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Der WM-Blog

Deutscher Humor

Von Pferdeküssen und Menschenbissen

Im Achtelfinale bewiesen Löw & Co. komödiantisches Gespür. Die meisten Zuschauer dürften auf Müllers Trick hereingefallen sein.

Deutscher Humor

Schauspieler, die im Theater eine Komödie aufführen, spielen ja nicht komisch. Sie spielen vielmehr ernst in einer Situation, die im besten Fall lustig ist. Auf der Weltbühne des Fußballs geht es mitunter nicht anders zu. Im WM-Achtelfinalspiel Deutschland gegen Algerien beispielsweise trugen die deutschen Nationalspieler kurz vor Schluss mit großem Eifer und tierischem Ernst einen Freistoß vor, der inzwischen bei YouTube unter "Funny Free Kick" zu finden ist.

Die meisten Zuschauer dürften auf den Trick hereingefallen sein, allein ZDF-Kommentator Béla Réthy, offenbar ein Mann des Theaters, ließ sich nicht so leicht hinters Licht führen: "Eine spezielle Variante mit Stolpern und Hinfallen", mutmaßte Réthy. "Thomas Müller wird ja immer gern mit dem bayerischen Humoristen Karl Valentin verglichen - diese Aktion hätte er gut in einem seiner Sketche beschreiben können."

Es war die 88. Minute. Freistoß für Deutschland, 20 Meter vor dem Tor. Weil es so schön war, fassen wir es noch mal kurz zusammen. Kroos, Müller, Özil und Schweinsteiger stehen am Ball, auf ihren Gesichtern spiegelt sich die pure Entschlossenheit. Der Pfiff. Schweinsteiger läuft an, springt über den Ball und macht scharf kehrt. Dann läuft Müller an, er stürzt, schwingt sich auf und sprintet hinter die Mauer. Kroos schießt, aus dem Stand hebt er den Ball zu Müller... nein, in die Mauer. Schweinsteiger, der Kroos inzwischen umrundet hat, dringt wieder in den Strafraum ein. Özil guckt zu. Der Schiedsrichter entscheidet auf Abseits. Gelächter und Pfiffe von den Rängen.

Was die Zuschauer nicht ahnen: Das alles war Absicht. Kein deutscher Rumpelfußball, sondern deutsches Theater! Nach dem Schlusspfiff klärte der Komiker und Volksfußballer Müller die kuriose Szene im ZDF auf. "Es hat fast funktioniert", sagte er. "Ich weiß nicht, ob wir es wieder machen werden, aber ich fand, es war eine gute Variante. Es war schon bewusst so." Und es war zweifelsohne ein toller Regieeinfall von Joachim Löw.

Es gehört zu den großen Verdiensten des Bundestrainers, dass er neben dem spielerischen Potenzial auch die komischen Talente seiner Spieler zur Entfaltung bringt. Das Geheimnis seines Erfolges? Wie bei einer guten Komödie kommt es ihm beim Fußball darauf an, seine Protagonisten in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen. Dann zu sehen, wie sie sich aus dieser Bedrängnis herauswinden, kann sehr lustig sein, es ist auf jeden Fall spannend.

Gegen Algerien zog Löw seine beiden Innenverteidiger so weit nach vorn, dass sie bei Kontern immer wieder in Laufduelle verwickelt wurden. In diesen Sprints nach hinten durfte vor allem Mertesacker, der bekanntlich nicht der schnellste ist, ansonsten aber souverän verteidigt, auch mal eine andere Seite von sich zeigen. Eine, die seine menschlichen Schwächen, seinen Hang zur Gemächlichkeit offenbarte. Sonderapplaus von Löw! Auch dafür, dass sein Abwehrchef hinterher den Gegner lobte. "Das ist keine Karnevalstruppe!"

Dass die Vorgabe des Trainers nicht zu Gegentoren führte, war wiederum das Verdienst des neuen deutschen Liberos Manuel Neuer. Neben seiner Rolle als Keeper stoppte er etliche gefährliche Angriffe der Algerier weit vor seinem Kasten, indem er humorlos dazwischen grätschte. Auf der Außenseite brachte Löw die gelernten Innenverteidiger Höwedes und Mustafi sogar in eine zweifache Notlage, weil sie nebenher auch noch stürmen und flanken sollten, was sie nachweislich nicht beherrschen. Kaum ein Pass kam an. Sehr witzig, Herr Löw!

Auf rechts beordert, findet auch der früher im Zentrum teils überragende Mesut Özil nicht wie gewohnt ins Spiel. Hängende Schultern, leerer Blick, aus Özil ist ein Kicker von trauriger Gestalt geworden. Trotz seines Tores zum zwischenzeitlichen 2:0 hatte sein Auftritt etwas Tragikomisches.

Und auf welcher Position ist Philipp Lahm lustiger? Über seine Rolle streitet inzwischen das ganze Land. Der beste rechte Verteidiger der Welt startete wieder im defensiven Mittelfeld. Als Sechser waren ihm in den ersten WM-Spielen einige groteske Fehler unterlaufen. Erst als Lahm gegen Algerien zurück nach hinten wechselte, bekamen die Deutschen ihre Probleme in der Abwehr halbwegs in den Griff. Gerade noch rechtzeitig, um eine Tragödie abzuwenden.

Gegen Frankreich dürfte Löw wieder den einen oder anderen Positionswechsel vornehmen. Die Welt soll erfahren, wo der Humor zu Hause ist.

Helmut Monkenbusch