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Anke Engelke im Interview

"Scheiße aussehen? Willkommen in meiner Welt!"

In Sönke Wortmanns Schulkomödie "Frau Müller muss weg" (ab 15.1.2015 im Kino) spielt Anke Engelke die ziemlich toughe Mutter Jessica, die zwar selbst keine allzu hohe Meinung von ihrer Tochter hat, aber im Streit mit der Lehrerin und den Eltern der Mitschüler deutliche Ansagen macht.

TV SPIELFILM Kannten Sie das Theaterstück von Lutz Hübner vorher?

ANKE ENGELKE
Ich glaube, ich war eine der wenigen aus dem Cast, die das Theaterstück tatsächlich nicht gesehen hat. Mit Absicht. Sonst wäre ich verloren gewesen.

Inwiefern?

ANKE ENGELKE
Das hätte mich zu sehr beeinflusst, ich hätte das Spiel der Darstellerin der Jessica als Maßstab genommen. Ich mache ja total gerne nach - bitte nicht falsch verstehen, ich bin keine besonders gute Parodistin, aber ich imitiere gerne. Mir macht es interessanter Weise auch nichts aus, wenn ein Regisseur mir etwas vorspielt, wie er etwas haben will. Das hilft mir sogar, aber ich kenne Schauspieler, die durchdrehen, wenn sie nicht alles selber entwickeln dürfen.

Was hilft Ihnen noch beim Dreh?

ANKE ENGELKE
Details! Ich will zum Beispiel die richtigen Strümpfe anhaben, auch wenn man die im Bild nicht sieht. Das war eine lustige Unterwäschediskussion für die Szene, in der Jessica ins Schulschwimmbad springt und sich dafür auszieht. Was trägt diese Frau für Unterwäsche, passen BH und Slip zusammen? Ich bin gleich raus auf den Flur und hab alle Frauen gefragt, ob das zusammen passt, was sie tragen. Oder die Armbanduhr in derselben Szene, klingt jetzt vielleicht kleinlich, aber mir war es sehr wichtig, dass sie eine alte Armbanduhr trägt und sie auszieht, kurz bevor sie ins Becken steigt, weil ich wusste, das passt zu der Figur. Das hab ich mir regelrecht gewünscht.
Sönke Wortmann hatte Sie von Anfang an für die Rolle als ziemlich toughe Mutter vorgesehen. Welche andere hätte Sie gereizt?

ANKE ENGELKE
Unheimlich gerne hätte ich die Rolle der Lehrerin gespielt, Frau Müller. Weil ich diese Ambivalenz mag, erst Opfer zu sein und dann Täterin. Aber eigentlich mich hätte jede Rolle interessiert.

Warum wollte Sönke Wortmann Sie gerade für diese Rolle haben?

ANKE ENGELKE
Ich glaube, er wollte mich erst böse zeigen und dann gebrochen, verletzlich, in dieser Szene, die im Schwimmbad spielt. Da war es ihm auch ganz wichtig, dass ich da richtig scheiße aussehe, worauf ich nur gesagt habe: Willkommen in meiner Welt! Das mag ich total gerne: zu zeigen, was Fassade ist und was echt. Verletzlichkeit, das ist das Schönste. Ich mag die Rolle total gern, auch weil ich da wieder telefonieren darf.

Das müssen Sie erklären.

ANKE ENGELKE
Ich telefoniere so unglaublich gern im Film. Dann wird wirklich gespielt, da ist ja niemand am anderen Ende, das ist so tun als ob. Das liebe ich sehr, ich frage oft bei Rollen, bitte, darf ich telefonieren - ist das nicht bescheuert? Vielleicht ein Fetisch? (lacht) Wer weiß?
Wie stehen Sie sonst zum telefonieren?

ANKE ENGELKE
Mach ich privat total ungern. Ich hab kein Smartphone, ich gehöre zur Generation Bronzezeit. Ich habe ein Adressbuch, in das ich Adressen eintrage, und meine Fotos sind in einem Karton oder im Album. Ich bräuchte eigentlich nicht mal ein Telefon, mit dem man telefonieren kann, mir würde es reichen, wenn es nur SMS verschickt.

Was halten Sie von Eltern, die den Lebensweg ihrer Kinder planen?

ANKE ENGELKE
Gegen das Planen ist grundsätzlich nichts zu sagen, so nach dem Motto, ich hätte gern, dass mein Kind mal das und das macht. Aber inzwischen gehen Eltern ja sogar mit ihren Kindern zur Uni und reden mit den Professoren - gern auch mal in Abwesenheit der Kinder! Was ist denn da passiert in unserer Gesellschaft? Und auch diese automatische Reaktion: Es liegt nicht an meinem Kind, es liegt an der Schule - das ist eine neue Entwicklung, die ich aus meiner Schulzeit nicht kenne.

Für wen ist der Film eigentlich gedacht?

ANKE ENGELKE
Es wäre unfair zu sagen: Das ist nur ein Film für Eltern. Falsch! Oder nur für Eltern von Schulkindern. Auch falsch! Das ist ein Film, der ein gesellschaftsrelevantes Thema behandelt, nämlich: Was ist das für ein krummes Menschenbild, wenn sich Eltern erfolgreiche Kinder wünschen und nicht glückliche, und wenn sie ihre eigenen Erwachsenenprobleme auf dem Rücken ihrer Kinder austragen?

Interview: Volker Bleeck