Über der Tür zu seinem Büro hängt ein Schild: "Investiere heute wie ein Champion". Warren Buffett, ein freundlicher älterer Herr in zerknittertem grauem Anzug, die Schultern vom Alter leicht gebeugt, marschiert energischen Schrittes drunter durch. Er ist 82 Jahre alt, und es gibt immer noch viel zu tun. Auch an diesem Tag werden ihn die deutschen Filmemacher Gisela Baur und Ralph Gladitz begleiten, die schon seit 18 Monaten für eine TV-Dokumentation über den legendären Selfmade-Milliardär aus Omaha, Nebraska, recherchieren.

Buffett lässt sie bemerkenswert nah an sich heran, bittet sie sogar ins Allerheiligste: das rustikal eingerichtete Hauptquartier seiner Firma Berkshire Hathaway Incorporated. Es umfasst die halbe Etage eines schmucklosen Eckgebäudes in der Farnam Street, dreizehn Angestellte beschäftigt er hier. "Mehr braucht es nicht. Sind alles gute Leute. Mit ihnen habe ich alle Deals eingetütet." Diese Deals (u. a. Beteiligungen an Coca-Cola, American Express und Gillette) haben Buffett zum drittreichsten Mann der Welt gemacht. Sein Privatvermögen wird von "Forbes" auf 39 Milliarden US-Dollar geschätzt, sein Firmenvermögen auf 370 Milliarden, weltweit stehen rund 260 000 Menschen auf seiner Gehaltsliste.

Buffett verschenkt den Großteil seines Vermögens

Seine Aktionäre (die A-Aktie ist derzeit für 100 000 Dollar zu haben, die B-Aktie kostet an die 60 Dollar) preisen ihn wie den Messias und nennen ihn "Das Orakel von Omaha", für die Anhänger der weltweiten Occupy-Bewegung degegen ist Buffett Staatsfeind Nummer eins. Und das, obwohl er im Jahr 2010 einen bemerkenswerten Beschluss fasste: Noch zu seinen Lebzeiten wolle er 85 Prozent seines Vermögens für wohltätige Zwecke verschenken, den größten Teil davon an die Bill und Melinda Gates Stiftung. Damit war "The Giving Pledge" geboren, das Milliardenversprechen.

Mehr als 70 US-Milliardäre, darunter Bill und Melinda Gates, Medienmogul Ted Turner, Regisseur George Lucas, Karstadt-Retter Nicolas Berggruen und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, haben sich "The Giving Pledge" angeschlossen, um einen Großteil ihres Vermögens zu spenden. Deshalb verfügt das Projekt inzwischen über unfassbare 200 Milliarden Dollar, die die Initiatoren selbst verteilen können. Ein Vorhaben, das, so zeigt es auch die Doku, nicht nur bei den Occupy-Mitgliedern auf Gegenwehr stößt. Auch europäische Milliardäre wie Hasso Plattner (Gründer von SAP) oder der millionenschwere Hamburger Reeder Peter Krämer in­vestieren ihren Reichtum lieber in eigene Hilfsprojekte.

Die Filmemacher zeichnen in ihrer sauber recherchierten 75-minütigen Doku ein weitestgehend objektives Bild des superreichen Kampagnengründers, der sich der Philanthropie (dem menschenfreundlichen Denken und Verhalten) verschrieben hat. Doch gerecht werden sie ihm leider nicht. Zu sehr versteigen sie sich in die Überlegung, ob es ausreicht, wenn Reiche einen (Groß-)Teil ihres Vermögens spenden. Als ob das deren grundsätzliche Pflicht wäre.

S. Sturm