Das Buch traf den Nerv der Leser: "Dschungelkind", 2005 erschienen, wurde in 31 Sprachen übersetzt und verkaufte sich weltweit mehr als 1,5 Millionen Mal. Die Autorin Sabine Kuegler wanderte durch die deutschen Talkshows und erzählte von ihrer Jugend im Urwald von West Papua und von ihren Problemen, sich später an das Leben in Deutschland zu gewöhnen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis der Bestseller verfilmt würde. Roland Suso Richter ("Dresden") hat es getan: mit Sabine Kuegler als Beraterin und Nadja Uhl in einer Hauptrolle.

Frau Uhl, Sie spielen die Mutter von Sabine. Haben Sie die echte Mutter kennengelernt?

NADJA UHL Ich habe lange mit ihr telefoniert. Sie ist eine offene und warmherzige Person, und sie hat einen trockenen, norddeutschen Humor. Wenn sie sagt "Ich bin ja nicht so der komische Typ", dann liegt man schon am Boden vor Lachen.

Frau Kuegler, wo leben Ihre Eltern heute?

SABINE KUEGLER Sie leben seit vier Jahren in der Nähe von Hamburg. Am Anfang war es nicht einfach. Meine Eltern haben Deutschland Ende der Sechzigerjahre verlassen und sind 2006 zurückgekommen. Sie kamen in ein Land, das sich stark verändert hatte.

Warum sind Ihre Eltern überhaupt zurückgekommen?

KUEGLER Beide waren gesundheitlich angeschlagen. Ich habe mich oft gefragt, ob meine Mutter Heimweh hatte. Ich weiß es nicht. Aber sie hat im Dschungel von Deutschland geschwärmt.

Und wie ist es bei Ihnen: Haben Sie heute ähnlich verklärte Erinnerungen an Ihre Zeit im Dschungel?

KUEGLER Nein, überhaupt nicht. Ich bin ja auch immer wieder zurückgegangen. Was meine Kindheit so einzigartig macht, ist, dass ich das Beste aus beiden Welten genießen durfte.

Ein konfliktfreier Ort ist der Dschungel weder im Buch noch im Film. Zwei Dinge finde ich besonders abschreckend: den permanenten Krieg
zwischen den Stämmen und den Aberglauben, Krankheiten ließen sich nicht heilen. Wie sehen Sie das?


UHL Es gibt dazu im Film zwei Positionen. Die eine verkörpert Thomas Kretschmann, der meinen Mann Klaus Kuegler spielt, die andere ich. Klaus ist für Nichteinmischung. Er argumentiert, wir hätten kein Recht, den Stämmen vorzuschreiben, nach unseren Werten und Regeln zu leben. Ich vertrete als seine Frau Doris dagegen die Auffassung, wir können nicht einfach jemanden sterben lassen, wenn wir ihn mit westlicher Medizin heilen könnten.

KUEGLER Ich bin absolut dagegen, die Stämme um jeden Preis vom Rest der Welt zu isolieren und sie vor allem Fremden zu schützen. Jede Kultur, die keinen Input von außen erhält, stirbt aus. Nicht jeder Einfluss von außen ist schlecht. Was die einheimischen Völker zerstört, sind nicht die Kontakte mit den Weißen, sondern deren Gier: die Abholzung der Wälder und die Ausplünderung der Ressourcen.

Die Fayu leben in West Papua, gedreht wurde aber in Malaysia. Warum?

UHL Am Originalschauplatz gibt es Malaria. Das Risiko wäre für alle Beteiligten zu groß gewesen.

KUEGLER Wir haben als Kinder Malaria gehabt wie andere einen Schnupfen.

Aber Malaysia ist auch nicht ganz ohne. Frau Uhl, hatten Sie keine Angst mit zwei kleinen Kindern in den Dschungel zu reisen?

UHL Doch, ich hatte zunächst auch abgesagt wegen meiner kleinen Tochter. Aber dann hat mich der Regisseur überredet. Trotzdem habe ich noch viele Ärzte gefragt. Manche haben gesagt: Der deutsche Herbst mit seinen Viren und Bakterien ist schlimmer als Malaysia.

Haben die Ärzte Ihnen auch geraten, die Babykost auf Maden umzustellen?

UHL Sie haben aber eine seltsame Fantasie (lacht).

KUEGLER Warum nicht? Maden sind gesund und enthalten viel Eiweiß. Wenn man sie grillt, schmecken sie richtig gut.

Wie war das eigentlich mit den Eingeborenen: Hat man sie in West Papua ins Flugzeug gesetzt und zum Dreh nach Malaysia geflogen?

KUEGLER Ja, aber sie kamen zum Teil aus der Stadt und wussten in etwa, was sie erwartet.

Frau Uhl, hat der Film Ihr Leben verändert?

UHL Ich bin anders abgereist, als ich angekommen bin. Ich habe den Drehort mit einer großen Melancholie verlassen, und ich glaube, das liegt daran, dass man nicht weiß, wie lange dieses Paradies noch Bestand hat. Man weiß, dass man jeden Tag auf eine bedrohte Natur schaut. Deshalb ist dort jeder Augenblick kostbar. Ich hätte dort locker noch ein gutes Jahr bleiben können. Ein Tag in Berlin mit all der Hektik stresst mich mehr als die ganze Zeit im Dschungel.

Rainer Unruh

"Dschungelkind" startet am 17. Februar in den deutschen Kinos