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Wer verdient die Dschungelkrone?

Wer verdient die Dschungelkrone?
Ein würdiger König? Daniele Negroni RTL

Dschungelcamp, Tag 14: Noch vier harren aus, um am Samstag Dschungelkönig/in zu werden. Wer hat's verdient, wer nicht? Das Nachdenken darüber gerinnt zeitweise zur Hommage an Larissa Marolt.

Bald ist der diesjährige Dschungel-Spuk vorbei, und die Frage drängt sich auf, ob RTL wie bei DSDS auch dieses Format noch jahrelang halbherzig am Leben lässt. Zu unspektakulär war der "Star"-Zirkus mal wieder. Schon am Einzugstag absolvierten alle Kandidaten ergeben die ihnen jeweils zugedachte Dschungelprüfung wie Wähler, die sich eine bestimmte Politikrichtung als alternativlos andrehen lassen.

Stoisch machten sie auch danach fast alles mit und langweilten nicht nur die Zuschauer, sondern auch einander. Selbstoptimierung und Resilienz - hier hat es mal geklappt. RTL fiel nicht viel ein, um die Sache interessanter zu gestalten. Immer ekligere Prüfungen, bei denen literweise Urin eingesetzt wurde (Natascha: "Stell dir vor, es wäre Apfelsaft"), Frusterzeugung durch willkürlich platzierte Alles-oder-Nichts-Prüfungen und Raucher quälen - damit mag man die sadistischen Zuschauertypen amüsieren können. Andere aber nicht.

Sozialvoyeure sehen lieber, wenn arrogante Typen abgestraft werden. Wie 2015 Mathieu Carriere, der die junge Nervensäge Sarah Knappik auf Knien anflehte, ihn von ihrer Gegenwart zu befreien. Der seinen Buddy Peer Kusmagk fallen ließ, als der beim Mobbing nicht mitmachte. Und erleben musste, dass Kusmagk dann König wurde. Das Publikum belohnte soziale Kompetenz. Soft skills. Ist der Mensch doch nicht schlecht, nicht mal der RTL-Zuschauer?
Träumen von Larissa
Foto: RTL, Die legendäre Larissa Marolt
Larissa Marolt wurde 2014 Zweite. Auch sie wurde von den Mitcampern gemobbt, stolperte ständig ("Wenn ich mir das Genick breche, verklage ich RTL"), gab aber nicht klein bei und schenkte uns wunderbare Geschichten z. B. über den Hausburschen Engelbert im elterlichen Hotel. "Der ist die ganze Zeit besoffen, er hat meinen Vater angespuckt und mit dem Besen geschlagen... Der Engelbert ist halt jemand, der säuft die ganze Nacht, schläft auf der Wiese, steht auf und kehrt weiter. Der geht nicht mal heim. Das ist sein Leben. Der arbeitet, dann trinkt er, und arbeitet und trinkt. Das ist eigentlich traurig, aber er ist glücklich."

Auch Pauli, der Abwäscher wurde gewürdigt. "Der ist der netteste Typ auf Erden. Das ist der, der seine Alimente nicht bezahlen kann und ab und zu in den Knast muss."

Larissa holte in 10 Prüfungen (Weltrekord!) viele Sterne für die Gruppe, obwohl die nicht gerade nett zu ihr war. Aber was ihr widerstrebte, machte sie nicht: "Ich esse keine Schmetterlinge!" Oder "Sollt eine Spinne irgendwo sein - ich mache es nicht. Buunkt."

Larissa war investigativ ("Sind das Tintenfische? Oder ist das ein Huhn?"), kalkulierte durchaus rational ("Kannst du mal nachfragen, wie lange ich drinbleiben muss, dass ich meine Kohle krieg'!") und war lernfähig: "Das ist alles so widerlich. In Zukunft lese ich mir den Vertrag durch und schaue mir Sendungen an, bevor ich mitmache."

Auch schob sie nicht die Nummer "Die Leute sollen sehen, wie ich wirklich bin". Sondern sie brachte das Format auf den Buunkt: "Schau dir die Scheiße an hier! Wo ist Gott, wenn man ihn braucht?"

Es kann nur eine Larissa geben, klar. Deshalb kehre ich jetzt widerwillig zur Gegenwart zurück. Wer ist noch da, wer hat die Krone verdient?
Wer holt die Dschungelkrone?
Tina York ist derzeit die Favoritin bei meinen Kollegen und auch bei der genialen Dschungel-Kolumnistin Anja Rützel (Spiegel-Online). Obwohl sie schwer schwächelt und kaum was macht. Tina stellte schon von Anfang an klar, dass sie bloß das Geld braucht. Sie schläft viel, mit halb-offenen Augen und offenem Mund, und wurde sowohl vom Publikum als auch von der Gruppe geschont, was Prüfungen angeht. Aber sie strahlt Würde aus, was hier ein bisschen merkwürdig klingen mag. Tina schiebt nachts am Lagerfeuer drei Schichten nacheinander, weil die anderen ja die Ekel-Arbeit machen. Und weil sie meint, ohnehin nicht schlafen zu können. Sie war nie garstig zu jemandem. (Die Raucher-Beschimpfungen gegen Daniele sind menschlich und scheinen von der Regie verzweifelt zusammengeklaubt.) Tina sagte, als sie Teamchefin wurde: "Ich bin nicht geübt im Kommandieren, ich werde euch einfach bitten." Sie will nur endlich ins Hotel. Aber bei ihr hat man den Eindruck, dass die Zuschauer sie tatsächlich sympathisch finden, wenn sie dennoch immer wieder für sie anrufen und damit ihren Verbleib im Camp besiegeln. Tina ginge für mich in Ordnung, zumal sie immer mehr der wunderbaren Brigitte Mira ähnelt.

Daniele: Verdient hätte er es auch. Er ist nie großkotzig aufgetreten, bezeichnete sich als dumm, obwohl er oft klarsichtiger war als alle anderen ("Das was ihr macht, ist Psychoterror, und ich checke das langsam"), er dachte sich vorab den Gag mit den im Dunkel leuchtenden Haaren aus. Dass das nicht klappte, liegt an seinem Friseur, nicht an ihm. Dass RTL sich darauf fokussiert, ihn als Raucher mit Entzug zu quälen, um die Gruppe zu entzweien, ist RTLs Sache, nicht seine. Er kann durchaus noch an den richtigen Adressaten artikulieren, worum es ihm geht: " Ich bitte die Produktion herzallerliebst. Nehmt mir alles weg, gebt mir einfach nur eine Zigarette!" Wenn es um Musik geht, ist der Sänger trotz Schmachter begeistert dabei, selbst wenn er als zweite Stimme was Ekliges gurgeln muss. Daniele mobbt niemanden. Die Tauchübung hat er gestern hervorragend absolviert - alle Sterne geholt. Alpaka-Rippchen gab's dafür. Daniele lachte irre, das hat schon was Königliches.

Jenny: Vorgestellt als kleine dumme Schwester von Daniela Katzenberger, so sah sie sich anfangs auch selbst, ist sie auf dem Emanzipationspfad. Hej, die Schwester ist Reality-Star, aber Jenny jetzt in gewisser Weise auch, sie muss sich nicht ducken. Eine Styling-Beratung vom Honorar wäre nicht schlecht, dann aus der Öffentlichkeit zurückziehen und auf die Beziehung warten, die sie sich ersehnt. Mach das, Jenny! Das Dschungel-Honorar hast du schon mal. Und solltest du doch in der Branche bleiben, nie wieder sagen: "Ich war mal im Hintergrund beim Hasselhoff-Interview gestanden."

David soll ja die Bachelorette bezaubert haben. Verzaubert er auch die Anruferinnen? Er ist nicht hässlich, er ist recht jung, er bleibt bei allem bemerkenswert cool. Sehr cool. Emotionen beuteln ihn nicht, auch nicht der Nikotinentzug. Reicht das?

Privatfernsehen und ein Ekelformat müssen nicht zwangsläufig niedere Instinkte befördern, um erfolgreich zu sein, wie wir oben sahen. Wie wäre es, in dieser Richtung mal weiter zu denken? In der allerersten Big-Brother-Staffel mussten damals die Kandidaten noch über vorgegebene Themen diskutieren. Nachdenken! Das könnte im Dschungel doch auch mal stattfinden (auch wenn es manchen vielleicht mehr stresst als eine Ekelprüfung), dass zum Beispiel die Camper ihre Situation mit Flüchtlingen in einem Langzeitlager detailliert vergleichen. Aufenthaltsdauer, Einkommen, Perspektive. Oder so.

Oder mal Zwegat vorbeischicken, zur Schuldnerberatung. Obwohl - das hieße heftige Disruption für die RTL-Recruiting-Abteilung. Wer kommt dann noch, wer bleibt bis zum Schluss? Das macht RTL wohl nicht.

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