Als Meister des Thrills gefeiert, als bloße Hitchcock-Kopie missachtet. Als großer Stilist gefeiert, für seine oft trashigen Over-the-Top-Inszenierungen verlacht. Kaum ein Regisseur ist so umstritten wie Brian De Palma (*1940), der sich mit fünf Goldene-Himbeeren-Nominierungen als schlechtester Regisseur einen zweifelhaften Rekord mit Michael Bay und Renny Harlin teilt.

Versuchte er in den 1960er-Jahren noch, mit experimentellen Filmen der amerikanische Godard zu werden, spezialisierte er sich in den 70er-Jahren unter dem Einfluss von Alfred Hitchcock, den er in seinen Filmen immer wieder zitierte, auf den (Psycho-)Thriller.

In den späten 80er- und den 90er-Jahren versuchte er sich mit wechselndem Erfolg in anderen Genres: Krimi ("Die Unbestechlichen"), Kriegsfilm ("Die Verdammten des Krieges"), Satire ("Fegefeuer der Eitelkeiten"), Action ("Mission: Impossible") und sogar Science Fiction ("Mission to Mars"). Im neuen Jahrtausend machte sich De Palma zunehmend rar, in seinen wenigen Arbeiten widmete er sich wieder dem Thriller, mal überzeugend ("Femme Fatale") mal weniger ("Passion").

Wir würdigen den schilldernden Regisseur mit der einzigen Art und Weise, die seinem umstrittenen Werk angemessen scheint: Mit seinen fünf besten und fünf schwächsten Filmen.

Die fünf besten Filme von Brian De Palma

5. Blow Out - Der Tod kennt keine Spuren (1981)

Hier erweist De Palma nicht nur Hitchcock, sondern auch, wie der Titel zeigt, Michelangelo Antonionis "Blow Up" seine Referenz. Toningenieur Jack (John Travolta) soll einen Schrei für eine Mordszene besorgen. Auf seiner Geräuschejagd wird er zufällig Zeuge eines Unfalls. Jack kann noch die Hure Sally (Nancy Allen) retten, aber ihr Begleiter stirbt. Auf den Tonbändern hört Jack einen Schuss. War das Unglück etwa gar keins? Der Paranoia-Thriller ist eine clevere, subtile Abhandlung über die Unzuverlässigkeit von Wahrnehmung.

4. The Untouchables - Die Unbestechlichen (1987)

"Wenn Leute einfach aufeinander schießen, ist das langweilig. Wenn man das aber mit einer guten Geschichte spannend verknüpft, wird es zur visuellen Kraft". In diesem Sinne schuf De Palma im Stil klassischer Gangsterfilme ein gewaltiges Krimi-Epos über den Kampf von vier unbestechlichen Cops (u.a. Kevin Costner, Sean Connery) gegen den mächtigen Al Capone (Robert De Niro). Legendär ist der Showdown im Bahnhof: De Palmas filmische Verbeugung vor Sergej Eisensteins Klassiker "Panzerkreuzer Potemkin" ist an Dramatik kaum zu toppen.

3. Scarface (1982)

Mehr als "nur" ein Remake des Gangsterklassikers von Howard Hawks (1932). De Palma und Autor Oliver Stone verlegen den Mafiaklassiker in die harte Epoche von "Miami Vice" - in elegischen Bildern und epischer Breite, ohne aber an Schärfe zu verlieren. Bei De Palma ist der Titelheld (Al Pacino) einer der 125 000 Kubaner, die Fidel Castro 1980 in die USA ausreisen lässt. Im Drogenhandel macht Tony "Scarface" Montana schnell Karriere - und spannt seinem Exboss die Braut Elvira (Michelle Pfeiffer) aus. Vollgekokst sieht er sich auf dem Gipfel seiner Macht nur noch von Feinden umzingelt...

2. Carrie (1976)

Nicht mit einem Thriller, sondern mit diesem lupenreinen Horror, der ersten Stephen King-Verfilmung überhaupt, gelang De Palma der große Durchbruch. Sein greller Kleinstadt-Horror ist ein komplexes Spiel um Sexualität und Religion: Mauerblümchen Carrie (Sissy Spacek) leidet unter den Mitschülern (John Travolta u. a.) und ihrer Mutter. Aber sie rächt sich mit übersinnlichen Kräften.

1. Dressed to Kill (1980)

Der Höhepunkt von De Palmas klassischer Thriller-Phase: Als die reife Schönheit Kate (Angie Dickinson) bestialisch ermordet wird, sieht die Hure Liz (Nancy Allen) die Täterin flüchten: eine große Blondine! Liz fürchtet nun selbst um ihr Leben und spielt mit dem Sohn der Ermordeten Detektiv. Kann ihnen Kates Psychiater Dr. Elliott (Michael Caine) dabei helfen? - Hitchcock-Fan De Palma macht seinem Vorbild alle Ehre und baut die Spannung sehr geschickt auf. Nebenbei liefert er einen Essay zum Thema Voyeurismus. Wir sehen lauter "verbotene" Bilder bis hin zu den Sexualfantasien einer reifen Ehefrau.

Die fünf schlechtesten Filme von Brian De Palma

5. Mein Bruder Kain (1992)

Bei dem Film über einen Psychologen mit Persönlichkeitsspaltung (eines der Lieblingsthemen De Palmas) zeigt sich auch der Regisseur gespalten: Er wechselt die Ebenen, bis man den Faden verliert. Genauso exaltiert wie die durch übertriebene Horroreffekte oft unfreiwillig komische Inszenierung ist auch das grauenhafte Overacting von John Lithgow. Schauspielerführung war aber noch nie die Stärke von De Palma.

4. Teufelskreis Alpha (1978)

Der Sohn von Ex-CIA-Agent Johnson (Kirk Douglas) wurde aufgrund seiner telekinetischen Fähigkeiten gekidnappt. Die übersinnlich begabte Gilian (Amy Irving) soll Johnson bei der Befreiung helfen... Nach "Carrie" beschäftigt sich De Palma wieder mit der destruktiven Kraft der Gedanken, hier allerdings in Form eines kruden Verschwörungsthrillers mit einer lachhaft schlecht inszenierten Zeitlupenszene.

3. Black Daliah (2006)

Die Polizisten Bucky (Josh Hartnett) und Lee (Aaron Eckhart) sollen 1947 in Los Angeles den bestia-lischen Mord an einem Starlet, genannt "Die schwarze Dahlie", klären. Nicht nur Lee und seine Freundin Kay (Scarlett Johansson) verschweigen dabei so einiges, sondern auch Buckys Affäre Madeleine (Hilary Swank). Wie oft in seinem Spätwerk schießt De Palma hier völlig übers Ziel hinaus, z.B. mit einer unnötigen und auch handwerklich holprigen Kreisfahrt der Kamera. Seine konfuse, trashige Hommage an den klasisischen Film Noir nach einem Roman von James Ellroy krankt auch an Skriptschwächen.

2. Mission to Mars (2000)

Der Weltraum ist nicht das Terrain des Großstadtfilmers De Palma. Trotz großartiger Optik scheitert sein Ausflug in All. Nachdem die erste Marsexpedition scheitert, wird ein Suchtrupp (u. a. Tim Robbins und Gary Sinise) losgeschickt. Auf dem roten Planeten macht das Team eine erstaunliche Entdeckung... Unsägliche Story aus Versatzstücken von "2001 - Odyssee im Weltraum", "E.T." und "The Abyss": mit einem peinlichen, seifigen Finale.

1. Passion (2012)

Mit der Neuverfilmung von Alain Corneaus "Liebe und Intrigen" von 2010 kehrt De Palma in das Genre zurück, das er früher meisterhaft beherrschte: den erotisch aufgeladenen Psychothriller, gern gespickt mit langen Messern und kreischenden Hitchcock-Geigen. Doch diesmal liefert er fast eine Selbstparodie. Die intrigante Christine (McAdams) gibt die Arbeit ihrer Assistentin Isabelle (Rapace) als die eigene aus. Ein tödliches Spiel um Sex und Macht beginnt... Neben allerlei optischem Hochglanzfirlefanz (aber wenig Sex) stehen Szenen im TV-Look und merkwürdig hölzern chargierende Stars.