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Katharina Marie Schubert: "Das politisch Korrekte nutzt niemandem"

Schubert
Katharina Marie Schubert über Glaubensfragen Arno Declair

Für das Drama "Atempause" hielt Katharina Marie Schubert 90 Minuten die Luft an. Jetzt spricht sie.

Polly in der "Dreigroschenoper". Mehr Bühne war im letzten Jahr nicht drin. Katharina Marie Schubert hat Fernsehen und Film für sich entdeckt: "Wer aufgibt ist tot", "Wellness für Paare", die Liebesgeschichte "Zwei". Oder ihre Rolle in Ibsens "Hedda" - als Energieschleuder fürs wegnickende Publikum. Und jetzt vielleicht selbst mal zur Ruhe kommen. Frau Schubert ist schwanger. "Da kommt einfach wieder was Neues", sagt sie. Man spürt, dass die 40-Jährige im Müßiggang nicht geübt ist. Nun probiert sich die in Braunschweig aufgewachsene Schauspielerin wieder an einer fordernden Rolle: In "Atempause" spielt sie eine Frau, deren Leben stehen bleibt.
So ist "Atempause", der ARD-Fernsehfilm
Interview mit Katharina Marie Schubert
Katharina Marie Schubert studierte Schauspiel in Wien, spielt auf allen großen deutschen Bühnen, überzeugt als Springteufelin im Fernsehen und würde wahnsinnig gern mal mit Aki Kaurismäki arbeiten...

In "Atempause" sitzt Esther am Krankenbett ihres Sohns und ist nicht bereit, seinen Tod zu akzeptieren. Beten war keine Option?

Katharina Marie Schubert: Ich habe sicher mal "Bitte lieber Gott, mach, dass er wieder lebt" gesagt. Das verstehe ich aber als eine kindliche Form, um etwas zu bitten. Meine Figur sucht weder Halt noch Stärke noch Trost im Glauben. Ich habe mich damit nicht weiter auseinandergesetzt. Mein Bereich ist ein anderer.

Dass das Schauspiel Ihr Bereich ist, daran gab's nie einen Zweifel?

Das stimmt. Meine Mutter hat mich als kleines Mädchen mal ins Theater mitgenommen, und da hat es schon so toll gerochen. Ich habe die ganze Theaterwelt lange Zeit für die Wahrheit gehalten. Ich war sehr lange Kind. In der Pause in der Kantine habe ich mich gewundert, dass die Räuber da sitzen und Karten spielen und nicht im Wald sind. Ich konnte in diese Fantasiewelten total reinfallen. Da gab es keine Zweifel.
Aber Fragen.

Klar. Wie sinnvoll ist das? Wie wichtig ist das? Wer möchte ich sein? Ist das Kunst?

Wo hört Kunst auf?

Auch das. Im Fernseh- und Filmbereich gibt es die Tendenz, zum Requisit zu werden. Das Gefühl, da irgendwo als letztes Detail in ein Setting gestellt zu sein. Das interessiert mich so gar nicht.

Wenn ein Film als Auftragsarbeit in der Themenwoche "Woran glaubst Du?" ausgestrahlt wird, läuten dann die Alarmglocken?

Als Zuschauerin bemerke ich, dass Filme langweilig werden, weil sie politisch korrekt sein müssen. Da gibt's den "Tatort" über schlimme Arbeitsbedingungen. Der hat wenig Story, wenig Krimi, aber alle Infos zum Thema. Dann spricht Anne Will über schlimme Arbeitsbedingungen, und so wurde alles von allen Seiten für alle beleuchtet, damit sich auch ja keiner auf den Schlips getreten fühlt. Und der Mörder war der Hund, weil Hunde keine Lobby haben. Alles politisch korrekt. Aber das politisch Korrekte nutzt niemandem und kommt auch nicht in die Nähe von Kunst.

Und wie kommt man da raus?

Es ist das Nachdenken über die Welt, wofür ich bezahlt werde. Was man präsentiert, ist das Ergebnis dieser Gedanken. Nicht das Ergebnis von ich. Was möchte man mitteilen, worüber möchte man sprechen. Und zwar so, dass es die Intelligenz des Zuschauers nicht beleidigt.

Das klingt jetzt aber auch schwer korrekt. Und was bringt Spaß?

"Wellness für Paare" war eine der schönsten Dreherfahrungen meines Lebens. Das ist die Quintessenz von Schauspiel. Treffen sich Leute in einem Raum und überraschen einander. Noch dazu kann man sich selbst überraschen. Ich bin ja gar nicht so ein lauter Mensch wie meine Figur. Wie ich da neben dem Brambach sitze und zum Fenster rausschreie: "Wir ham Therapie, wir ham Therapie!" Der private Teil von mir dachte, was machst du denn da? Aber das ist das Tolle am Spiel. Von sich selbst befreit und in einer Atmosphäre, in der man herzlich willkommen ist, zu tun was einem in den Sinn kommt.

Sehen Sie sich eher als Clownoder als Tragödin?

Uh, das sind ja jetzt die schwierigsten Fragen. Eine gute Komödiantin bewegt sich natürlich immer nah am Abgrund. Es geht um eine gewisse Art von Tiefe in dir als Person. Eine Tiefe, die man nicht herbeispielen kann. Sowas Philip-Seymour-Hoffman-mäßiges. Das ist nicht darzustellen und auch nicht vorzugaukeln. Diese Tiefe bedingt, dass man in sich hineinschaut. Wer es dann schafft, da nicht stecken zu bleiben, sondern mit Humor wieder rauszukommen, der wird ein flexibler Schauspieler. Dass sich Komödie und Drama in der Ernsthaftigkeit mit der man ihnen begegnet nicht unterscheiden. Das
ist das Ideal.

Interview: Martina Kalweit