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Vampir-Hype

"Heute sitzen Vampire im Finanzamt"

Twilight - New Moon
Mehr Liebes- als Vampirgeschichte: "Twilight" Concorde Filmverleih

Seit Monaten belagern Vampire die Medien. Warum gerade Teenager so fasziniert von den Blutsaugern sind und was es mit dem Vampir-Boom auf sich hat, erklärt Vampir-Experte Friedhelm Schneidewind.

"Twilight", "New Moon", "True Blood", "The Vampire Diaries" - die Liste der Vampirfilme und -serien, die in den letzten Monaten Kino und TV erobert haben, ist länger, als manch einem lieb ist. Tatsache ist, Vampire sind momentan aus unserer Medienwelt nicht mehr wegzudenken. Warum gerade jetzt die Blutsauger verstärkt ihr Unwesen treiben, erklärt Vampir-Exerte Friedhelm Schneidewind. Er gilt als Deutschlands bekanntester Vampirologe und Kenner der Vampirgeschichte.

Seit "Twilight" ist ein regelrechter Vampir-Boom ausgebrochen. Wie erklären Sie sich den Hype?

SCHNEIDEWIND: Der Vampirboom begann schon sehr viel früher. Seit den letzten vier oder fünf Jahren sind Vampire wieder furchtbar in. Vor allem in Zeiten der Krise und in Umbruchszeiten tauchen sie wieder auf, generell so alle 20 Jahre. Beispielsweise während sozialer Krisen, Wirtschaftskrisen, Legitimationskrisen oder auch Finanzkrisen. Ich werde oft gefragt, wo heute Vampire zu finden sind: natürlich im Finanzamt. Hier passt das Sujet des Aussaugens ja hervorragend!

Warum sind gerade Teenager so fasziniert von Vampiren?

SCHNEIDEWIND: "Twilight" ist weniger eine Vampirgeschichte denn eine Liebesgeschichte. Dass es um Vampire geht, ist eher Zufall. Es könnten genauso gut auch Mutanten sein. Was viel mehr fasziniert ist die Vorstellung ewiger Liebe, Unsterblichkeit und Romantik. Und dann ist dieser Vampir auch noch so reif und selbstbeherrscht, so erfahren - und wird doch nicht älter.
Foto: Friedhelm Schneidwind, Vampirologe Friedhelm Schneidewind
Stephenie Meyers Vampire, genauso wie einige Serienvampire in "The Vampire Diaries" und "True Blood", sind regelrecht prüde und widersprechen dem bekannten Bild des Vampirs als Symbol für Sex und Verführung. Wie geht das zusammen?

SCHNEIDEWIND: Früher war der Vampir schlicht böse und brutal. Erst mit der Literarisierung kam die erotische Komponente hinzu. Nun ist Stephenie Meyer ja bekennende Mormonin. Für sie sind Vampire einfach das perfekte Sujet, um das umzusetzen, was in der wirklichen Welt generell umzusetzen ist, nämlich mormonische Vorstellungen.

Ist der Wandel des Vampirs gleichzusetzen mit einem Wandel der Gesellschaft?

SCHNEIDEWIND: Hier muss man trennen zwischen USA und Deutschland. In den USA gibt es in manchen Teilen, vor allem im ländlichen Bereich, eine extrem prüde Gesellschaft, bei denen diese Vorstellungen auf Begeisterung stoßen. In Deutschland scheint sich die Gesellschaft aber nicht gewandelt zu haben. Hier habe ich vielmehr beobachtet, dass die Leute die Geschichten gerne sehen, weil sie so schön sind, aber nicht, weil sie die Idee teilen. Hier kann man eine gewisse Diskrepanz erkennen: Sie sehen auf der Leinwand zwar die Enthaltsamkeit, knutschen aber trotzdem im Kino. Die Geschichten werden also nicht als Vorbild gesehen, sie sind jedoch interessant in ihrer Fremdartigkeit. In "Twilight" geht es ja vor allem auch um das Gebundensein, das grenzt fast an Sklaverei. Keiner der Charaktere ist wirklich frei, alles ist vorbestimmt. Gerade bei Teenagern gibt es heiße Diskussionen, was dieses reaktionäre Frauenbild angeht.

Die wenigsten Vampire reagieren noch auf die klassischen Abwehrmethoden wie Kreuze, Knoblauch oder Tageslicht. Stattdessen sind sie im Alltag angekommen, sie wandeln unter uns und wollen akzeptiert werden (z.B. in der Serie "True Blood"), trinken Tierblut oder künstliches Blut. Kurz: Sie wurden gezähmt. Kann man von einer Domestizierung der Vampire sprechen?

SCHNEIDEWIND: Vampire spielen immer mehr eine Rolle des Alltäglichen. Sie sind nicht mehr mythisch, nicht mehr außergewöhnlich. Die Wesen kommen immer mehr bei uns an, sie stehen in unseren Türen, uns gegenüber. In Horrorgeschichten ist der Schrecken aber immer ein Mythischer. Das eigentlich Gefährliche ist ja immer das Übernatürliche. In Stephenie Meyers Romanen wird hingegen alles erklärt. Das macht die Vampire ein Stück harmloser. In dieser Hinsicht kann man tatsächlich von einer Domestizierung sprechen. Letzen Endes verkörpern sie sogar das Gute und werden zu Helden.

Interview: Stefanie Kimler