Die meisten Schauspieler studieren jahrelang und wachsen dann in ihre Figuren immer mehr hinein. Manche spielen aber auch einfach drauflos, sind sofort umwerfend und studieren trotzdem noch. Zum Beispiel Elisa Schlott, die im Drogen-"Tatort: Der Himmel über Kiel" erschreckend authentisch einen Crystal-Meth-Junkie spielte, oder Gro Swantje Kohlhof, die als Teil des Rostock-Lichtenhagener Brandstiftermobs (Kino: "Wir sind jung, wir sind stark") ähnlich bedrohlich ist.

Beide spielen nun Episodenhauptrollen im "Tatort" (Kohlhof) und in "Marie Brand" (Schlott): sehr hart, sehr intensiv, jede Figur mit mindestens einem doppelten Boden. Wie machen die das? TV SPIELFILM hat die Damen in Berlin getroffen.
TV SPIELFILM: Wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen?

GRO SWANTJE KOHLHOF
In der Schule hing ein Castingzettel für eine Kinderserie. Ich habe meine Eltern angebettelt, dass ich da hindarf. In der zweiten Runde bin ich zwar rausgeflogen, wurde aber zu einem anderen Casting eingeladen. So ging es los.

ELISA SCHLOTT Als ich elf war, habe ich im Internet nach "Kinderrollen für Filme" gesucht und ein Formular gefunden, das ich ausgefüllt habe. Meine Eltern bekamen dann einen Anruf: Sie haben sich bei einer Castingagentur für Kinder und Jugendliche angemeldet! Meine Mutter war perplex.

Warum wollten Sie eine Kinderrolle? Hat ein bestimmter Film den Wunsch ausgelöst?

ELISA SCHLOTT Nee, mein Opa hat in der DDR Dokumentarfilme gemacht und hatte noch die Kameraausrüstung. Wir haben viel Zeug zusammen gemacht. Spaßfilme, Werbespots. Irgendwann wollte ich dann mal in einem richtigen Film mitspielen, nicht nur bei meinem Opa.

Sie spielen sehr überzeugend beschädigte, abseitige Figuren. Wo können Sie da mit Anfang zwanzig anknüpfen? Kennen Sie sämtliche menschlichen Abgründe aus dem Internet?

ELISA SCHLOTT Bei mir funktioniert das über die Vorstellungskraft. Ich spinne mir die Profile zusammen und ergänze sie dann durch Literatur oder Informationen aus Gesprächen. Für die "Tatort"-Rolle habe ich mich mit Leuten getroffen, die die Droge jahrelang genommen haben.

GRO SWANTJE KOHLHOF Meine "Tatort"-Rolle habe ich mir über die Logik der Figur erschlossen. Jeder Bösewicht hat eine Rechtfertigung für sein Tun. Und fühlt sich dann auch im Recht. Sie macht schlimme Sachen, aber ich wollte sie verteidigen und lieb haben.

Jemanden lieb haben, der einem Kuchen mit Glasscherben anbietet und hinterher fragt, wie es geschmeckt hat...

GRO SWANTJE KOHLHOF (lacht) Ja, der Kameramann hat nach dem Take gesagt: Gro, du Bitch!

Es wirkt, als würde Ihnen das Schauspiel einfach zufliegen. Was finden Sie daran schwer?

ELISA SCHLOTT Ich finde es schwierig, sich ein darstellerisches Spektrum zu schaffen, so dass sich die eine Figur von der nächsten wirklich unterscheidet.

GRO SWANTJE KOHLHOF Lieb und nett ist nicht so meins. Ich spiele gern Figuren mit einem Knacks, die ein bisschen kaputt sind. Kein Mensch ist vollkommen heil und glücklich. Figuren, die in diese Richtung gehen, finde ich weniger spannend. Wenn man mir sagt: Sei mal jung und glücklich und unbeschwert... dann muss ich mich ein wenig anstrengen.

Haben Sie nicht auch Angst, durch das Studium etwas von Ihrer natürlichen Ausdruckskraft zu verlieren?

ELISA SCHLOTT Nein. Das ist eher ein Anreichern von Ausdrucksmitteln. Man muss ja nicht alles benutzen, was einem angeboten wird. Nur das, von dem man denkt, dass es einen weiterbringt.

GRO SWANTJE KOHLHOF Wenn man es nicht anders weiß, spielt man intuitiv. Aber für mich war das immer mit Druck verbunden. Weil man sich nicht darauf verlassen kann, dass das Gefühl immer richtig ist. Es ist gut, wenn man auf eine Technik zurückgreifen kann. Das gibt Sicherheit, aber es ersetzt nicht die Intuition.

Sind Sie ausdrucksstark, weil Sie ungeschützt spielen?

ELISA SCHLOTT Ich musste erst lernen, mutig zu sein und Sicherheitsleinen loszulassen. Das hat wahrscheinlich dazu beigetragen, dass ich die "Tatort"-Rolle spielen konnte, ohne dabei zu gucken, wie ich wirke oder aussehe.

Drogen, Sex und Gewalt sind Teil Ihrer Rollen. Wie reagieren Ihre Eltern darauf?

ELISA SCHLOTT Meine Familie ist ein guter Halt für mich. Die unterstützen mich und sind stolz. Ich habe mir ein bisschen Gedanken gemacht, was meine Großeltern sagen, wenn sie sehen, wie ich da nackt rumspringe, Drogen nehme und rauche. Aber sie konnten das abstrahieren.

GRO SWANTJE KOHLHOF Beim Drehen denke ich nie groß darüber nach. Wenn der Film dann im Kino läuft... Es gab mal eine Vergewaltigungsszene, und ich wusste: Mein Vater sitzt dahinten. Wie fühlt sich das für ihn wohl gerade an? Er hat hinterher mit dem Schauspieler ein Bier getrunken - nachdem er ihn zurechtgewiesen hat.

Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Leben schneller ist als das älterer Menschen? Weil Sie mehr Informationen verarbeiten müssen?

ELISA SCHLOTT Unsere Zeit ist schon sehr schnelllebig geworden. Es gibt einen Hype, und drei Tage später ist er vergessen, und es kommt der nächste.

GRO SWANTJE KOHLHOF Mir ist es aber nicht zu schnell. Ich habe allerdings auch kein Smartphone. Und komme trotzdem klar. Man kann sich auch sehr gut jenseits der Mitte bewegen und trotzdem voll dabei sein.

ELISA SCHLOTT Ich habe aber schon das Gefühl, dass die Kinder sich schneller langweilen als früher. Sie wollen eher mit ihren iPads spielen als sich draußen im Garten selber Spiele ausdenken.

GRO SWANTJE KOHLHOF Ach, später werden wir sagen: Das war so schön früher, als die Kinder noch mit ihren iPads gespielt haben. Jetzt sitzen sie nur noch da mit ihren Google-Brillen.

ELISA SCHLOTT (lacht) Wahrscheinlich.

Was kommt als Nächstes?

ELISA SCHLOTT Der Kinofilm "Agnieszka" von Tomasz Rudzik. Ich spiele darin eine Domina, die Ball-Busting betreibt.

Was ist Ball-Busting?

ELISA SCHLOTT Ball-Busterinnen treten Männern professionell in die Eier. Für viel Geld.

GRO SWANTJE KOHLHOF (lacht) Was? Ich mache doch kein Schauspiel mehr. Ich habe gerade eine neue Berufung gefunden.

Frank I. Aures
Marie Brand und der schöne Schein
SA 14.3. ZDF 20.15 Uhr

Tatort: Die Wiederkehr
SO 15.3. Das Erste 20.15 Uhr