(TV-Kritik, 15.5.2011) Natürlich könnte man darüber diskutieren, ob es nicht an der Zeit wäre, auch Deutschland zu balkanisieren, um genügend wohlwollende Nachbarlandsstimmen abzugreifen. Vielleicht wäre es auch eine Überlegung wert, so etwas wie "One man, one vote" beim Eurovision Song Contest einzuführen, damit nicht die groteske Situation entsteht, dass die potentiell 3.2000 Stimmen aus dem Zwergstaat San Marino genau so viel zählen wie die potentiell 142 Millionen der Russischen Föderation.
Diese Diskussionen über solche Absonderlichkeiten gehören aber zum "Eurovision Song Contest" wie Käseigel und fiese Föhnfrisuren. Und hat es Lena im vergangenen Jahr nicht trotzdem geschafft, mit "Satellite" ganz Europa zu begeistern? Das Siegerland Aserbaidschan bekam nur dreimal 12 Punkte (Russland, Türkei und Malta) und schnitt mit dem leichtfüßigen und modernen Popsong "Running Scared" von Ell & Nikki so gut ab, weil es der Titel war, der in der Breite die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte und wohl kompositorisch das meiste Potential hat.
Sei's drum. Der beste musikalische Beitrag stand gar nicht zur Wahl. Denn das war Stefan Raabs Rockabilly-Version des Vorjahressieger-Titels "Satellite", die in einem bombastischen Big-Band- Feuerwerk mündete, 42 Lena-Doubles mit den Fahnen der Gastländer auf der Bühne tanzten und die echte Lena Meyer-Landrut mit in den Titel einstimmte. Überhaupt war es eine schwer unterhaltsame Moderatenleistung von Stefan Raab, Anke Engelke und der überraschend koketten kühlen Blonden Judith Rakers. Ganz großes Kino war die Bühne mit einer 18 x 60 Meter großen LED-Leinwand im Hintergrund.
Lena erreichte trotz eines tollen Auftritts mit dem erotischsten Hüftschwung und dem laszivsten Blick des Abends nur ihr Minimalziel Platz 10. Ihr leicht düsteres "Taken by a stranger" war wohl zu weit weg von der ansonsten eher fröhlichen ESC-Kost. Andere Teilnehmer wie der nach 1. Halbfinale hoch gehandelte finnische Bube Paradise Oscar mit seinem Weltverbessererlied "Da da dam" können mit einem ungünstigen Startplatz hadern, die ruhige Nummer ging am Anfang völlig unter, zumal der zweite Titel "Love in Rewind" (Dino Merlin) aus Bosnien und Herzegowina eher ruhig und konventionell war.
Auch dem bei den Buchmachern hoch gehandelten französischen Operntenor Amaury Vassili und seinem schwülstig intonierten und bombastisch in Szene gesetzten Bolero "Sognu" wurde durch den unmittelbar folgenden italienischen Beitrag "Madness of Love" von Raphael Gualazzi die Luft herausgelassen. Denn der Gewinner des "San Remo"-Festivals swingte sich wunderbar gelassen durch sämtliche Jazz-Klischees und landete als große Überraschung am Ende auf dem zweiten Platz.
Baku, die Hauptstadt des nächsten Gastgeberlands, ist laut Google Maps unglaubliche 5.533 km von Düsseldorf entfernt. Wie groß die kulturelle Entfernung ist, wird sich im kommenden Jahr zeigen.
Kai Rehländer
Diese Diskussionen über solche Absonderlichkeiten gehören aber zum "Eurovision Song Contest" wie Käseigel und fiese Föhnfrisuren. Und hat es Lena im vergangenen Jahr nicht trotzdem geschafft, mit "Satellite" ganz Europa zu begeistern? Das Siegerland Aserbaidschan bekam nur dreimal 12 Punkte (Russland, Türkei und Malta) und schnitt mit dem leichtfüßigen und modernen Popsong "Running Scared" von Ell & Nikki so gut ab, weil es der Titel war, der in der Breite die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte und wohl kompositorisch das meiste Potential hat.
Sei's drum. Der beste musikalische Beitrag stand gar nicht zur Wahl. Denn das war Stefan Raabs Rockabilly-Version des Vorjahressieger-Titels "Satellite", die in einem bombastischen Big-Band- Feuerwerk mündete, 42 Lena-Doubles mit den Fahnen der Gastländer auf der Bühne tanzten und die echte Lena Meyer-Landrut mit in den Titel einstimmte. Überhaupt war es eine schwer unterhaltsame Moderatenleistung von Stefan Raab, Anke Engelke und der überraschend koketten kühlen Blonden Judith Rakers. Ganz großes Kino war die Bühne mit einer 18 x 60 Meter großen LED-Leinwand im Hintergrund.
Lena erreichte trotz eines tollen Auftritts mit dem erotischsten Hüftschwung und dem laszivsten Blick des Abends nur ihr Minimalziel Platz 10. Ihr leicht düsteres "Taken by a stranger" war wohl zu weit weg von der ansonsten eher fröhlichen ESC-Kost. Andere Teilnehmer wie der nach 1. Halbfinale hoch gehandelte finnische Bube Paradise Oscar mit seinem Weltverbessererlied "Da da dam" können mit einem ungünstigen Startplatz hadern, die ruhige Nummer ging am Anfang völlig unter, zumal der zweite Titel "Love in Rewind" (Dino Merlin) aus Bosnien und Herzegowina eher ruhig und konventionell war.
Auch dem bei den Buchmachern hoch gehandelten französischen Operntenor Amaury Vassili und seinem schwülstig intonierten und bombastisch in Szene gesetzten Bolero "Sognu" wurde durch den unmittelbar folgenden italienischen Beitrag "Madness of Love" von Raphael Gualazzi die Luft herausgelassen. Denn der Gewinner des "San Remo"-Festivals swingte sich wunderbar gelassen durch sämtliche Jazz-Klischees und landete als große Überraschung am Ende auf dem zweiten Platz.
Baku, die Hauptstadt des nächsten Gastgeberlands, ist laut Google Maps unglaubliche 5.533 km von Düsseldorf entfernt. Wie groß die kulturelle Entfernung ist, wird sich im kommenden Jahr zeigen.
Kai Rehländer