Wie geht deutscher Fußball?
Das Problem mit den Deutschen ist ja, dass sie immer jemand anderes sein möchten. Bei der WM 2006 wollten die Deutschen so sein wie die Engländer. Sie spielten jenen schnellen One-Touch-Fußball, wie ihn Teamchef Jürgen Klinsmann auf der Insel in der Premier League erlebt hat. Es begann die Sturm-und Drang-Zeit von Poldi und Schweini, die erst in der Verlängerung des Halbfinales (0:2 gegen Italien) endete.
Vier Jahre später in Südafrika wollten die Deutschen so sein wie die Spanier. Sie kopierten das Tiki-Taka der Iberer und verloren 0:1 im WM-Halbfinale gegen eine Mannschaft, die das Copyright darauf hat.
In Brasilien sind die Tempobolzer aus England und die Passkünstler aus Spanien schon in der Vorrunde ausgeschieden. Die Deutschen haben ihre Vorbilder verloren und geben der Welt einige Rätsel auf. Erst boten sie streckenweise Hochgeschwindigkeitsfußball gegen Portugal (4:0), dann einschläfernden Ballbesitzfußball zu Beginn gegen Ghana, ohne Zug zum Tor, schließlich einen wilden Schlagabtausch in der zweiten Halbzeit. Nur über den Kampf, angeblich eine deutsche Tugend, kamen sie noch zu einem 2:2-Unentschieden. Sollte Joachim Löw seine Spieler etwa angewiesen haben, das Tempo herauszunehmen? Mit welchem Fußball will er in Brasilien den Titel holen?
Den größten Block in der Nationalmannschaft bilden wieder die Angestellten des FC Bayern. Sie bringen nicht nur ihre Form und ihre Fitness mit ins Turnier, sondern auch ihre Spielweise und die Ideen ihres (Vereins-)Trainers. So verwunderte es nicht, dass die deutsche Elf bei der WM 2010 so ähnlich spielte wie der FC Bayern unter Louis van Gaal. Der Holländer brachte dem Rekordmeister taktisch disziplinierten und begeisternden Offensivfußball bei, und er holte junge Spieler aus der Jugend in die erste Mannschaft. David Alaba, Holger Badstuber, Thomas Müller. Davon profitierte der Bundestrainer. "Thomas Müller spielt immer", lobte van Gaal den späteren WM-Torschützenkönig.
In Brasilien spielen die Deutschen jetzt so ähnlich wie der FC Bayern unter ihrem neuen spanischen Trainer Pep Guardiola. Auch Löw hat seinen besten Außenverteidiger, Philipp Lahm, auf die Position des Sechsers gestellt und sein Mittelfeld um ihn herum gebaut. Gegen Portugal wie gegen Ghana unterliefen ihm in der Defensive ungewohnte, haarsträubende Abspielfehler, einer führte zur zwischenzeitlichen 2:1-Führung der Afrikaner, dazu zog er in Zweikämpfen meist den Kürzeren.
Seltsamerweise verweigerte am Samstagabend Mehmet Scholl als ARD-Experte seinen Dienst, als er es in der Nachbetrachtung ablehnte, Lahms Rolle zu thematisieren. "Weil halb Deutschland jetzt darüber reden wird, ob Lahm richtig positioniert ist, werden wir nicht darüber reden."
Wir schon. Auf der rechten Außenseite ist Lahm eine Bank gewesen. Dort klebt nun Mesut Özil fest.
Taktgeber im Zentrum ist - wie beim FC Bayern - Toni Kroos, der präzise passt wie kein Zweiter, aber dazu neigt, das Tempo zu verschleppen. Kroos verteilte die Bälle gegen Ghana in Seelenruhe kreuz und quer um den Strafraum herum. Selten spielte der Münchner in die Spitze, wo Thomas Müller lauerte. Allein auf sich gestellt, rasselte der Oberbayer ein ums andere Mal mit der ghanaischen Viererkette zusammen.
Mit Guardiola teilt Löw seine Abneigung gegen klassische Stürmer. Lieber bietet er vorne seine überaus talentierten Mittelfeldspieler auf. Miroslav Klose durfte erst spät als Retter ran. Dass aus Mario Götze in diesem Leben kein richtiger Stürmer mehr wird, zeigte der Neu-Bayer mit seinem kuriosen Kopf-Knie-Tor zur kurzfristigen 1:0-Führung.
"Deutschland greift auf seinen Plan B zurück und erreicht mit einem Fußball der klassischen deutschen Art ein Remis gegen ein energisches Team aus Ghana", schreibt die spanische Zeitung "El País" über das in der zweiten Halbzeit sehr spannende Duell. "Die Hauptfigur war diesmal nicht Thomas Müller, der Repräsentant des modernen Fußballs, sondern der Oldtimer Miroslav Klose."
"Nur wer schön spielt, gewinnt Titel", lautet das Credo von Joachim Löw, der uns gemeinsam mit Jürgen Klinsmann vom Rumpelfußball der Nuller Jahre befreit hat. Löw will Titel gewinnen, aber er will dem Fußball auch etwas geben. Eine Mannschaft mit einem eigenen, unverwechselbaren Stil. Diesen hat seine Elf noch nicht gefunden.
Helmut Monkenbusch
In Brasilien sind die Tempobolzer aus England und die Passkünstler aus Spanien schon in der Vorrunde ausgeschieden. Die Deutschen haben ihre Vorbilder verloren und geben der Welt einige Rätsel auf. Erst boten sie streckenweise Hochgeschwindigkeitsfußball gegen Portugal (4:0), dann einschläfernden Ballbesitzfußball zu Beginn gegen Ghana, ohne Zug zum Tor, schließlich einen wilden Schlagabtausch in der zweiten Halbzeit. Nur über den Kampf, angeblich eine deutsche Tugend, kamen sie noch zu einem 2:2-Unentschieden. Sollte Joachim Löw seine Spieler etwa angewiesen haben, das Tempo herauszunehmen? Mit welchem Fußball will er in Brasilien den Titel holen?
Den größten Block in der Nationalmannschaft bilden wieder die Angestellten des FC Bayern. Sie bringen nicht nur ihre Form und ihre Fitness mit ins Turnier, sondern auch ihre Spielweise und die Ideen ihres (Vereins-)Trainers. So verwunderte es nicht, dass die deutsche Elf bei der WM 2010 so ähnlich spielte wie der FC Bayern unter Louis van Gaal. Der Holländer brachte dem Rekordmeister taktisch disziplinierten und begeisternden Offensivfußball bei, und er holte junge Spieler aus der Jugend in die erste Mannschaft. David Alaba, Holger Badstuber, Thomas Müller. Davon profitierte der Bundestrainer. "Thomas Müller spielt immer", lobte van Gaal den späteren WM-Torschützenkönig.
In Brasilien spielen die Deutschen jetzt so ähnlich wie der FC Bayern unter ihrem neuen spanischen Trainer Pep Guardiola. Auch Löw hat seinen besten Außenverteidiger, Philipp Lahm, auf die Position des Sechsers gestellt und sein Mittelfeld um ihn herum gebaut. Gegen Portugal wie gegen Ghana unterliefen ihm in der Defensive ungewohnte, haarsträubende Abspielfehler, einer führte zur zwischenzeitlichen 2:1-Führung der Afrikaner, dazu zog er in Zweikämpfen meist den Kürzeren.
Seltsamerweise verweigerte am Samstagabend Mehmet Scholl als ARD-Experte seinen Dienst, als er es in der Nachbetrachtung ablehnte, Lahms Rolle zu thematisieren. "Weil halb Deutschland jetzt darüber reden wird, ob Lahm richtig positioniert ist, werden wir nicht darüber reden."
Wir schon. Auf der rechten Außenseite ist Lahm eine Bank gewesen. Dort klebt nun Mesut Özil fest.
Taktgeber im Zentrum ist - wie beim FC Bayern - Toni Kroos, der präzise passt wie kein Zweiter, aber dazu neigt, das Tempo zu verschleppen. Kroos verteilte die Bälle gegen Ghana in Seelenruhe kreuz und quer um den Strafraum herum. Selten spielte der Münchner in die Spitze, wo Thomas Müller lauerte. Allein auf sich gestellt, rasselte der Oberbayer ein ums andere Mal mit der ghanaischen Viererkette zusammen.
Mit Guardiola teilt Löw seine Abneigung gegen klassische Stürmer. Lieber bietet er vorne seine überaus talentierten Mittelfeldspieler auf. Miroslav Klose durfte erst spät als Retter ran. Dass aus Mario Götze in diesem Leben kein richtiger Stürmer mehr wird, zeigte der Neu-Bayer mit seinem kuriosen Kopf-Knie-Tor zur kurzfristigen 1:0-Führung.
"Deutschland greift auf seinen Plan B zurück und erreicht mit einem Fußball der klassischen deutschen Art ein Remis gegen ein energisches Team aus Ghana", schreibt die spanische Zeitung "El País" über das in der zweiten Halbzeit sehr spannende Duell. "Die Hauptfigur war diesmal nicht Thomas Müller, der Repräsentant des modernen Fußballs, sondern der Oldtimer Miroslav Klose."
"Nur wer schön spielt, gewinnt Titel", lautet das Credo von Joachim Löw, der uns gemeinsam mit Jürgen Klinsmann vom Rumpelfußball der Nuller Jahre befreit hat. Löw will Titel gewinnen, aber er will dem Fußball auch etwas geben. Eine Mannschaft mit einem eigenen, unverwechselbaren Stil. Diesen hat seine Elf noch nicht gefunden.
Helmut Monkenbusch