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Eine Stadt ohne Alltag

Kein Tag wie jeder andere: 24h Jerusalem

Lange schien das TV-Projekt "24h Jerusalem" (SA, 12.4.) an immensen Widerständen zu scheitern. Doch die Macher bewiesen Mut.

"Jerusalem ist zwar nicht besonders groß, aber dafür die verrückteste Stadt der Welt", sagte Thomas Kufus auf der Arte-Pressekonferenz über den Drehort seines neuesten Projekts. "Ob wir das allerdings noch mal machen würden, weiß ich nicht." Hoppla, was ist denn da passiert?

Der TV-Produzent, der 2009 gemeinsam mit Regisseur Volker Heise die viel beachtete 24-Stunden-Dokumentation "24h Berlin" realisierte, wollte in gleicher Manier einen ganz normalen Tag in der Stadt im Nahen Osten abbilden. Metropolen wie Paris, London oder São Paolo waren den Machern zu ähnlich, wären im Nachhinein vielleicht aber die bessere Wahl gewesen, denn sehr schnell wurde Jerusalem seinem Ruf als schwieriges Pflaster und politisches Pulverfass gerecht.
"Wir sind in diesen politischen Konflikt richtig reingeraten", konstatiert Kufus. "Einen Boykott palästinensischer Gruppen, die dort seit zwei, drei Jahren aktiv sind, haben wir beim ersten Mal nicht überstehen können." Tatsächlich musste der ursprünglich für den 6. September 2012 anberaumte Drehtag nur einen Tag davor abgesagt werden, weil sämtliche palästinensische Beteiligte dazu aufgefordert wurden, das Projekt zu verlassen. Längst nicht alle freiwillig.

Auch beim zweiten Anlauf im April 2013 schien das ambitionierte Unterfangen, rund 100 Bewohner von West- und Ostjerusalem mit unterschiedlichen Lebenswegen und religiösen wie politischen Zugehörigkeiten einen Tag lang mit der Kamera zu begleiten, kurzfristig zu scheitern. Obwohl man darauf geachtet hatte, gleich viele palästinensische und israelische Protagonisten filmen zu lassen, wurden abermals Mitglieder der Filmcrew von palästinensischen Gruppen bedroht, die Parteinahme für Israel reklamierten.

Doch Kufus und Regisseur Heise, deren Produktionsfirma durch die Streiks bis zu diesem Zeitpunkt 400 000 Euro verloren hatte - bei einem Gesamtbudget von 2,4 Millionen -, ließen sich nicht beirren, auch weil Sender und Förderer nicht absprangen. "Wir haben es nicht nur aus finanziellen Gründen durchgezogen", so Heise kämpferisch, "sondern auch, weil wir am Stolz gepackt waren. Wir haben gesagt, okay, das müssen wir hinkriegen. Da konnte man nicht mehr raus, oder man wäre feige gewesen."

Es gelang, fast 500 Stunden Filmmaterial an einem Tag zu drehen. Es ist der Blick auf eine Stadt ohne Alltag, von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr morgens, in Echtzeit. Auch der Boykott wird thematisch aufgenommen.

Fehlt was? "Leute aus dem inneren Kreis von Hamas und Geheimdienst", sagt Heise, "die hier stark vertreten sind".

H. Schulze

24h Jerusalem
SA 12.4. Arte/BR ab 6.00 Uhr