar-Nominierung in ihrem Lebenslauf verweisen. Zwei von ihnen, Keira Knightley und Carey Mulligan, sind jetzt mit "Alles, was wir geben mussten" gemeinsam im Kino zu sehen. An ihrer Seite wartet mit Andrew Garfield ein weiteres vielversprechendes Gesicht. Der 27-Jährige hat schon einige starke Nebenrollen zu Buche stehen, und sein großer Karrieredurchbruch lässt sich bereits jetzt für den 3. Juli 2012 im Kalender markieren. Dann schwingt er sich erstmals als neuer "Spider-Man" durch die Kinos.
Dass viele Millionenproduk­tionen heute auf so jungen Schultern ruhen, ist natürlich kein Zufall. Ob nun "Captain America", "Thor" oder "Transformers" - jugendliche Helden sollen die begehrteste Zielgruppe der Hollywood-Studios ansprechen: Teenager. Und die sind eher ins Kino zu locken, wenn die Hauptdarsteller halbwegs in ihrer Altersklasse sind. Dass man heutzutage nicht mehr auf etablierte Stars an­gewiesen ist, um einen Kinohit zu produzieren, tut ein Übriges.

Immer früher, immer besser

Das alles wäre allerdings verlorene Liebesmüh, wenn die neue Generation unfähig wäre. Doch das junge Hollywood wird immer besser - sagt zumindest einer, der es wissen muss. Der Oscar-Gewinner Robert Duvall ("Der Pate") gilt als ­einer der besten Schauspieler Hollywoods und gerät über seine Erben regelrecht ins Schwärmen: "Die jungen Schauspieler sind ta­lentierter als früher. Es ist eine Art Evolution. Heut­zutage gibt es viel mehr Zugang zu Informationen - beispielsweise über das Inter­net -, was jungen Menschen dabei hilft, viel früher viel erfahrener und gebildeter zu sein als zu meiner Zeit."

Allerdings muss man dabei noch einen Unterschied zwischen den Geschlechtern machen. So sind unter den 17 Oscar-nominierten Jungstars mit Jesse Eisenberg und Haley Joel Osment gerade einmal zwei männlich. In Hollywood ist es offensichtlich wie im wahren Leben: Jungs sind einfach Spätentwickler.

Rüdiger Meyer