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"Das Verschwinden": Serie der Abgründe

In der ARD-Serie "Das Verschwinden" scheitern die Jungen an ihrer provinziellen Heimatstadt. Warum? Ein Interview mit Regisseur Hans-Christian Schmid.

Hans-Christian Schmid ist ein großartiger Regisseur. Filme wie "Lichter" oder "Requiem" sieht man einmal und trägt sie für immer mit sich. Seine Figuren sind plastisch, die Milieus authentisch, die traurige, schicksalsergebene Stimmung - meistens unterstützt von Musik der Band The Notwist - geht in die Knochen.

All das findet man auch in seiner ersten Serie, "Das Verschwinden", die in der fiktiven bayrischen Grenzstadt Forstenau spielt. Die jungen Menschen dort sind unglücklich, die Droge Crystal Meth allgegenwärtig, die vier Familien, von denen Schmid erzählt, drohen unter ihren Lebenslügen zusammenzubrechen. Eine Tragödie, so kunstfertig erzählt wie gewohnt, aber auch so einheitlich schwarz, dass sich mancher leise fragt: Was soll das Ganze?
Foto: Imago, Interview mit Regisseur Hans-Christian Schmid, "Das Verschwinden"
Warum sind in Forstenau so viele dysfunktionale Familien auf einem Haufen?
Hans-Christian Schmid: Vier dysfunktionale Familien von
10 000 ist doch nicht sehr viel. Wenn Sie mich fragen, ob mein Bild von der Provinz ein so schlechtes ist - ich glaube, wenn man sich verloren fühlt und unverstanden und lebenshungrig, dann kann die Provinz ein sehr ungünstiger Katalysator für diese Gefühle sein.
Vier kaputte Familien aus vier unterschiedlichen Milieus...das ist aber schon ein Porträt einer Stadt. Warum ist es so düster und ausweglos?
Ein anderer Autor hätte sich vielleicht vier glückliche Familien herausgepickt. Das haben wir nicht gemacht. Weil wir glauben, dass die Provinz unter der heilen Oberfläche gar nicht heil ist.
Initialzündung für Ihre Serie war eine Zeitungsmeldung: Eine junge Frau verschwindet, in der Folge bringen sich zwei ihrer Freunde um.

Welche Erklärung haben Sie sich selbst gegeben, was dort geschehen ist?
Ich habe mich damit nicht intensiv beschäftigt, für uns war das nur der Anstoß. Wir erzählen eine eigene Geschichte

Welche Rolle spielen die Drogen für Forstenau?
Die leichte Verfügbarkeit von Crystal Meth ist schon Teil der Problematik dort vor Ort. Die Leute dort im tschechischen Grenzgebiet erklären dir: Wenn du für zehn Euro gut draufkommen willst, dann so. Ein Bier-Rausch ist teurer.

Crystal Meth macht extrem schnell abhängig, die Haut wird schlecht, die Zähne faulen.
All das sieht man bei Ihren Protago­nisten nicht. Warum?

Nach meiner Recherche in einem Drogenzentrum dauert es bei jungen Usern eine ganze Weile, bis der körperliche ­Verfall sichtbar wird. Das hatte ich auch nicht erwartet. Die Mädchen dort waren auch eher übergewichtig. Ich dachte, die sind ausgezehrt. Stimmt aber nicht. Ich habe also so besetzt und inszeniert, wie ich es realistisch fand für das Anfangsstadium der Abhängigkeit.

Sie kommen selbst aus einer bayrischen Provinzstadt. Als es Ihnen dort zu eng wurde, sind Sie einfach weggegangen. ­Warum bleiben Ihre Protagonisten bis zum bitteren Ende?
Ich will diese Fragen eher stellen als beantworten: Warum geht ihr nicht weg? Warum findet ihr nicht einen besseren Platz im Leben? Aber auch an die Eltern: Warum lügt ihr euch und euren Kindern etwas vor? Die Lebenslügen der Eltern sind zum großen Teil schuld daran, dass die Pläne der jungen Leute nicht auf­gehen.
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Elisa Schlott zu "Das Verschwinden"