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Handball-EM

"Wilde Wundertüte"

2. Spieltag der Vorrunde: Exnationalspieler und ARD-Experte Martin Schwalb über die Handball-EM, Titelfavorit Frankreich und die Aussichten des deutschen Teams

Den Einzug ins Finale als Minimalziel auszugeben, kann sich vor einer Europameisterschaft niemand erlauben. Das Geschehen spielt sich auf einem Niveau ab, das in dieser Konzentration weder bei Olympischen Spielen noch bei Weltmeisterschaften erreicht wird. Auch vor der EM-Endrunde in Österreich (19.-31. Januar, live bei ARD und ZDF) gibt es daher wieder etliche Mannschaften, die für den Titel in Frage kommen.

Eine allerdings ragt diesmal heraus: die französische. Für sie ist das Minimalziel Finale keine Selbstüberschätzung, sondern schlicht realistisch; weil die Mischung im Team stimmt, weil die nötige Erfahrung vorhanden ist - und natürlich auch das Selbstbewusstsein.

Auf diese Übermannschaft, die - abgesehen vielleicht von der Linkshänderposition im rechten Rückraum - überall sehr gut bis überragend besetzt ist, wird Deutschland in der Hauptrunde treffen. Dass auch Bundestrainer Heiner Brand seine Mannschaft erfolgreich durch die Vorrunde führen wird, steht für mich außer Frage: Gegen Slowenien gewinnen wir, und an einem guten Tag sind sicher auch die Schweden zu schlagen. Sie spielen zwar einen dynamischen Handball, gehören aber nicht mehr zur absoluten Weltspitze, weil sie seit Jahren Probleme auf der oft spielentscheidenden Position im linken Rückraum haben. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir mit Polen um den Gruppensieg streiten werden.
Was danach passiert? Keine Ahnung. Die Medien haben der Mannschaft ja das Label der "jungen Wilden" aufgeklebt. Tatsächlich gleicht sie aber eher einer wilden Wundertüte. Das gilt auch für erfahrene Leistungsträger: Holger Glandorf ist nicht so stabil wie im letzten Jahr; Michael Kraus hat zuletzt oft die entscheidenden Impulse gegeben - aber wie funktioniert er als Kapitän?

Besonders schwierig wird es sein, die Lücke zu füllen, die Pascal Hens mit seiner Absage gerissen hat. Seine "Vertretung" Lars Kaufmann hat beim Gewinn des Supercups im November 2009 seine positive Entwicklung fortgesetzt. Einfach, weil er mehr Spielanteile bekommt. Das macht Hoffnung. Allerdings muss er in Österreich den Nachweis erbringen, dass er seine Qualitäten auch auf allerhöchstem Niveau abrufen kann. Die Chance, mit Spielen gegen sogenannte Underdogs langsam ins Turnier zu finden, hat er bei einer topbesetzten Europameisterschaft nicht.

Martin Schwalb


Die Vorrundenspiele der deutschen Mannschaft
Deutschland - Polen: DI, 19.1., ab 18.10 Uhr im ZDF. Ergebnis: 25:27 (8:12)
Slowenien - Deutschland: MI, 20.1., ab 18.10 Uhr im ZDF. Ergebnis: 34:34 (16:11)
Deutschland - Schweden: FR, 22.1., ab 18 Uhr in der ARD. Ergebnis: 30:29 (21:18)

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