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Interview: Daniel Radcliffe und James McAvoy

Deshalb ist "Frankenstein" zeitloser Stoff

Horns, Daniel Radcliffe
Daniel Radcliffe (26) Entdeckt in der BBC-Mini- serie"David Copperfield", zwischen 2001 und 2010 als Harry Potter in acht Kinofilmen. 2012"Die Frau in Schwarz" (Horror), 2013"Horns" (Fantasy) sowie die Fernsehserie "A Young Doctor's Note- book" neben Jon Hamm Universal Pictures

James McAvoy und Daniel Radcliffe, Stars der Horrorneuverfilmung "Victor Frankenstein", über die Monster, die wir erschaffen, und was das alles mit Facebook zu tun hat...

Zehn Jahre trennen sie. Und kulturelle Welten. Schließlich ist der eine Engländer und der andere Schotte. Daniel Radcliffe wird auf ewig der Zauberstab schwin­gende Musterschüler Harry Potter sein, James McAvoy stand in seiner ersten großen Kinorolle auf Schafsbockbeinen - als Faun Mr. Tumnus in "Die Chroniken von Narnia".

In "Victor Frankenstein - Ge­nie und Wahnsinn" sind die bei­den nun in einer Neuverfilmung des Horrorklassikers von Mary Shelley im Kino zu sehen, als Schöpfer neuen Lebens. Da noch mit vollem Haupthaar. Die Glat­zen, mit denen sie zum Interview erschienen, hatten gleich meh­rere Gründe: McAvoy brauchte seine zunächst für die Comicver­filmung "X­Men: Apocalypse" und dann für M. Night Shyamalans Mystery­thriller "Split", Radcliffe spielte im FBI­-Bombenthriller "Impe­rium" gerade oben ohne.
Es gibt unzählige Frankenstein-Verfilmungen. Was unterscheidet diese von den Vorgängern?

DANIEL RADCLIFFE
Es ist der erste Film, der die Geschehnisse aus Sicht des Gehilfen Igor erzählt. Drehbuchautor Max Landis hat ihm eine eigene Hintergrundgeschichte verpasst, die erklärt, woher er kommt und wa­rum er so devot und überängstlich ist. Victor und Igor sind ein tolles Team.

JAMES MCAVOY
...und sich in manchen Punkten ähnlicher, als Victor es wahrhaben will. Er hält sich natürlich für schlauer, aber Igor überrascht ihn immer wie­der. Ihre Beziehung steht im Mit­telpunkt des Films und bewahrt ihn somit davor, zum bloßen existenzialistischen Albtraum zu werden, wie bei Mary Shelley.

Was ist der größte Unterschied zur Romanvorlage?

Daniel Radcliffe
Nun, zum Beispiel dass es bei Mary Shelley nie einen Igor gab. Igor existiert nur in unserer Zeitgeistparallelwelt, in der viele inzwischen auch glau­ben, Frankenstein sei in Wahr­heit das Monster und nicht der Arzt und dass er einen buckligen Gesellen hat so wie der Glöckner von Notre Dame.

Was haben Sie übernommen?

MCAVOY
Auf jeden Fall die Be­sessenheit, mit der Victor Fran­kenstein sein Ziel verfolgt. Als ich den Roman zum ersten Mal las, verstand ich nie, woraus sein Antrieb bestand. In unserem Film wird seine Motivation nach­vollziehbar.

Die worin besteht?

MCAVOY
Ich will gar nicht so viel vorwegnehmen, aber es geht vor allem darum, weshalb Victor sich in seinen Wahnsinn steigert und den Tod als so endlich be­trachtet wie das Leben. Der Frankenstein-­Roman von Mary Shel­ley muss zu seiner Zeit absolut kontrovers gewesen sein. Allein schon aus religiösen Gründen: Ein Mensch maßt sich an, Gott zu sein. Was für ein Frevel! Die Leute waren garantiert von den Socken.

Warum ist die Frankenstein-Geschichte bis heute von solch bleibender Relevanz?

MCAVOY
Das ist der Shakes­peare­-Effekt. "Hamlet" wurde auch schon tausendmal insze­niert, und trotzdem kommen immer neue Aufführungen hin­zu. Es kommt darauf an, neue Ansätze zu finden und die Ge­schichte anders aufzuziehen. Wenn die alte Geschichte immer wieder gleich erzählt wird, wie in den "Spider­-Man"­Filmen, bleiben die Zuschauer auf Dauer weg. Auch deshalb hat unser Film sein ganz eigenständiges Format. Denn schließ­lich geht es auch um eine Abenteuerreise durch das viktorianische London und wie Victor und Igor sich dort behaupten. Das ist manchmal lustig, manchmal aufregend und manchmal stark geprägt vom Gothic­-Horror.

Universal plant ebenfalls eine Neuverfilmung des Stoffs. Die Klassiker scheinen heute auch wieder profitabel zu sein.

MCAVOY
Es mag sich im ersten Moment seltsam anhören, aber unser Drehbuchautor Max Landis hat uns auf etliche aktuelle Paral­lelen gestoßen, beispielsweise
zu David Finchers Facebook­ Film "The Social Network".

Stimmt, das hört sich seltsam an.

RADCLIFFE
Ja, aber worum geht es denn da? Um zwei junge Män­ner, die eine bahnbrechende Technologie entwickeln. Das ist in unserem Film nicht viel anders. Auch Victor und Igor ste­hen an der Schwelle eines un­ermesslichen technologischen Durchbruchs. Ob zum Guten oder zum Schlechten wird sich zeigen...

Haben Sie aktuelle Beispiele dafür, wo es kippen kann?

RADCLIFFE
Denken Sie nur daran, wie vor fünf Jahren die Stammzellenforschung ver­dammt wurde und die Wissen­schaftler als vermessene Grenz­gänger beschimpft wurden. Heu­te werden durch Stammzellen Menschenleben gerettet.

Darin spiegelt sich der universelle Kon­flikt der Frankenstein­-Story: Ab welchem Punkt geht die For­schung zu weit und wird zum Übel oder gar zur Bedrohung?

MCAVOY
So gesehen sind auch die "Jurassic Park"-­Filme entfernte Ableger der Frankenstein­-Story, denn auch in ihnen geht es um fehlgeleiteten Forscherwahnsinn, der desaströse Konse­quenzen nach sich zieht.

Zu welchem Genre gehört "Victor Frankenstein"? Ist es überhaupt ein Horrorfilm?

RADCLIFFE
Ich verstehe ihn als Abenteuerfilm mit dunklen Motiven. Wir machen Horror mit Hirn, wenn Sie so wollen. (lacht)