.

"Ich hatte keinerlei Bedürfnis, berühmt zu werden"

Die Gefahren des Ruhms

Supermensch – Wer ist Shep Gordon?
"Supermensch": Shep Gordon (mit Sonnenbrille) und Alice Cooper im Flieger Rapid Eye Movies
Mr. Gordon, Sie warnen immer wieder davor, wie gefährlich Erfolg sein kann. Haben Sie es je bereut, jemanden berühmt gemacht zu haben?

SHEP GORDON
: Das ist eine gute Frage, aber ich glaube nicht. Ich habe allen immer ganz ehrlich und klar zu verstehen gegeben, was sie erwartet bevor sie irgendwelche Verträge unterschrieben haben. Damit habe ich die Verantwortung abgegeben. Wenn ich jemanden warne, dass er fett wird, wenn er zu viele Donuts isst und er es trotzdem tut, ist das nicht meine Schuld. Jeder hat die Wahl. Am Ende des Tages habe ich nur meinen Job gemacht. Ich habe Menschen berühmt gemacht und damit mein tägliches Brot verdient.

MIKE MYERS: Ich liebe diese simple und ehrliche Einstellung dazu.

Mr. Myers, Sie sind damals über Nacht berühmt geworden. Was bedeutet Erfolg und Ruhm für Sie?

MIKE MYERS
: Ich bin so unendlich dankbar darüber. Auch wenn wirklich nie berühmt werden wollte. Das stimmt wirklich. Ich wollte natürlich, dass meine Arbeit anerkannt wird, ich bin kein Heiliger. Ich liebe Kreativität, produziere jeden Tag irgendetwas und gehe von 9 bis 5 zur Arbeit. Aber dieser unglaubliche Erfolg, mit dem ich gesegnet wurde, ist unfassbar.

Gab es es nie einen Moment, in dem sie sich gewünscht haben, nicht berühmt zu sein?

MIKE MYERS: Nein, auch wenn ich keine Ahnung hatte, was da auf mich zukommt. Niemand in meiner Familie ist berühmt und ich musste mich auf jeden Fall erst daran gewöhnen. Ich bin eher ein zurück gezogener Mensch und die meisten meiner Freunde haben mit Hollywood nichts zu tun. Das war keine bewusste Entscheidung, sondern hat sich einfach so ergeben.

SHEP GORDON: Du bist einer der glücklichen Überlebenden. Wen man Erfolg und Ruhm erst mal zu spüren bekommen hat, ist es wirklich schwer, sich wieder aus diesem Strudel zu befreien. Mike ist da wirklich eine Ausnahme.
MIKE MYERS: Ich? Fantastisch! Ich kann mich nicht beschweren und ich habe wirklich nie mit diesem Erfolg gerechnet. Shep hat mir immer sehr geholfen am Boden zu bleiben.

Mr. Gordon, waren Sie eigentlich auch schon mal Mikes Manager?

SHEP GORDON
: Nein, ich manage eigentlich keine Freunde von mir. Und ehrlich gesagt, haben wir beide da auch noch nie drüber geredet oder nachgedacht.

Heutzutage scheint Erfolg den Leuten noch schneller zu Kopf zu steigen?

MIKE MYERS
: Ja, bei einigen jungen Leuten muss man sich echt Sorgen machen. Ruhm des Ruhmes wegen halte ich für bedenklich. Früher war man ein Star, weil man etwas geleistet hatte. Heute wird Ruhm etwas inflationär verwendet. Manche Leute wollen berühmt werden, nur um berühmt zu sein. Shep war für viele junge Stars damals wie ein Schutzanzug, der sie vor dem Schlimmsten bewahrt hat.

Apropos Erfolg, waren Sie nervös, ob der Film überhaupt gut ankommt?

MIKE MYERS
: Ich hatte nicht mal eine Ahnung, ob überhaupt irgendjemand diesen Film zeigen wollte, geschweige denn sehen. Aber ich wollte ihn trotzdem unbedingt machen. Wir haben ihn auf dem Filmfestival in Toronto gezeigt und die Leute sind ausgeflippt. Wir haben Standing Ovations bekommen.

SHEP GORDON: Das war überwältigend, für mich einer der Highlights meines Lebens.

MIKE MYERS: Für mich auch! Wir hatten so ein fantastisches Jahr mit dem Film und haben so viel positives Feedback bekommen. Anscheinend haben sich viele Zuschauer von dem Film inspirieren lassen.

SHEP GORDON: Ja, Leute kommen auf mich zu und erzählen mir, dass sie sich vorgenommen haben ein besseres Leben zu leben, ein Kind zu adoptieren, mehr Geld zu spenden, et cetera. Unglaublich.
Sie kennen sich schon so lange, gab es da beim Dreh überhaupt noch Überraschungen?

MIKE MYERS
: So ziemlich alles war eine Überraschung (lacht). Ich dachte vorher wirklich, dass ich alles über Shep weiß, weil ich ihn immer wenn wir uns sehen mit Fragen durchlöchere. Ich schreibe mir manchmal sogar Fragen auf, wenn mir welche einfallen. Das würde ich sonst mit niemanden mache. Ich habe heute schon wieder zehn unglaubliche Geschichten aus seinem Leben gehört, von denen ich keine Ahnung hatte. Alleine diese Peyote-Nummer hat mich schon wieder total umgehauen.

Was ist da genau passiert?

MIKE MYERS
: Das war irgendwann Mitte der Sechziger in Mexiko als Shep das erste Mal Peyote genommen hat.

SHEP GORDON: Ja, ich habe darüber in irgendeinem Jack-Kerouac-Buch gelesen und wollte es unbedingt ausprobieren. Ich weiß nicht, ob man das immer noch macht, aber damals hat man Peyote für zwei Wochen in Alkohol mariniert, um ihn dann auf die Haut zu reiben, wenn man Rheuma hat. Deshalb hat man es damals ganz einfach in Apotheken kaufen können. Das hab ich dann auch gemacht. Ich bin damit nach Acapulco nachts an den Strand und hab ein bisschen davon gegessen. Erst dachte ich, dass gar nichts passiert. Ich hatte ein Feuer gemacht, das plötzlich ausging. Ich erinnere mich, dass ich damals gedacht habe, dass ich das Feuer mit der Kraft meiner Gedanken wieder entfachen kann. Dass ich eins bin mit der Welt und dieser ganze alberne Quatsch. Und dann auf einmal sind die Flammen wieder hoch geschlagen. Das war für mich einer dieser großen Momente im Leben.

Und Sie erinnern sich ganz genau, dass das tatsächlich passiert ist?

SHEP GORDON
: Nein, ich habe keine Ahnung (lacht)! Aber es könnte tatsächlich passiert sein (lacht). Das hat in mir auf jeden Fall die Überzeugung ausgelöst, dass ich Dinge selbst kreieren und in die Hand nehmen kann und nicht auf das Schicksal warten muss. Das wurde für mich zum Lebens-Motto. Damals war ich noch Student und hatte keine Ahnung, dass ich mal Manager werde.

Der Film hebt Ihre spirituelle Seite und ihre Freundschaft mit dem Dalai Lama hervor. Im Buddhismus ist das Ziel das Ego los zu lassen, einen Star zu kreieren ist hingegen komplett ego-orientiert?

SHEP GORDON
: Für mich sind Buddhismus und Ruhm keine Gegensätze. Natürlich sind das zwei unterschiedliche Welten, aber sie schließen sich nicht aus. Im Buddhismus geht es darum mitfühlend zu sein und loslassen zu können. Ich bin übrigens kein Buddhist, aber glaube an die Prinzipien. Genau das ist das wichtigste für jemanden, der berühmt ist. Sich nicht mit diesem Ruhm zu identifizieren und ihn loslassen zu können.
Also ist Buddhismus eine Lösung, um mit Erfolg und Ruhm gesund umzugehen?

SHEP GORDON
: Ja, um zu überleben. Loslassen ist so schwer, aber wenn man alles gegeben hat und weiß, dass man großartige Arbeit geleistet hat, wird es trotzdem immer jemanden geben, der es verreißt. Deshalb muss man sich davon lösen können, sonst geht man unter. Buddhismus ist keine Religion, sondern eine Lebenseinstellung.

Mr. Gordon, Sie sind mit den größten Stars Hollywoods befreundet und waren trotzdem etwas eingeschüchtert, als Sie den Dalai Lama das erste Mal getroffen haben?

SHEP GORDON
: Und wie! Oh mein Gott, eingeschüchtert drückt es nicht mal aus. Ich war schon total überwältigt, bevor ich ihn überhaupt getroffen habe. Ich bin so gesegnet und privilegiert. Ich durfte schon so viele Stunden in seiner Gegenwart verbringen. Ich überlege vorher immer, was ich ihn fragen könnte und studiere meine Fragen ein. Aber wenn ich ihm dann gegenüber sitze, kann ich nur danke sagen. Das ist alles. So nervös bin ich immer. Wirklich merkwürdig, ich habe es bisher nicht geschafft, auch nur eine Frage zu stellen. Aber er bringt automatisch so viel Positives in einem hervor, dass man vielleicht gar keine Fragen stellen muss. Er hat definitiv einen besseren Menschen aus mir gemacht (lacht).

INTERVIEW: Nadine Sieger