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Die Geschichte der Hammer Studios

Die Geschichte der Hammer Studios
Christopher Lee in "Dracula" Arte

Die Doku "Dark Glamour" erzählt, wie die legendären britischen Hammer-Studios in den Sechzigerjahren einen Horrorkult lostraten.

Es spielt im viktorianischen Zeitalter. Ein düsteres Schloss auf ­einem Berg, umgeben von dunklem Wald, ein Dorf mit verängstigten Bewohnern, junge Leute, die alle Warnungen in den Wind schießen, und ein mysteriöser Graf, der erst seine Gäste bewirtet - um sich später um sein Wohl zu kümmern...

Soweit die Ingredienzen für ein Genre, das bei Fans unter dem Synonym Hammer-Horror firmiert und für Gothic-Grusel englischer Machart steht. Die Doku "Dark Glamour" erzählt jetzt die Chronik der Hammer-Filmproduktion. In den 1930er-Jahren gegründet, sorgt sie ab Ende der 50er-Jahre mit der Wiederbe­lebung des klassischen Universal-Horrorpersonals - Dracula, Frankenstein, Mumie, Werwolf - für Furore und inspirierte etliche Filmemacher. "Die sprangen einem direkt ins Gesicht. Das war völlig neu. Großartig", so Regie-Altmeister John Carpenter ("Halloween"). Für den Erfolg wesentlich mitverantwortlich und neben markerschütternden Schreien vollbusiger Frauen fester Bestandteil fast sämtlicher Produktionen waren zwei Akteure: Christopher Lee, dessen Physiognomie bei entsprechender Beleuchtung so wirkte, als sei sie aus verschiedenen Teilen zusammengestückelt worden, und der vor allem durch TV-Rollen bekannte ­Peter Cushing, der in Hammer-Filmen zum Prototyp des wahnsinnigen Wissenschaftlers mutierte.

Horror war zwar keine Erfindung der britischen B-Film-Schmiede, aber ein Beschleuniger. Als "Frankensteins Fluch" das Blut erstmals in knalligem Rot über die Leinwand fließen ließ und "Dracula" dem Grusel außerdem eine erotische Variante verlieh, gab es kein Halten mehr. Hammer lieferte in den 60ern einen Gruselklassiker nach dem anderen: "Dracula und seine Bräute", "Der Fluch von Siniestro", "Nächte des Grauens". An den Kinokassen standen die Teenager Schlange.
Heute genießen 70er-Filme wie "Frankensteins Höllenmonster" oder "Dracula jagt Mini-Mädchen" wegen ihres trashigen Charmes Kultstatus, ebenso Produktionen mit deutscher Beteiligung wie "Captain Kronos" mit Horst Janson als Vampirjäger, "Bestien lauern vor Caracas" mit ­Hildegrad Knef oder "Die Braut des Satans" mit Nastassja Kinski.
Der Fall: Horror wird Mainstream
Foto: Arte, Raquel Welsh in "Eine Million Jahre vor unserer Zeit"
Ausgerechnet ein Brite, Alfred Hitchcock, brachte das Studio in die Bredouille, als er 1960 mit "Psycho" den Horror in die Gegenwart und auf eine neue Ebene hob. Eine Konkurrenz, der man sich mit neuer Härte - der fünfte Dracula-Film "Nächte des Entsetzens" war erst ab 18 freigegeben - ebenso zu erwehren suchte wie mit neuen Sujets: Mit Raquel Welch im Bikini und Trickdinos in "Eine Million Jahre vor unserer Zeit", mit "Schulmädchen-Report"-Sex in "Nur Vampire küssen blutig" oder mit fernöstlichem Kung-Fu wie in "Die sieben goldenen Vampire" .

Doch auf Dauer verlor das angestammte Gruselpersonal seinen Schrecken. Mit dem Erfolg von "Der Exorzist" 1973 wurde Horror mainstreamtauglich, und Hammers Charme rutschte ins Nostalgische ab. 30 Jahre später entdecken Investoren, darunter "Big Brother"-Produzent John de Mol, das "House of Horror" wieder. Neben neu produzierten Filmen wie "Die Frau in Schwarz" ließen sie mehr als 30 Horrorklassiker für eine Veröffentlichung auf Blu-ray restaurieren und zum Teil um Szenen erweitern, die damals der Schere zum Opfer fielen. Hammer.

Autor: Heiko Schneider

Dark Glamour - Aufstieg und Fall der Hammer Studios
So, 6.8. Arte 21.55 Uhr
Markante Hammer-Filme
Dracula (1958)
Der Fürst der Finsternis als verführerischer Casanova.

Frankensteins Fluch (1957)
Das farbige Schauermärchen begründet den Kultruf.

Dracula jagt Mini-Mädchen (1972)
Schlaghosen und wallende Haare: der Vampir in ­Swinging London.

Ein Toter spielt Klavier (1961)
Spannend, aber unblutig. Schwarz-Weiß-Thriller als Reaktion auf Hitchcocks "Psycho".

Nächte des Grauens (1965)
Der einzige ­Zombiefilm gilt als einer der besten Hammer-Filme.

Gruft der Vampire (1970)
Mehr Gewalt, mehr Erotik: nackte Brüste, lesbische Szenen etc.

Eine Million Jahre vor unserer Zeit (1966)
Steinzeitfantasy mit Dinos und Raquel Welch.