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"40+: Jetzt oder nie!"

Die Echtzeit-Familie

Interaktiv in die Sinnkrise
Zeit der Helden, Folge 1 (MO, 25.3.): Der 46-jährige Elektroinstallateur Arndt (Oliver Stokowski) und seine 45-jährige Frau Mai (Julia Jäger). SWR/zero one film/Tom Trambow

In der grandiosen Miniserie "Zeit der Helden" (diese Woche) tickt die Uhr wie in der Realität: Viertel nach acht beim Zuschauer ist Viertel nach acht im Film

Schwerpunkt- und Themenabende kennt man von Arte zur Genüge, aber so etwas gab es noch nie. Wenn der Kulturkanal ab dem 23. März gemeinsam mit dem SWR unter dem Titel 40+: Jetzt oder nie! fast eine Woche dem Phänomen Midlife-Crisis widmet, kann man Fernsehen auf völlig neue Art erleben: Die Attraktion ist eine Miniserie über fünf Tage im Leben einer Familie, einer scheinbar ganz normalen Familie - außergewöhnlich ist zunächst das Format.

Es geht schon damit los, dass man sich für Zeit der Helden wirklich Zeit nehmen muss, denn die Serie läuft an fünf aufeinanderfolgenden Abenden in zwei Slots - ab 20.15 Uhr für 45 Minuten und noch einmal ab 22 Uhr für 30 Minuten. Der wirkliche Coup, neben einem exzellenten Schauspielerensemble, heißt fiktionale Echtzeit: Wie bei der US-Agentenserie 24 mit Kiefer Sutherland stimmen hier Erzählzeit und erzählte Zeit überein.

Damit nicht genug: Bei den Protagonisten in "Zeit der Helden" ist es ebenso spät wie beim Zuschauer. Zu jeder Zeit und mit dem Effekt, dass man glaubhaft realistisch am Wahnsinn des Vorstadtalltags der Brunners und ihrer Freunde teilhat. Fünf Tage, an deren Ende nichts mehr ist wie davor.

"Dieses Format gibt es noch gar nicht. Da betritt Fernsehen wirklich Neuland", sagt Regisseur Kai Wessel ("Hilde"), dessen fiktionale Dokumentation über eine Familie in der Krise alles andere ist als ein beklemmendes Sozialdrama. Basierend auf einem Drehbuch der Autoren Beate Langmaack und Daniel Nocke entwickelt die Serie mitunter Elemente einer schwarzen Komödie, wie man sie von US-Serien wie Desperate Housewives und Sopranos kennt. Ein innovatives TV-Experiment und ein Glücksgriff, nicht nur für die Zuschauer.

"Ich kam schon ganz beseelt aus dem Casting und bin völlig begeistert, wie das gelungen ist", so Schauspielerin Julia Jäger, die gemeinsam mit Oliver Stokowski als Ehepaar Brunner im Fokus des Geschehens steht. "Da ist Fellini drin, Ingmar Bergman, Woody Allen - das ist voll mit Angeboten für Schauspieler", begeistert sich ihr Filmpartner, der als Elektroinstallateur Arndt Brunner verzweifelt wie ein moderner Don Quichotte um das Glück mit seiner etwas verschrobenen Frau Mai kämpft. Als befreundetes Paar der beiden sind Inka Friedrich und Thomas Loibl dabei.

Für den Regisseur bestand die Herausforderung darin, die richtige Tonalität für seine Helden in der Krise zu finden, eine Mischung aus Wahrhaftigkeit und Humor. "Es ging darum, allen Szenen einen ernsten Boden zu unterlegen, darüber aber nicht zu verschweigen: Das hat etwas Absurdes, was die da machen. Das mussten wir am Anfang üben."

Die Dreharbeiten im Frühjahr 2012 waren für alle Beteiligten aber aus anderen Gründen eine ausgesprochen finstere Zeit. Da klar war, dass alle neun Episoden abends gezeigt werden sollten, musste dem Echtzeitgedanken folgend nachts oder an abgedunkelten Sets gearbeitet werden - und zwar über Tage, Wochen, insgesamt drei Monate.
"Nachts ist der Killer", sagt Kai Wessel und verweist auf eine Produzentenregel, nach der kein Fernsehfilm in der Nacht beginnen darf. "Das ist unnatürlich - angeblich."

Für die Schauspieler, die in vielen Szenen von zwei Kameras gleichzeitig gefilmt wurden und eigentlich permanent im Bild sind, war es in jedem Fall eine außerordentliche Belastungsprobe. "Feierabend" hieß es meist erst um sechs Uhr morgens. "Dann fährst du ins Hotel und musst schlafen - und wieder die Vorhänge zuziehen. Es war wie unter Tage", erinnert sich Oliver Stokowski.

Den Zuschauern empfiehlt der Schauspieler, der sich kürzlich die preisgekrönte BBC-Serie Downton Abbey als DVD-Paket bestellt hat, einen ähnlichen Tunnelblick wie beim Schauen von britischen oder US-amerikanischen Serienstaffeln. "In der erste Folge lernt man die Figuren kennen, tut sich vielleicht mit der einen oder anderen noch schwer, in der zweiten wird man warm, und dann kann man nicht mehr aufhören. Es saugt einen ein."

Heiko Schulze
Zeit der Helden
ab MO 25.3. Arte/SWR 20.15 Uhr

Die Helden im Netz
Eine Website dokumentiert parallel zur TV-Serie Zeit der Helden das Leben der Brunners und ihrer Freunde. Neben einer interaktiven Schnitzeljagd durch die Geschichte der Hauptfiguren, kann man in kurzen Filmschnipseln auch sehen, was Arndt, Mai, Sandra und die anderen tagsüber so machen. www.zeitderhelden.de

Midlife-Dokus
Krise in der Karwoche, fünf Tage Midlife und andere Katastrophen. Acht Dokus im Arte/SWR-Programmschwerpunkt 40+: Jetzt oder nie! beleuchten ein Phänomen aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Ich krieg die Krise: Die Männer Schauspieler Ralf Richter, Kolumnist
Harald Martenstein und andere über ihre
Erfahrungen mit dem Älterwerden
MO 25.3. SWR 21.00 Uhr

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MO 25.3. ARTE 21.00 Uhr
Mein Leben - 2. Akt
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Die Generation Midlife "Sie war auf jeden Fall nicht antikapitalistisch", sagt
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Raus aus der Krise Doku über Menschen, die ihr Leben radikal geändert haben
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