Ist das zu fassen? Einen kurzen Moment lag Fritz Dopfer im Zielraum. Nur ein Wimpernschlag hatte beim Weltcupslalom im schweizerischen Adelboden zum ersten Weltcupsieg seiner Karriere gefehlt, genau 0,02 Sekunden.

Dass er das Berner Oberland später trotzdem mit einem "riesengroßen Grinsen" verlassen hat, wie er in einem TV-Interview versicherte, lag womöglich daran, dass er gerade den besten Saisonstart seiner Karriere erlebt. Zehn Top-10-Platzierungen in Folge standen für den 27-jährigen Slalom- und Riesenslalomspezialisten Mitte Januar in der Statistik, Platz 3 im Gesamtweltcup. Noch vor seinem weit prominenteren Teamkollegen Felix Neureuther übrigens, mit dem er bei der alpinen Ski-WM in Vail/Beaver Creek (1. bis 15. Februar) zu den größten Hoffnungs- trägern des Deutschen Skiverbandes (DSV) gehört.

TV SPIELFILM: In diesem Winter werden Sie Ihrem Ruf als "Mister Zuverlässig" mal wieder mehr als gerecht. Wie wichtig ist diese Konstanz mit Blick auf die WM in den USA?
FRITZ DOPFER: Sehr wichtig. Im Lauf meiner Karriere war es eigentlich immer so, dass ich mir über Konstanz die nötige Sicherheit geholt habe, um Topplatzierungen erreichen zu können. Ich bin jedenfalls keiner, der bei jedem Lauf volles Risiko geht, egal, was im Rennen davor passiert ist.

TV SPIELFILM: Sie waren in dieser Saison schon dreimal Zweiter - wann klappt es endlich mit dem ersten Weltcupsieg Ihrer Karriere?
FRITZ DOPFER: Es ist extrem schwierig, sich zum Ziel zu setzen: Jetzt, bei diesem Rennen, erreiche ich Platz eins! Meine Herangehensweise ist ein bisschen anders. Ich versuche mich auf jedes Rennen optimal vorzubereiten. Daran arbeite ich jeden Tag, weil es im Endeffekt das ist, was ich selbst beeinflussen kann. Sich auf eine Platzierung zu versteifen bedeutet, sich unnötigen Ballast aufzuladen.

TV SPIELFILM: Wenn Sie nach einem guten ersten Durchgang noch zurückfallen, vermissen Kritiker bei Ihnen regel­mäßig die "letzte Aggressivität" - zuletzt bei Ihrem achten Platz in Zagreb. Ist da was dran?
FRITZ DOPFER: Für mich ist das etwas zu kurz gegriffen. Der Grat zwischen einem guten und einem sehr guten Lauf ist einfach extrem schmal. Da reichen ein, zwei Schwünge, die du selbst nicht hundertprozentig triffst und die andere Jungs vielleicht noch gnadenloser fahren, und die Spitzenplatzierung ist weg. Aus meiner Sicht habe ich in Zagreb eher zu viel gewollt und war deshalb vielleicht etwas verkrampft.

TV SPIELFILM: Sie gelten als Kopfmensch, als nachdenklicher Typ.
FRITZ DOPFER: Ja. Wieso?

TV SPIELFILM: Kann diese reflektierende Art im Sport manchmal hinderlich sein?
FRITZ DOPFER: Natürlich gibt es Momente, wo man sich wünscht, vielleicht ein bisschen weniger Kopfmensch zu sein. Zum Beispiel, als ich bei den Olympischen Spielen in Sotschi mit fünf Hundertstelsekunden Rückstand Vierter geworden bin. Gewisse Dinge sollte man einfach nicht hinterfragen, sondern hinnehmen.

TV SPIELFILM: Ihre Freundin Lena Dürr steckt mit den DSV-Frauen gerade in der Krise - ist das privat ein Thema bei Ihnen?
FRITZ DOPFER: (überlegt) Klar, das ist doch normal. Grundsätzlich ist es wichtig, dass man in schwierigen Lebensphasen zusammenhält. Ich unterstütze Lena, so gut ich kann. Aber in sportliche Belange mische ich mich nicht ein, dafür gibt es hauptberufliche Trainer, die ihre Sache sehr gut machen.

TV SPIELFILM: Rosige Zeiten erleben derzeit die DSV-Männer. Wie hart ist der Konkurrenzkampf mit Felix Neureuther und Stefan Luitz?
FRITZ DOPFER: Ich sehe das durchweg positiv, weil wir auf diese Weise als Team reifen. Nur die Konkurrenz aus dem eigenen Lager spornt einen an, bei jedem Training ans Limit zu gehen. Bei uns ist jedes Training ein kleiner Weltcup.

TV SPIELFILM: Als Sohn eines Deutschen und einer Österreicherin hatten Sie die Qual der Wahl, für welches Land Sie starten. Warum sind Sie dem Konkurrenzkampf im Team Aus­tria ausgewichen und haben sich 2007 für den DSV entschieden?
FRITZ DOPFER: Meine Wurzeln liegen in Schongau, also in Oberbayern, wo ich aufgewachsen bin. Außerdem gab es damals das übermächtige österreichische "Power-Team" (u. a. mit Benjamin Raich). Da hatte man als junger Athlet nahezu überhaupt keine Chance, mal Weltcup-Luft zu schnuppern. Wenn man mal schaut, mit welchen Jungs ich im österreichischen Nachwuchsteam Ski gelaufen bin und wie viele jetzt davon im Weltcup sind: Das ist eine verschwindend geringe Zahl.

Frank Steinberg

Alpine Ski-WM in den USA