Die Südstaaten der USA gelten als Hort der Gastfreundlichkeit. Umso schockierender, wenn das Erste, was man am Set in Charlotte, North Carolina, zu hören bekommt, ist: "Du bist Scheiße!" Zum Glück gilt das nicht den internationalen Journalisten. Serienveteran Mandy Patinkin ("Criminal Minds") bringt sich nur mit selbstkritischen Kraftausdrücken in Stimmung für die anstehende Szene, in der er sich Vorwürfe macht.

Wir sind mitten in den Dreh der dritten Staffel von "Homeland" hineingeplatzt, einer der spannendsten Serien der vergangenen Jahre, die bei Sat.1 Erfolg hatte und nun in die zweite Staffel geht. Als sich der Emmy-Gewinner kurz danach den Interviewfragen stellt, sind die Obszönitä­ten vergessen. Vielmehr strahlt er die väterliche Großherzigkeit aus, die seinen CIA-Veteranen Saul Berenson zu einer der beliebtesten Homeland"-Figuren gemacht hat.
Die besondere Beziehung zwischen Saul und CIA-Agentin Carrie (Claire Danes) hat Mandy Patinkin sogar in seinem fiktiven Büro durch zwei Plüschbären verewigt: "Mein bester Freund, der viel zu früh an Krebs starb, hat seinem Sohn immer aus ,Pu der Bär‘ vorgelesen", erinnert sich der 60-Jährige mit zitternder Stimme. "Und die Lektion aus diesem Buch ist für mich, dass man sich selbst für seine Freunde opfern muss. Also bat ich den Setdesigner, mir einen großen Pu und einen kleinen als Symbol für Carrie zu besorgen."

Es ist eines von vielen kleinen Details, die der Zuschauer nie zu sehen bekommt. So finden sich in vielen Kulissen Fotos aus dem Privatalbum der Stars, und in den heiligen Hallen der CIA hängt eine vom ehemaligen CIA-Direktor Leon Panetta unterschriebene (fiktive) Hausmitteilung, in der er sich darüber beschwert, dass die Mitarbeiter "ständig den letzten Kaffee aus der Maschine nehmen, ohne neuen aufzusetzen". Dabei hat er gerade dringend welchen nötig, weil er "20 Seiten umschreiben muss, da der US-Präsident mir wichtige Informationen vorenthalten hat".

Informationen sind auch am "Homeland"-Set schwer zu bekommen: Es herrscht höchste Geheimhaltung. In der Angst, sich zu verplappern, versuchen die Stars möglichst wenig über den Inhalt zu reden. "Es ist schon etwas stressig. Alle meine Freunde löchern mich mit Fragen, aber ich darf nichts sagen", erzählt stellvertretend für ihre Kollegen Claire Danes, die anfangs selbst lange Zeit im Dunkeln tappte. "Aber jede Staffel vertrauen mir die Autoren mehr Geheimnisse an."

Claire Danes kann sogar lachen

Im Gegenzug lüftete Danes beim Dreh zur zweiten Staffel ebenfalls ein Geheimnis: Sie war schwanger. Ein Problem, das die Macher dank Bauchdouble und Computertechnik so unauffällig lösten, dass das Verfahren seither auch von anderen Serien wie "House of Lies" angewendet wird. Mittlerweile ist Sohn Cyrus acht Monate alt und wiegt sich im Arm von Hugh Dancy. Der Schauspieler-Papa hat Kinderdienst, während Claire Danes in Charlotte dreht. Anschließend erledigt sie in Toronto die Mutterpflichten, wo Dancy die Hauptrolle in der neuen Serie "Han­nibal" (ab 10. Oktober in Sat.1) ergattert hat.

Mit einem breiten Lachen schwärmt Danes von ihrem Sohn und der "euphorischen Mami-Blase", in die er sie katapultiert hat. Es ist ein Lachen, das man in der ersten Staffel von "Homeland" fast nie zu sehen bekommen hat. Umso wirkungsvoller ist es, wenn Carrie in Folge eins der zweiten Season einen Gegner in die Flucht schlägt und vor Freude anfängt zu grinsen. "Es ist sehr befriedigend, sie in ihrem Element zu erleben", analysiert die Schauspielerin, die mit ihren zierlichen 166 Zentimetern fast in ihrem Sessel verschwindet.

Doch viel mehr gibt es für Carrie nicht zu lachen. Auch in Staffel zwei trägt sie die Last der Welt auf ihren Schultern - obwohl sie nun etwas Unterstützung bekommt. Rupert Friend ("Stolz und Vorurteil") und Oscar-Gewinner F. Murray Abraham ("Amadeus") agieren in diesem Jahr auf der Seite der Guten. Auch wenn man das im Fall von "Homeland" nie so ganz genau sagen kann.

Selbst die Rolle von Brody (Damian Lewis), der anfangs sich und den US-Vizepräsidenten in die Luft sprengen wollte, bleibt ambivalent, sodass sein Haus auch weiterhin von der CIA überwacht wird. Auf dem TV-Schirm braucht es dafür modernste Technik, dabei würde Carrie in Wahrheit ein Blick aus dem Fenster reichen: Ihr Wohnungsset liegt genau gegenüber von Brodys Veranda. Ja selbst der Konferenzraum der CIA bietet einen perfekten Blick auf das Haus des Terroristen.

Im Hauptquartier des Geheimdienstes ist derzeit allerdings die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. An diversen Türen warnen gelbe Absperrbänder vor einem sogenannten "Hot-Set", eine höflichere Form für "Flossen weg!" Denn innen drin steht eine der berühmt-berüchtigten "Homeland"-Pinnwände mit Fotos und Seilen, die Verknüpfungen verdäch­tiger Personen aufzeigen. Sollte sich jemand einen Spaß erlauben und auch nur eine Stecknadel vertauschen, hätte die nächste Folge einen Anschlussfehler. Dann könnte sich Mandy Patinkins Tirade vielleicht doch noch gegen uns richten. 

Rüdiger Meyer

Homeland
SO, 29.9., Sat.1, 22:15 Uhr