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Captain America - The First Avenger

Schauen Sie genau hin

Mit Pro Sieben Maxx startet Deutschlands größter TV-Konzern einen weiteren digitalen Spartenkanal (DI, 3.9.). Wer soll da den Überblick behalten? Na, wir natürlich!

Beginnen wir mit der Konkurrenz: Es waren neue Töne, die bei der Programm-Pressekonferenz von RTL im Juli zu hören waren. Statt Wir-sind-die-Größten-Rhetorik erlebte man einen überraschend selbstkritischen Senderchef. Mit Grund, schließlich hat RTL im vergangenen Jahr mächtig Federn lassen müssen. Auf 12,3 Prozent ist der Marktanteil des Senders gesackt - der schlechteste Wert seit 2008. Einziger Trost: Den anderen Platzhirschen auf dem TV-Markt geht es nicht besser.

Sendervielfalt wird genutzt

In den vergangenen zehn Jahren haben die Big Five der deutschen Fernsehlandschaft (ARD, ZDF, RTL, Sat.1, Pro 7) mehr als sieben Prozentpunkte Marktanteil verloren. Konkret heißt das: vier Millionen Zuschauer weniger. Dabei nimmt die Zeit, die die Deutschen mit dem Fernseher verbringen, weiter zu. Doch sie schauen anders fern. Die neue digitale Sendervielfalt ist für immer mehr Zuschauer nicht länger nur ein interessantes, aber irgendwie verwirrendes Angebot. Sie ist in den Wohnzimmern angekommen.

"Der Fernsehkonsum wird selektiver und individueller" lautet das Fazit einer Studie der ARD-Medienforschung. Das haben auch die großen Privatsender verstanden. Mit digitalen Spartenkanälen wie Sixx, RTL Nitro und ab 3. September Pro Sieben Maxx wollen sie verlorene Zuschauer zurückgewinnen.

Vor allem die ProSiebenSat.1-Gruppe hat die Flucht nach vorn angetreten. Und das mit Erfolg: Sixx schalten an Spitzentagen fast neun Prozent der anvisierten Frauen zwischen 14 und 39 ein. Sat.1 Gold, der Sender für Frauen ab 40, lockt bis zu 3,4 Prozent in der Zielgruppe. Aber auch der RTL-Testosteron-Ableger RTL Nitro kommt an - nämlich bei bis zu 5,6 Prozent der 14- bis 59-Jährigen.
Die Alten werden interessant

Die neuen Sender müssen nicht nur verlorenes Terrain zurückerobern, sie sollen auch neues erschließen. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Menschheit nicht nur aus 14- bis 49-Jährigen besteht. Gern brüstet sich Pro Sieben damit, das jüngste Publikum von allen Sendern zu haben, Durchschnittsalter: 35. Der Käufer eines Neuwagens geht jedoch im Schnitt auf die 60 zu. "Circus Halligalli" ist einfach das falsche Umfeld, wenn man Werbezeit an Mercedes verkaufen will.

"Pro Sieben Maxx wird das erwachsenere Pro Sieben", sagt René Carl, Chef des neuen Kanals. Konzipiert ist der Sender als männliches Gegenstück zu Sat.1 Gold: dort Dauerwelle, hier graue Schläfen. Jedenfalls in der Primetime, denn tagsüber sendet Pro Sieben Maxx Kinderprogramm. Laut Statistik schauen Männer in den besten Jahren fast ausschließlich abends fern.

Wie schon Sixx und RTL Nitro startet auch Pro Sieben Maxx mit reichlich Werbetamtam. Ob sich der Sender langfristig etabliert, hängt jedoch von der Qualität des Programms ab. Zum Glück haben die großen Sender inzwischen begriffen, dass es nicht reicht, einen Digitalkanal als Resterampe zu betreiben. Sixx hat vorgemacht, wie's geht: Klar, auch der Hühnerkanal bestückt weite Strecken des Programms mit Wiederholungen. Doch das muss nichts Schlechtes sein, wenn Auswahl und Präsentation stimmen. Niemand hat schon alles gesehen. Und mal ehrlich: Gute Filme und Lieblingsserien schaut man gern ein zweites Mal. Dazu leistet sich Sixx ein paar Erstausstrahlungen und Eigenproduktionen, die dem Sender Gesicht und Profil verleihen.

Den gleichen Weg geht Pro Sieben Maxx unter männlichen Vorzeichen. Zum Auftakt ein echter Kracher: Mit "Captain America" leistet sich der Sender die Free-TV-Premiere eines reinblütigen Blockbusters. Einmal im Monat, so René Carl, wolle man ein großkalibriges Spielfilmhighlight liefern.

Serienfans verspricht Carl Spitzenware wie "Homeland" zur Primetime - und im Original mit Untertiteln! "Damit besetzen wir eine echte Marktlücke", ist sich der Senderchef sicher. Dokus und ein "Galileo"-Spin-off runden das Programm ab. Nur eine Frage bleibt offen: Wieso glaubt man bei Pro Sieben eigentlich, Hollywood-Blockbuster und anspruchsvolle Serien seien nix für Frauen.
Christian Holst
Übersicht im Senderdickicht
Entdeckungsreisen in die digitalen Programmwelten lohnen sich. Hier ein paar Tipps für den ungetrübten TV-Spaß.
■ Sollten Sie noch Kabel analog empfangen, steigen Sie auf digital um. DVB-C-Receiver gibt's ab 30 Euro, das Basispaket bei Kabel Deutschland für 3,90 Euro im Monat.
■ Sortieren Sie die Sender sorgfältig. Bilden Sie sinnvolle Gruppen, z. B. die Dritten unter 31-39. Haben Sie keine Scheu, Sender zu löschen, die Sie nicht brauchen.
■ Nehmen Sie sich die Zeit, Ihren Fernseher oder Receiver genau kennenzulernen. Moderne Geräte bieten viele Funktionen, die die Sendernavigation erleichtern, z.B. das Erstellen mehrerer Favoritenlisten.
■ Nutzen Sie die TV SPIELFILM-App mit ihren Such- und Erinnerungsfunktionen. Übrigens: Ab Heft 19 präsentiert TV SPIELFILM das Tagesprogramm auf täglich einer Seite mehr - für noch mehr Übersicht bei noch mehr Sendern.