Uwe Barschel? Ja, da war was. Die "Ehrenwort"-Konferenz, bei der der Politiker nachweislich gelogen hatte. Und das Foto des toten Barschel in der Badewanne eines Genfer Hotels. An die weniger präsenten Auswirkungen und sogar internationalen Verstrickungen des Falls erinnert nun ein dreistündiger Politthriller. Alexander Fehling spielt in einer preisverdächtigen Performance einen fiktiven Journalisten, der den diversen Mord- und Selbstmordtheorien nachgeht. Matthias Matschke kommt in seiner Barschel-Personifikation dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein verblüffend nahe. Im Interview sprechen die beiden über den Fall und ihre Rollen.

Herr Matschke, Sie spielen Uwe Barschel. Wie haben Sie ihn wahrgenommen?
MATTHIAS MATSCHKE Uwe Barschel war jemand, der sich immer selbst hinterhergerannt ist. Dem ist von Kindesbeinen auf gesagt worden, was er zu erreichen hat. Dadurch kam es zu einer Übererfüllung bei allem: mit knapp dreißig Doppeldoktor, die perfekte Familie, der unantastbare Politiker. Ich denke, er hat seine Bestätigung nicht bei sich selbst, sondern in der Bestätigung von außen gesucht.

War er ein schlauer Strippenzieher, oder hielt er sich nur dafür?
MATSCHKE Es wurde immer gesagt, der könne sich so gut darstellen, war so geschickt im Umgang mit den Medien. Bei der Sichtung des historischen Materials dachte ich immer wieder: Der kann das überhaupt nicht gut! Es scheint, als habe er eine schlechte Gebrauchsanleitung gelesen, "Umgang mit Medien leicht gemacht".

Müssen wir den Fall Barschel heute noch aufarbeiten? Was bringt uns das?
ALEXANDER FEHLING Der Film arbeitet natürlich auch nur mit den Theorien, die über die Jahre entwickelt wurden. Doch er macht ein paar Sachen erfahrbar. Wir wissen ja, dass die Informationen, die wir bekommen, auch gefiltert und manipuliert werden. Aber einen Politiker zu sehen, der sein Ehrenwort gibt - und lügt -, das ist schockierend. Das trifft einen.

Und die Erinnerung daran lässt einen hinterfragen, ob der Staat noch so läuft, wie es mal abgesprochen war?
FEHLING Mit dem Volk wird ja gar nicht so viel abgesprochen. Es ist wichtig, damit man es sich nicht zu gemütlich macht.
MATSCHKE Für mich ist aber entscheidend, dass wir uns der Aufgabe der Aufarbeitung gar nicht erst stellen. Wir sind Schauspieler und erarbeiten einen fiktionalen Stoff. Wir gehen damit um, was der Fall ausgelöst hat.

Wie haben Sie Barschels Tod damals erlebt?
FEHLING Ich war sechs, als das passierte. Ich hatte vor dem Film nur das Badewannenfoto mal gesehen.
MATSCHKE Ich war neunzehn. Der Skandal hat zwar nicht mein Vertrauen in Politik, aber in die Integrität von Politikern relativiert. Die Ausmaße der Affäre damals hatte ich aber vergessen: dass danach mit Engholm der zweite Ministerpräsident zu Fall kommt, dass Barschel so oft in der DDR war, dass die Verstrickungen bis in die globalen po-litischen Ebenen reichten.

Herr Fehling, Sie spielen den Reporter David Burger. Jagt er Barschel aus Gerechtigkeitssinn?
FEHLING Am Anfang will er als Journalist auf der richtigen Seite sein und sucht die. Er will den ganzen Fall aber auch einfach verstehen. Die Motivation ändert sich im Verlauf der Jahre total. Er wird immer mehr zum Gejagten - auch durch sein fehlendes Selbstwertgefühl.

Am Ende sehen Sie ganz schön kaputt aus...
FEHLING Wir haben lange darüber gesprochen, wie man das hinbekommt, es war jeden Drehtag erneut Thema. Ich mag künstlichen Schweiß nicht, ich wollte lieber selbst schwitzen. Ich habe auch ein paar Kilo abgenommen. Ich sehe dann schnell ziemlich hager aus.

Hat die Figur ein reales Vorbild?
FEHLING Nein, die ist ausgedacht. Ich habe zur Vorbereitung einigen Konferenzen der "Berliner Zeitung" beigewohnt. Aber ich habe dort keinen getroffen, der damals hinter Barschel her war.

Was haben Sie dort gelernt?
FEHLING Wie die da reden, wie die Abläufe sind. Die sagen nicht "Artikel" oder "Text", die sagen "Stück". Das sage ich auch im Film. Das sind natürlich nur Details. Aber manchmal machen die eine Menge aus. Jemand sagte mir: Aber bitte nicht so eine Szene, in der zwei Journalisten hinter einem herrennen, weil sie noch was wissen wollen...

Diese Szene ist im Film.
FEHLING (lacht) Genau. Aber andere haben mir erzählt, dass es das wirklich gab. Auch wenn es ein Klischee geworden ist.

Herr Matschke, Sie sprachen vorhin das alte TV-Material an. Was haben Sie entdeckt?
MATSCHKE Ich habe vor allem Fotografien studiert, die Barschel zeigen. Bilder, in denen ihm seine offizielle Pose entgleitet. Zufällige Bilder. Diese merkwürdige Abwesenheit, die er manchmal ausstrahlte, beispielsweise als er in Genf am Flughafen fotografiert wurde. Aus den vermeintlich unbeobachteten Momenten kann man sehr viele Rückschlüsse ziehen, wie er privat funktioniert hat.

Früher hat man Sie eher mit lustigen Rollen in Verbindung gebracht. Das ändert sich mit Barschel, "Helen Dorn" und -"Polizeiruf 110", wo Sie 2016 in Magdeburg den Dienst antreten. Wie haben Sie das geschafft?
MATSCHKE Ich habe schon immer auch ernste Rollen gespielt. Ich habe die ganzen Jahre im Theater und vor der Kamera das gemacht, was ich jetzt mache: Drama und Komödie. Dass ich nun die Aufmerksamkeit dafür bekomme, macht mich zufrieden.

Sie mussten keine Karriereentscheidungen treffen, wie etwa das Theaterspiel aufgeben, um mehr Zeit für Dreharbeiten zu haben?
MATSCHKE Nein, ich spiele immer noch Theater. Ich mache einfach das, was ich gern mache. Und das als Beruf. Und der ist wunderbar. Eben bin ich noch mit Winnetou in Kroatien über die Prärie geritten, dann bin ich Barschel, dann bin ich ein Kommissar in Magdeburg, und dann bin ich auf einmal wieder bei "Sketch History".

Wo wollen Sie hin, Herr Fehling?
FEHLING Ich habe kein Ziel. Allein der Gedanke deprimiert mich.

Sie spielen in der neuen Staffel der US-Serie "Homeland" eine tragende Rolle. Wie war's?
FEHLING Da hat alles zusammengepasst. Da arbeiten gute Leute, ich habe die Arbeit genossen.

Lust auf Hollywood bekommen?
FEHLING Es ist spannend, mit Menschen aus anderen Ländern zusammenzuarbeiten. Auch in anderen Sprachen. Das mag ich schon. Aber grundsätzlich will ich dahin, wo es interessantes Material für mich gibt.

Mit größerem Budget kann man größere Bilder schaffen.
FEHLING Das interessiert mich nicht. Der Schauspielberuf kann sehr schnell wahnsinnig leer sein. Wenn ich an einem Set stehe, dann interessiert mich vor allem die Zeit, in der die Kamera läuft. Ich will mich nicht langweilen. Ich verbringe dort schließlich meine Lebenszeit.

Aber man ist doch als Schauspieler auch Fan von großen, teuren Filmen, die einen gepackt haben?
MATSCHKE Dass der Film selbst einen packt, ist doch das Wesentliche. Wie teuer er war, ist nicht das Kriterium. Einem Regisseur bei der Umsetzung seiner Vision so gut es geht behilflich zu sein finde ich toll. Und dafür gehe ich nach Hollywood, aber auch nach Rom. Oder Saarbrücken.

Frank I. Aures
Die Affäre im Jahr 1987
5. Januar Uwe Barschel (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, stellt Reiner Pfeiffer als Medienreferent ein

August 1987 Im Landtagswahlkampf streut Pfeiffer gezielt Aids- und Steuerhinterziehungsgerüchte über den SPD-Spitzenkandidaten Björn Engholm (SPD)

14. September "Spiegel"-Artikel: Pfeiffer gibt zu, hinter der Schmutzaffäre gegen Engholm zu stecken - im Auftrag Barschels

18. September "Ehrenwort"-Pressekonferenz - Barschel beschwört seine Unschuld

25. September Barschel wird überführt, tritt am 2.10. zurück

11. Oktober Barschel wird tot in einem Genfer Hotel gefunden
Der Fall Barschel
SA 6.2. Das Erste 20.15 Uhr