Die Demonstranten vor der Kaserne recken ihre Transparente in die Höhe, rufen Parolen gegen Atomraketen und Aufrüstung. Ein knappes "Danke"-Kommando lässt den Protest in sich zusammenbrechen.
Diese Demonstranten sind gekauft, die Kaserne ist tatsächlich der ehemalige brandenburgische Landtag in Potsdam. In der Spionageserie "Deutschland 83" soll in der Szene, die hier gerade gedreht wird, amerikanisches Kriegsgerät für das Manöver "Able Archer" stationiert werden.
Im Innenhof haben sich die Schauspieler zum Gruppenbild aufgebaut. Eine beeindruckende Zusammenstellung. Neben Jungstars wie Jonas Nay und Ludwig Trepte stehen altgediente Könner wie Ulrich Noethen und Sylvester Groth, dahinter Fädenzieher wie Produzent Nico Hofmann, RTL-Fictionchef Philipp Steffens und das Ehepaar Winger, die Schöpfer und Motor der achtteiligen Serie sind.
Diese Demonstranten sind gekauft, die Kaserne ist tatsächlich der ehemalige brandenburgische Landtag in Potsdam. In der Spionageserie "Deutschland 83" soll in der Szene, die hier gerade gedreht wird, amerikanisches Kriegsgerät für das Manöver "Able Archer" stationiert werden.
Im Innenhof haben sich die Schauspieler zum Gruppenbild aufgebaut. Eine beeindruckende Zusammenstellung. Neben Jungstars wie Jonas Nay und Ludwig Trepte stehen altgediente Könner wie Ulrich Noethen und Sylvester Groth, dahinter Fädenzieher wie Produzent Nico Hofmann, RTL-Fictionchef Philipp Steffens und das Ehepaar Winger, die Schöpfer und Motor der achtteiligen Serie sind.
Wer mit den Protagonisten spricht, bemerkt eine besondere Aufgeregtheit. Das RTL-Prestigeprojekt erfährt schon jetzt, ein Jahr vor Ausstrahlung, große mediale Aufmerksamkeit. Hier entsteht etwas Besonderes, man ist stolz darauf, dabei zu sein.
Tatsächlich ist vieles besonders an dieser Serie. Zum Beispiel, dass sie bereits vor der deutschen Ausstrahlung in den USA lief. Nur auf dem kleinen Arthouse-Kanal Sundance TV zwar, aber mit Kritikerlobeshymnen der größten Zeitungen des Landes. Bei der Berlinale-Aufführung im Februar war die Resonanz schon ähnlich. Mittlerweile wurde das Format bereits in 15 Länder verkauft.
Tatsächlich ist vieles besonders an dieser Serie. Zum Beispiel, dass sie bereits vor der deutschen Ausstrahlung in den USA lief. Nur auf dem kleinen Arthouse-Kanal Sundance TV zwar, aber mit Kritikerlobeshymnen der größten Zeitungen des Landes. Bei der Berlinale-Aufführung im Februar war die Resonanz schon ähnlich. Mittlerweile wurde das Format bereits in 15 Länder verkauft.
Spion wider Willen
Jonas Nay spielt in "Deutschland 83" den linientreuen NVA-Solda-ten Martin Rauch, der vom DDR-Auslandsgeheimdienst HVA in eine Spionagetätigkeit erpresst wird. Druckmittel ist Rauchs schwer kranke Mutter, die zum Überleben teure Westmedikamente benötigt. Als Assistent von Bundeswehrgeneral Edel (Ulrich Noethen) soll der junge Mann Informationen über die Militäroperationen der NATO liefern.
Vor allem über das große Herbstmanöver "Able Archer", das der russische Geheimdienst nicht für eine Übung, sondern für die Vorbereitung zum gefürchteten atomaren Erstschlag hält. Bewahrheitet sich diese Vermutung, will man den Westmächten natürlich zuvorkommen...
Entstanden ist diese Geschichte quasi am Frühstückstisch der Familie Winger. Produzent Jörg Winger stellt Serien wie "SOKO Leipzig" fürs Fernsehen her, seine amerikanische Frau Anna schreibt Romane und berichtet für US-Medien davon, wie man mit deutschem Mann und zwei Kindern in Berlin lebt.
Jörg Winger erinnert sich: "Ich habe 1983 Wehrdienst in einer Kaserne in der Eifel geleistet, habe Russisch gelernt und dann die DDR abgehört." Eine Arbeit, die selbstverständlich hochgeheim war. "Als wir zu Weihnachten per Funk persönlich gegrüßt wurden, wusste ich, wir haben einen Maulwurf", weiß Winger.
Spannendes Material für eine Serie fand seine Frau und begann im Dezember 2013, die Pilotfolge zu schreiben. Bereits ein Jahr später war die ganze Story nicht nur fertig geschrieben, sie war bereits komplett verfilmt. Ein beispielloser Kraftakt. "Wir haben diese Geschichte für ein Jahr gelebt und geatmet", sagt Anna Winger. "Wir sind aufgewacht, -haben darüber gesprochen, den ganzen Tag daran gearbeitet, sind schlafen gegangen, und dann ging es wieder von vorn los."
So super ist die Superserie
Immer wieder werden im Fernsehen die crazy 80er-Jahre inszeniert. Und das meist ärgerlich schlicht: Ein Zauberwürfel wird groß ins Bild gesetzt, es rennt -jemand mit Vokuhila durchs Bild, und irgendwann setzt Nenas "99 Luftballons" ein.
Dieser Song läuft auch in "Deutschland 83", aber auch jede Menge anderer stimmiger Lieder, die man nicht einfach von einer "Best of the 80s"-CD ziehen kann. Anna Winger hat die Musikauswahl persönlich überwacht.
Nicht durch Requisiten wird hier die Atmosphäre der 80er erzeugt. Es sind Fernsehbilder, die uns an Ronald Reagans brandgefährliche Kriegsrhetorik erinnern, es sind Plots, die Aids und Bhagwan ebenso thematisieren wie die Blockade der Abschussbasis Mutlangen, bei der unter den Demonstranten auch Heinrich Böll zu sehen war.
Und wenn in den Gesprächen Namen wie Böll oder auch Petra Kelly fallen, wird dankenswerterweise nicht erklärt, wer die wohl sind. Die Dialoge gehören hier den Figuren, sie werden nicht dazu missbraucht, das zu erläutern, was man sowieso sieht. Ängstliche Fernsehredakteure setzen so etwas immer wieder durch, um die Zuschauer nicht zu überfordern.
Derartige Einflussnahmen habe es von RTL-Seite überhaupt nicht gegeben. Die Zusammenarbeit mit dem Sender bewerten die beiden Wingers als uneingeschränkt positiv.
Der Zuschauer kann sich oft freuen, wenn er "Deutschland 83" guckt. Am meisten darüber, wie sorgfältig die Bücher geschrieben wurden. Wenn Ostagent "Kolibri" in eine brenzlige Situation geworfen wird, ist es wirklich überzeugend und überraschend, wie er sich daraus befreit. Und nebenbei auch noch immer wieder sehr spannend. Da hat jemand sehr gründlich nachgedacht.
Erfolg durch Writer's Room
Tatsächlich war das nicht nur einer. "Deutschland 83" entstand, so wie auch US- oder skandinavische Serien, in einem "Writer's Room": Unter der Führung eines "Head Writer" schreiben mehrere Autoren an den Drehbüchern. Sie tauschen sich aus, machen den Stoff damit vielschichtiger und authentischer, und das Wichtigste: Sie sind für die Dauer des Projekts exklusiv beschäftigt.
Das bedeutet, sie können sich voll auf diese eine Geschichte konzentrieren. "Wenn ein Autor mit einem ,SOKO Leipzig‘-Kommissar aufstehen und mit einem ,Tatort‘-Kommissar ins Bett gehen muss, so verringert das natürlich die Intensität der Auseinandersetzung", sagt Jörg Winger. "Die Zusammenarbeit mit den vier anderen Autoren war für mich das Beste", erklärt Anna Winger.
Auf das Ergebnis ist das Ehepaar zu Recht stolz. Das exzessive Produktionsjahr wollen sie aber nicht noch einmal wiederholen. Beim nächsten Mal müsse mehr Geld zur Verfügung stehen, auch für das Schreiben der Bücher. "In Skandinavien gehen sechs bis acht Prozent des Budgets in die Drehbuchentwicklung", erklärt Jörg Winger.
"Bei uns sind es nur zwei bis drei Prozent." Diese geringe Wertschätzung der Drehbuchentwicklung müsse sich noch ändern. "Wir haben -alles: tolle Autoren, tolle Kameraleute und Regisseure... Aber die Maschine ist noch nicht so gebaut, dass dann hinten auch eine tolle Serie herauskommt. Es gibt noch Fehler im System", sagt Jörg Winger.
Die acht einstündigen Episoden laufen an vier Donnerstagen als Doppelfolgen. Im Anschluss an die ersten beiden Teile sendet RTL um 22.15 Uhr darüber hinaus eine Doku über den historischen Hintergrund der Spionagegeschichte.
Die Forderungen der Wingers fanden offenbar Gehör. Die nächsten beiden Staffeln, "Deutschland 86" und "Deutschland 89", sind jedenfalls schon in Arbeit.
Frank I. Aures
>>> Deutschland 83
DO 26.11. RTL 20.15 Uhr
Jonas Nay spielt in "Deutschland 83" den linientreuen NVA-Solda-ten Martin Rauch, der vom DDR-Auslandsgeheimdienst HVA in eine Spionagetätigkeit erpresst wird. Druckmittel ist Rauchs schwer kranke Mutter, die zum Überleben teure Westmedikamente benötigt. Als Assistent von Bundeswehrgeneral Edel (Ulrich Noethen) soll der junge Mann Informationen über die Militäroperationen der NATO liefern.
Vor allem über das große Herbstmanöver "Able Archer", das der russische Geheimdienst nicht für eine Übung, sondern für die Vorbereitung zum gefürchteten atomaren Erstschlag hält. Bewahrheitet sich diese Vermutung, will man den Westmächten natürlich zuvorkommen...
Entstanden ist diese Geschichte quasi am Frühstückstisch der Familie Winger. Produzent Jörg Winger stellt Serien wie "SOKO Leipzig" fürs Fernsehen her, seine amerikanische Frau Anna schreibt Romane und berichtet für US-Medien davon, wie man mit deutschem Mann und zwei Kindern in Berlin lebt.
Jörg Winger erinnert sich: "Ich habe 1983 Wehrdienst in einer Kaserne in der Eifel geleistet, habe Russisch gelernt und dann die DDR abgehört." Eine Arbeit, die selbstverständlich hochgeheim war. "Als wir zu Weihnachten per Funk persönlich gegrüßt wurden, wusste ich, wir haben einen Maulwurf", weiß Winger.
Spannendes Material für eine Serie fand seine Frau und begann im Dezember 2013, die Pilotfolge zu schreiben. Bereits ein Jahr später war die ganze Story nicht nur fertig geschrieben, sie war bereits komplett verfilmt. Ein beispielloser Kraftakt. "Wir haben diese Geschichte für ein Jahr gelebt und geatmet", sagt Anna Winger. "Wir sind aufgewacht, -haben darüber gesprochen, den ganzen Tag daran gearbeitet, sind schlafen gegangen, und dann ging es wieder von vorn los."
So super ist die Superserie
Immer wieder werden im Fernsehen die crazy 80er-Jahre inszeniert. Und das meist ärgerlich schlicht: Ein Zauberwürfel wird groß ins Bild gesetzt, es rennt -jemand mit Vokuhila durchs Bild, und irgendwann setzt Nenas "99 Luftballons" ein.
Dieser Song läuft auch in "Deutschland 83", aber auch jede Menge anderer stimmiger Lieder, die man nicht einfach von einer "Best of the 80s"-CD ziehen kann. Anna Winger hat die Musikauswahl persönlich überwacht.
Nicht durch Requisiten wird hier die Atmosphäre der 80er erzeugt. Es sind Fernsehbilder, die uns an Ronald Reagans brandgefährliche Kriegsrhetorik erinnern, es sind Plots, die Aids und Bhagwan ebenso thematisieren wie die Blockade der Abschussbasis Mutlangen, bei der unter den Demonstranten auch Heinrich Böll zu sehen war.
Und wenn in den Gesprächen Namen wie Böll oder auch Petra Kelly fallen, wird dankenswerterweise nicht erklärt, wer die wohl sind. Die Dialoge gehören hier den Figuren, sie werden nicht dazu missbraucht, das zu erläutern, was man sowieso sieht. Ängstliche Fernsehredakteure setzen so etwas immer wieder durch, um die Zuschauer nicht zu überfordern.
Derartige Einflussnahmen habe es von RTL-Seite überhaupt nicht gegeben. Die Zusammenarbeit mit dem Sender bewerten die beiden Wingers als uneingeschränkt positiv.
Der Zuschauer kann sich oft freuen, wenn er "Deutschland 83" guckt. Am meisten darüber, wie sorgfältig die Bücher geschrieben wurden. Wenn Ostagent "Kolibri" in eine brenzlige Situation geworfen wird, ist es wirklich überzeugend und überraschend, wie er sich daraus befreit. Und nebenbei auch noch immer wieder sehr spannend. Da hat jemand sehr gründlich nachgedacht.
Erfolg durch Writer's Room
Tatsächlich war das nicht nur einer. "Deutschland 83" entstand, so wie auch US- oder skandinavische Serien, in einem "Writer's Room": Unter der Führung eines "Head Writer" schreiben mehrere Autoren an den Drehbüchern. Sie tauschen sich aus, machen den Stoff damit vielschichtiger und authentischer, und das Wichtigste: Sie sind für die Dauer des Projekts exklusiv beschäftigt.
Das bedeutet, sie können sich voll auf diese eine Geschichte konzentrieren. "Wenn ein Autor mit einem ,SOKO Leipzig‘-Kommissar aufstehen und mit einem ,Tatort‘-Kommissar ins Bett gehen muss, so verringert das natürlich die Intensität der Auseinandersetzung", sagt Jörg Winger. "Die Zusammenarbeit mit den vier anderen Autoren war für mich das Beste", erklärt Anna Winger.
Auf das Ergebnis ist das Ehepaar zu Recht stolz. Das exzessive Produktionsjahr wollen sie aber nicht noch einmal wiederholen. Beim nächsten Mal müsse mehr Geld zur Verfügung stehen, auch für das Schreiben der Bücher. "In Skandinavien gehen sechs bis acht Prozent des Budgets in die Drehbuchentwicklung", erklärt Jörg Winger.
"Bei uns sind es nur zwei bis drei Prozent." Diese geringe Wertschätzung der Drehbuchentwicklung müsse sich noch ändern. "Wir haben -alles: tolle Autoren, tolle Kameraleute und Regisseure... Aber die Maschine ist noch nicht so gebaut, dass dann hinten auch eine tolle Serie herauskommt. Es gibt noch Fehler im System", sagt Jörg Winger.
Die acht einstündigen Episoden laufen an vier Donnerstagen als Doppelfolgen. Im Anschluss an die ersten beiden Teile sendet RTL um 22.15 Uhr darüber hinaus eine Doku über den historischen Hintergrund der Spionagegeschichte.
Die Forderungen der Wingers fanden offenbar Gehör. Die nächsten beiden Staffeln, "Deutschland 86" und "Deutschland 89", sind jedenfalls schon in Arbeit.
Frank I. Aures
>>> Deutschland 83
DO 26.11. RTL 20.15 Uhr
Hintergrund: Europa vor dem Abschuss
In den frühen 80er-Jahren wurde der Kalte Krieg zwischen USA und UdSSR immer heißer. US-Präsident Ronald Reagan nannte die UdSSR das Reich des Bösen. Als Folge des NATO-Doppelbeschlusses von 1979 sollten amerikanische Pershing-2-Raketen auf deutschem Boden stationiert werden. Sie sollten ein Gegengewicht zu den russischen SS-20-Raketen bilden.
Beide Machtblöcke rechneten mit einem nuklearen Erstschlag des Gegners. Im September 1983 führte ein Fehlalarm des russischen Frühwarnsystems fast zum Dritten Weltkrieg. Im NATO-Manöver Able Archer vier Wochen später spielte der Westen das Szenario eines Atomkriegs so realistisch durch, dass die russische Seite unsicher wurde, ob die USA nicht tatsächlich einen Angriff vorbereiteten. Fieberhaft arbeiteten die Ostgeheimdienste daran, die wahren Intentionen der Westmächte zu erkennen.
In den frühen 80er-Jahren wurde der Kalte Krieg zwischen USA und UdSSR immer heißer. US-Präsident Ronald Reagan nannte die UdSSR das Reich des Bösen. Als Folge des NATO-Doppelbeschlusses von 1979 sollten amerikanische Pershing-2-Raketen auf deutschem Boden stationiert werden. Sie sollten ein Gegengewicht zu den russischen SS-20-Raketen bilden.
Beide Machtblöcke rechneten mit einem nuklearen Erstschlag des Gegners. Im September 1983 führte ein Fehlalarm des russischen Frühwarnsystems fast zum Dritten Weltkrieg. Im NATO-Manöver Able Archer vier Wochen später spielte der Westen das Szenario eines Atomkriegs so realistisch durch, dass die russische Seite unsicher wurde, ob die USA nicht tatsächlich einen Angriff vorbereiteten. Fieberhaft arbeiteten die Ostgeheimdienste daran, die wahren Intentionen der Westmächte zu erkennen.