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"Serienkiller"-Abend auf VOX

Wenn Menschen zu Bestien werden

Bestie Mensch: In mehreren Dokus erforscht VOX "Das Böse nebenan" und die "Chemie des Todes"

Mindestens einmal hatte er bereits gemordet und war dafür ins Gefängnis gegangen. Wieder in Freiheit galt Jack Unterweger als Paradebeispiel des resozialisierten Täters. Der "Knastpoet" avancierte zum Liebling der Wiener Kulturschickeria, schrieb Theaterstücke, hielt Lesungen, war Gast in Talkshows - und mordete fast im Wochenrhythmus weiter.

"Ein bösartiger Narzisst und ein extrem guter Manipulator mit dem Charme des Psychopathen", so Professor Reinhard Haller. Der Forensiker und Psychiater war Anfang der Neunziger Gutachter im Fall Unterweger, der jetzt die Vox-Doku "Das Böse nebenan - wenn Menschen zu Bestien werden" eröffnet. Ein vierstündiges Gruselkabinett, in dem die Spiegel-TV-Autoren Amrei Topçu und Gerrit Jöns-Anders einem "Code des Bösen" auf die Spur kommen wollen.
Anhand spektakulärer Fälle von Serienmördern und perversen Entführern erläutern Psychologen, Ärzte und Richter, wie und warum intelligente Menschen zu Schwerstkriminellen werden und ob man Killer genetisch und physiognomisch erkennen kann.

Gibt es eine Fratze des Bösen? Die Psychiaterin Heidi Kastner hat unzähligen Gewalttätern in die Seele geschaut. Josef Fritzl war einer von ihnen. Weil sie als Gutachterin keine Details preisgeben darf, hat Kastner die Gräuel in einem Märchen ("Täter-Väter") verarbeitet, aus dem sie in der Doku eine Leseprobe gibt.

Wie nahe unvorstellbare Verbrechen selbst jenen gehen, die professionell damit konfrontiert werden, zeigt auch die Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen. Sie räumt mit dem Vorurteil auf, dass der Tod des Bankiersohns Jakob von Metzler vom Täter lediglich in Kauf genommen wurde. Auf sie wirkte der zu lebenslanger Haft verurteilte Magnus Gäfgen "schwach und verschlagen", die penibel bis ins grausame Detail geplante Tat "war monströs".
Nichts für schwache Nerven sind die Bilder von Andrej Tschikatilo, der im Gitterkäfig verrückt die Augen verdreht, während die Anklage gruseligste Tathergänge schildert. Der sogenannte "Rostow-Ripper" ermordete zwischen 1978 und 1990 mindestens 53 Frauen, Jungen und Mädchen. "Gott sei Dank ist es in der Regel so, dass Sexual- und Serienmörder irgendwann erwischt werden", so Prof. Haller, "wir müssen aber davon ausgehen, dass heute zwischen 100 und 150 Serienkiller frei herumlaufen". Beruhigend klingt anders.

Heiko Schulze